Kate Maleike: Modernisierte Ausbildungsberufe, dazu zählt in diesem Jahr, wie wir ja gerade gehört haben, unter anderem der Fischwirt, aber dabei ist auch der Dachdecker, der Graveur, der Hörakustiker, der Metallbildner oder die Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Jetzt fragt man sich natürlich, wer entscheidet eigentlich, wie und wann und was modernisiert wird, und was genau bedeutet Modernisierung. Eine zentrale Stelle dafür ist das Bundesinstitut für Berufsbildung, es hat nämlich die Aufgabe, in Abstimmung mit Verbänden, Kammern, Betrieben und so weiter die Ausbildungsordnungen neu zu fassen und gegebenenfalls auch neue Berufe auf den Markt zu bringen. Irmgard Frank leitet dort die Abteilung Struktur und Ordnung der Berufsbildung. Guten Tag, Frau Frank!
Irmgard Frank: Ja, guten Tag, Frau Maleike!
Maleike: Modernisierung, was heißt das eigentlich ganz genau – ist das Digitalisierung im Wesentlichen zum Beispiel?
Frank: Das ist es nicht nur. Ich denke, dieses Beispiel des Fischwirtes hat schon aufgezeigt, in welche Richtung es geht – also auf der einen Seite natürlich Veränderung in den technologischen Dingen, einzunehmen und aufzunehmen in die Ausbildungsordnung, gleichzeitig auch veränderte Kundenanforderungen entsprechend zu berücksichtigen, und darüber hinaus natürlich – das ist auch ganz wichtig, das kam ja in dem Beitrag auch sehr schön zum Tragen – neue Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit, auf Umweltschutz. Also insgesamt kann man sagen, die Veränderungen in der Wirtschaft, in den Unternehmen sind maßgeblich dafür, ob ein neues Berufsbild geschaffen wird oder, wie beim Fischwirt, der in der Tat 1972 entwickelt wurde, als man doch noch völlig anders gearbeitet hat als heute, dann zu modernisieren sind.
Wann neue Berufe entstehen
Maleike: Wer legt eigentlich fest, was genau an Neuerungen passiert oder wann ein neuer Beruf entsteht?
Frank: Ein neuer Beruf entsteht dann, wenn die Wirtschaft den Eindruck hat und festlegt aufgrund von Expertisen, dass ein bestehender Beruf nicht mehr zeitgemäß ist oder dass in völlig neuen Berufsfeldern Berufe entwickelt werden sollen. Dann finden auf der Grundlage dieser Expertisen Gespräche mit den zuständigen Ministerien statt, diese werden dann weitergeleitet an die Kultusministerkonferenz, dort finden weiterhin Gespräche statt. Wenn dieses dann alles erfolgreich ist, bekommt das Bundesinstitut für Berufsbildung einen Auftrag, gemeinsam mit den Sozialpartnern den bestehenden Beruf zu novellieren beziehungsweise einen völlig neuen Beruf zu entwickeln.
Maleike: Modernisierung tut, glaube ich, gerade ein bisschen auch deshalb not, weil viele junge Leute gar nicht wissen, wie modern ein Beruf eigentlich sein kann. Sie haben vorhin ja auch die moderneren oder aktuellen Erfordernisse an ein Berufsbild beschrieben – wir haben zurzeit über 300 Ausbildungsberufe, die im Angebot sind. Sind das nicht eigentlich zu viele?
Frank: Das ist die Diskussion, die wir immer wieder haben. Wir sind 1969 mit der Existenz des Berufsbildungsgesetzes mit 900 Berufen gestartet, und wir sind im Moment bei 328. Es ist immer die Diskussion um die Zusammenlegung von Berufen zu Berufsgruppen, aber auch hier geht es natürlich darum, bestimmte Berufsprofile, die für die Betriebe, Verbände und Institutionen wichtig sind, weiterzuentwickeln. Insofern halte ich angesichts der Breite der Wirtschaft in Deutschland diese Anzahl von Ausbildungsberufen nicht für überzogen, wenn ich mir anschaue, wie viel Bachelor-Studiengänge wir im Moment haben und welche explosionsartigen Entwicklungen wir in diesem Bereich haben.
"Wir haben eine sehr starke Regionalisierung, sowohl des Angebotes als auch der Nachfrage"
Maleike: Ich hab vorhin mal auf die Homepage geguckt der Lehrstellenbörse des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, und da ist im Moment eine Zahl noch, die nicht verwundert, aber trotzdem immer noch schrecklich ist: Da ist eine offene Lehrstellenanzahl von über 44.000 genannt. Was ist für Sie die größte Herausforderung jetzt für das anstehende Ausbildungsjahr?
Frank: Die größte Herausforderung ist tatsächlich, noch ein wenig mehr zu werben. Das große Problem, das wir haben – und da kann ich Ihnen auch keine einfache Lösung geben –, wir haben eine sehr starke Regionalisierung, sowohl des Angebotes als auch der Nachfrage, und die jungen Menschen sind in bestimmten Bereichen nur bedingt bereit umzuziehen. In dem Alter, in dem sie häufig diese Ausbildung beginnen, ist es schwierig, und das ist unser großes Problem, zu schauen, wie wir dort andere Verfahren finden können, wo wir das Angebot und die Nachfrage stärker in Übereinstimmung bringen. Wir haben auch insbesondere in einigen Berufen des Handwerks große Probleme, die Stellen zu besetzen. Das hat wiederum was mit dem Image der Berufe zu tun. Aber in dem Ausmaße, in dem es uns gelingt, die jungen Leute wirklich nachhaltig in eine Berufsorientierung zu bringen, die in der Tat etwas länger geht als nur zwei, drei Tage, und wo sie Erfahrungen sammeln können so wie dieser junge Fischwirt – der das ja wunderbar geschildert hat, der damit ein wunderbarer Moderator sein könnte oder auch ein Multiplikator für die Akzeptanz dieses vielleicht etwas sehr eigenartiges Berufes, für einige junge Leute würde ich mal sagen, wir haben nur 90 Auszubildende in dem Beruf –, das, denke ich, ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Maleike: Einschätzungen zum anstehenden neuen Ausbildungsjahr waren das von Irmgard Frank vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Frank: Ja, ich danke Ihnen, Frau Maleike!
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