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Ausbildung
Ein Kraut gegen den Azubi-Mangel?

Immer mehr Schulabgänger ziehen ein Studium einer Ausbildung vor; händeringend suchen Unternehmen nach Azubis - vor allem in ländlichen Regionen. Das Arbeitsministerium sowie die IHK in Nordrhein-Westfalen wollen Jugendliche nun in einer Kampagne für eine Berufsausbildung begeistern.

Von Stephanie Kowalewski |
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    Das Handwerk aufwerten: Die Image-Kampagne möchte über Facebook, Twitter und Co. Jugendliche und ihre Eltern erreichen, um zu zeigen, dass ein erfülltes Berufsleben eben nicht nur mit Studium möglich ist. (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    Uwe Siepmann ist Zimmermeister und führt seit mehr als 20 Jahren in Mülheim an der Ruhr ein eigenes Unternehmen mit insgesamt 14 Beschäftigten. Drei von ihnen sind Auszubildende.
    "Es ist auf jeden Fall schwieriger, nicht nur Auszubildende, sondern auch fertige Fachkräfte zu finden. Ich denke das liegt in erster Linie an dem Image des Handwerks, das sicherlich nicht so gut ist. Und eben auch bei den Auszubildenden, dass sie lieber einen Beruf erlernen wollen, wo man schnell Karriere macht und vielleicht auch mehr verdienen könnte."
    Zum Image der körperlich harten und schlecht bezahlten Ausbildungsberufe kommt noch der demografische Wandel. Es gibt einfach weniger junge Menschen - und immer mehr von ihnen gehen nach der Schule an die Hochschule und nicht an die Werkbank. Und so ist die duale Ausbildung - nach Meinung zahlreicher Experten - in Gefahr, sagt Sophia Tiemann, die bei der IHK-NRW für den Bereich Bildung und Fachkräfte zuständig ist.
    "Wir haben leider immer mehr unbesetzte Ausbildungsstellen in NRW. Also es waren jetzt über 6.000 im vergangenen Jahr."
    Gleichzeitig gab es rund 6.700 Bewerber auf Stellensuche.
    "Wir haben den Bedarf insbesondere in ländlichen Regionen, dass wir dort Auszubildende brauchen und die einfach nicht finden."
    Während es in Ballungsräumen - wie dem Ruhrgebiet - genau umgekehrt ist.
    "Dieses Problem haben andere Bundesländer auch."
    Aber im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sind die Zahlen immer etwas extremer als anderswo. Deshalb hat das NRW-Arbeitsministerium jetzt gemeinsam mit der IHK-NRW die Kampagne "In drei Jahren Weltklasse" auf den Weg gebracht.
    "Mit der Zielsetzung, dass wir einfach wieder mehr junge Menschen für die duale Ausbildung gewinnen wollen."
    Starke inhaltliche Veränderung in Ausbildungsberufen
    Im Moment werden an fast 1.400 Stellen großflächige Plakate geklebt, auf denen junge Azubis an ihrem Arbeitsplatz hip in Szene gesetzt sind: Veranstaltungstechnikerin Nadine alleine auf der großen Konzertbühne, Tanita lächelt als angehende Servicekauffrau im Luftverkehr mit Leuchtweste und Ohrenschützern vor einem Flugzeug. Dazu ein Link auf die Homepage der Kampagne, auf der nach und nach immer mehr Infos zu Ausbildungsberufen zu finden sein sollen und wo Auszubildende ihren Beruf vorstellen.
    "Ich mache viel Tontechnik, Lichttechnik, Bühnenbau. aber ich achte auch bei Veranstaltungen darauf, dass Fluchtwege frei gehalten werden."
    Eine gute Idee sei das, meint Zimmermeister Uwe Siepmann, denn die Ausbildungsberufe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten vielfach grundlegend verändert. Nur weiß das kaum jemand. Nicht die Eltern, die nach wie vor die wichtigsten Berater der Jugendlichen sind, noch die Schulabgänger.
    "Speziell in meinem Gewerk, dem Holzbau, hat sich das Ausbildungsbild drastisch geändert: dass sich die Auszubildenden mit Bauphysik auseinandersetzten müssen, die müssen CNC-Maschinen bedienen können, wir arbeiten mit Einblasdämmung - also das Spektrum ist einfach breiter geworden."
    Neue Medien nutzen, um Zielgruppe zu erreichen
    Deshalb will die Kampagne über Facebook, Twitter und Co. Jugendliche und ihre Eltern erreichen, um zu zeigen, dass ein erfülltes Berufsleben eben nicht nur mit Studium möglich ist. Felix Husch zum Beispiel hat sich bewusst gegen ein Studium und für eine Ausbildung zum Zimmermann im Betrieb von Uwe Siepmann entschieden.
    "Weil ich es ganz wichtig finde, praktisch gesehen was zu lernen. Ja und der andere Punkt ist, ich bin gerne draußen, ich bin gerne unterwegs und da habe ich das Gefühl, das kann mir ein Studium nicht so bieten. Da ist man schon viel im Hörsaal und viel zu Hause am Schreibtisch und lernt. Ich hab mehr Lust, etwas zu machen."
    Der 20-Jährige kommt aus einer Akademikerfamilie, seine Eltern und seine Großväter haben studiert, finden seinen Berufswunsch aber gut.
    "Also die haben mich da wirklich bestärkt und haben gesagt, mach' das. Ich hab' da immer Unterstützung bekommen von zu Hause, die gesagt haben, wir finden es auf jeden Fall gut, wenn du Handwerk lernst."
    Das ist aber eher untypisch, räumt Sophia Tiemann von der IHK NRW ein.
    "Gerade den Eltern ist es häufig wichtig, dass ihr Kind den höchst möglichen Bildungsabschluss macht."
    Das sei verständlich, aber nicht immer und für jeden die beste Entscheidung, sagt sie und hofft, dass die Image-Kampagne in NRW hier zumindest Denkanstöße bietet. Viel mehr kann man von einer Aktion, für die das Land und die IHK NRW gerade einmal 850.000 Euro locker machen, wohl auch nicht erwarten.
    "Ich glaube, es ist ein Signal. Diese Kampagne ist ein Baustein, den wir systematisch ausweiten wollen. Und wenn wir das über mehrere Jahre stringent weiterverfolgen, hat das sicherlich auch einen Erfolg."
    Schauen wir mal.