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Aus Liebe zum Fleisch

Während in Berlin gerade gegen Billigfleisch und für mehr Qualität protestiert wurde, geht es in einer Kreuzberger Markthalle um eine ganz andere Frage: Was ist koscher, was helal? Metzger aus unterschiedlichen Schlachttraditionen stehen in einem imaginären Fleischgeschäft und arbeiteten sich an einem Lamm ab.

Von Mandy Schielke |
    "Ich habe einen Traum gehabt. Ich bin aufgewacht und hatte diese Szene vor mir in der Markthalle wo drei Metzger auf der Bühne stehen..."

    Drei Männer stehen hinter einer leeren Fleischtheke in der Markthalle Neun. Ein Türke, ein Deutscher, ein Israeli. An einem Haken hängt ein geschlachtetes Lamm. Ohne Kopf, die Haut rosa und glatt.

    Mehmet sagt etwas auf Türkisch.

    Das ist Mehmet Sakalli gespielt von Mehmet Sakalli.

    "Ein Lamm ist ein Lamm und ein Schaf ist ein Schaf."

    Das ist Markus Benzer gespielt von Markus Benzer. Und das ist Awraham Daus gespielt vom Murat Dikenci:

    "Wir haben mit den Moslems zusammengearbeitet, daher kenne ich auch den Mehmet Sakalli. Wir essen die Keule nicht, aber die Muslime essen das. Deswegen haben wir die Keulen an die muslimischen Kollegen verkauft. Die haben gesagt, das ist ideal für Döner. Und wenn es koscher ist dann ist es auch helal."

    Mehmet Sakalli schneidet geübt eine große Keule ab und zerteilt sie dann auf einem Schneidebrett. Dabei erzählt er vom muslimischen Opferfest, davon, dass er es in Deutschland schon deshalb nicht feiert, weil er arbeiteten muss. Außerdem darf er laut Gesetz sowieso nicht selbst schlachten. Seine Ware importiert er aus der Türkei.

    "Ich bin der Fleischer Mehmet Sakalli von Nasib Gida. Und links von mir mein Arbeits- und Berufskollege Markus Benzer."

    "Hallo ich bin Markus Benzer. Ich bin Fleischermeister in Neukölln."

    "Der Herr Marcus Benzer verkauft Blutwurst, aber wie. Er hat diesen kleinen Laden in Neukölln und in diesem Viertel wohnen viele Migranten, die Schweinefleisch überhaupt nicht essen."

    Cagla Ilk hatte die Idee zu dieser Inszenierung von Alltagsexperten in der Markthalle. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie sich eine Dramaturgie überlegt. Was die Metzger genau sagen wollen, entscheiden sie selbst. Zuvor hat Cagla Ilk ausführliche Interviews mit den Metzgern geführt. Jetzt treten sie vors Publikum:

    "Da lohnt ein Blick in die jüdische Kultur. Die haben jede Woche einen Feiertag – den Sabbat und davon könnten wir uns eine Scheibe von abscheiden."

    Nur die Rolle des Schochets, des jüdischen Fleischers, wird heute Abend von einem Schauspieler übernommen Awraham Daus – Schochet aus Charlottenburg im Ruhestand – wird von Murat Dikenci gespielt:

    "Die Gemeinde hatte in Israel eine Anzeige geschaltet: 'Berliner Gemeinde sucht Schochet.' Ein Freund hat mich angerufen...Sie haben mir ein Ticket geschickt. Ich habe immer gedacht, ich bleibe nur eine kurze Zeit. Aber aus der kurzen Zeit sind 28 Jahre geworden. Heute brauchen sie mich nicht mehr. Der Fleischverbrauch ist so gering und man importiert alles aus Israel oder Antwerpen. Deshalb gibt es keine jüdischen Metzgereien in Berlin."

    "Abraham und die Metzger" verschafft Einblicke in eine Welt, die wohl die wenigsten kennen. Es geht um Regeln, Rituale, das Spiel mit den Klischees. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und vor allem um die Liebe zum Fleisch – und nicht nur um Kochtopfreligion.

    "Koch..Kochtopf – ich kann es nicht sagen (im Sinne von schwer auszusprechen). Keine Kopftuch- oder Kochtopfreligion."

    Eine gut ausgestattete Fleischtheke vergleicht Mehmet Sakalli später mit einer schönen Frau. Und dann gibt’s auch mal Streit – über die Frage ob das Schlachten eines Tieres ohne Betäubung, so wie es jüdische und muslimische Tradition ist, Tierquälerei ist oder nicht. Ein Friede-Freude-Eierkuchen-Integrationsmärchen soll in der Kreuzberger Markthalle Neun nicht erzählt werden.

    Markus Benzer: "Was ist für Dich eigentlich helal?"

    Mehmet: "Ein gesundes Tier."

    Markus: "Ohne Betäubung. Davon halte ich aber nichts."

    Mehmet: "Sehr schön. Saftig. Frisch. Stinkt nicht. Riech mal! Ist für Dich Markus. Ein Stück Fleisch. Was sagst du, Markus?"