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Aus Schaden klug?

Die Glocken läuten zum Gottesdienst, doch normalsterbliche Katholiken haben keinen Zugang zu dieser Kapelle. Die Cappella Paolina ist nur für den Heiligen Vater und sein Gefolge zugänglich. Nur sie haben das Recht, diese im ersten Stock des apostolischen Palastes gelegene Andachtsstätte zu nutzen. Während in der nicht weit entfernten sixtinischen Kapelle immer viel los ist - sie ist Teil des Besuchsprogramms der vatikanischen Museen - herrscht in der Paolina, wie sie kurz genannt wird, Schweigen und tiefe Stille. Touristen und Kunstfreunde müssen draussen bleiben. Schade, denn die Paulskapelle bietet Fresken, die denen in der "Sistina" in nichts nachstehen, erklärt der Florentiner Kunsthistoriker Antonio Paolucci:

Von Thomas Migge |
    Ein Werk der Gegenreformation: Paul III. beauftragte Antonio da Sangallo den Jüngeren mit dem Bau der Kapelle. 1540 war sie fast fertig, denn es wurde der erste Gottesdienst in ihr gefeiert. Architektonisch präsentiert sie sich mit einem ungegliederten Sockel, über den sich Lisenen und Pilaster erheben und die Wände in drei Zonen unterteilen. Das war eine für das 16. Jahrhundert enorm moderne Bauweise.

    Die an den Wänden befindlichen Fresken stammen von Michelangelo, der ja, neben anderen, auch die Cappella Sistina ausmalte. Michelangelos Wandbilder in der Cappella Paolina, aber auch die Fresken von Sabbatini und Zuccari, leiden seit Jahren an Verfallserscheinungen. An manchen Stellen richteten Wasserinfiltrationen Schäden an. Die ehemalige Farbenpracht könnte durch eine geschickte Restaurierung wieder hergestellt werden. Wie in der sixtinischen Kapelle. Deshalb will der Heilige Stuhl die Fresken der Paulskapelle von Grund auf restaurieren lassen. Im Juni dieses Jahres diskutierten hinter verschlossenen Türen - im Vatikan mag man neugierige Journalisten auch in punkto Kunst nicht besonders - internationale Kunstexperten die exakte Vorgehensweise für den Verlauf der Arbeiten. Jetzt, im Herbst soll mit den Arbeiten begonnen werden. Antonio Paolucci:

    Die in dieser Kapelle zu sehenden Darstellungen zu Themen der katholischen Mystik gehören zu den eindrucksvollsten überhaupt. Michelangelos Kreuzigung des Heiligen Petrus" und seine Bekehrung des Saulus" sind in ihrer Formensprache so ausdrucksstark, dass sie sich auf der gleichen künstlerischen Höhe wie das letzte Gericht in der sixtinischen Kapelle befinden. Die Paulskapelle ist eine Aneinderreihung von Meisterwerken.

    Von beschädigten Meisterwerken. 1545 wurde die Kapelle durch einen Brand schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dabei kamen auch die Wandbilder zu Schaden. Bei den letzten Restaurierungsarbeiten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stellte sich heraus, das es Temperaübermalungen gab und dass nackte Engel nachträglich mit Faltenwürfen versehen worden waren. Wie im Fall der sixtinischen Kapelle - wie in der sixtinischen Kapelle lässt der Vatikan auch in der Paulskapelle die Kosten, rund vier Millionen Euro, von einem noch nicht näher bekannten Sponsor finanzieren. Die Arbeiten sollen zirka vier Jahre dauern und von vatikaneigenen Experten unter Leitung von Francesco Buranelli und Massimo Stoppa ausgeführt werden. Wieder stellt sich die Frage, ob die angedunkelten und beschädigten Wandbilder überhaupt restauriert, ob die vergilbten Farben wieder hervorgezaubert werden sollten, um, ganz im Sinn Michelangelos, dessen starke und kontrastreiche Farbensprache zur Geltung zu bringen. Der römische Kunsthistoriker und Michelangelospezialist Maurizio Calvesi rät zur Vorsicht:

    Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir es nicht mit irgendwelchen Werken eines Renaissancekünstlers zu tun haben, sondern mit Hauptwerken eines der besten überhaupt. In der sixtinischen Kapelle entschied man sich für eine Methode, bei der die Farben stark hervorgehoben wurden. Das war damals die Mode. Fraglich ist, ob man das auch in der Paolina machen sollte. Wie man diese Fresken restaurieren wird, das wird noch für viel Aufsehen sorgen.

    Auch deshalb, weil der Vatikan viel Geheimniskrämerei um die Restaurierungsarbeiten betreibt. Informationen werden zurückgehalten. Interviews mit den Verantwortlichen sind unmöglich. Schon teilen sich die Experten in Befürworter und Gegner einer Generalüberholung im Stil der sixtinischen Kapelle. Es ist damit zu rechnen, dass über die Paulskapelle genauso heftig gestritten wird.