Am 23. Juni 2023 hat der Bundestag eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen beschlossen, am 1. August 2024, also zu Beginn des kommenden Lehrjahres, wird sie in Kraft treten. Die Bundesregierung möchte jungen Menschen mehr Chancen auf eine Ausbildung ermöglichen und damit auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Rund 14 Prozent der 20- bis 34-Jährigen sind aktuell ungelernt und finden in der Folge oft keine Stelle für Erwerbsarbeit.
Warum finden viele junge Menschen keine Ausbildung trotz Fachkräftemangel?
Rund 177.000 unbesetzte Ausbildungsplätze hat die Bundesagentur für Arbeit im August 2023 gemeldet. Viele Betriebe suchen nach Bewerbern und finden keine. Trotzdem sind zahlreiche junge Menschen erfolglos auf der Suche. Etwa 76.000 Bewerber und Bewerberinnen haben Stand August 2023 noch keine Ausbildungsstelle gefunden.
Ein Grund dafür: Bewerber und Ausbildungsplatz passen nicht zueinander. Das könne zum einen an einer räumlichen Differenz liegen, sagt Naemi Johanning, die bei der Bertelsmann-Stiftung die Lage auf dem Ausbildungsmarkt erforscht.
Ein Ausbildungsplatz in München hilft einem jungen Menschen in Norddeutschland möglicherweise nicht weiter. Zudem müsse natürlich auch der Berufswunsch zu den angebotenen Ausbildungsplätzen passen. Wenn hier Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen, sprechen Experten von Passungsproblemen. Und diese Passungsprobleme nehmen zu, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit Blick auf die vergangenen Jahre feststellt.
Mangelnde berufliche Qualifizierung als Hürde
Probleme, einen Ausbildungsplatz zu finden, haben besonders Jugendliche mit geringer Schulbildung, also mit maximal einem Hauptschulabschluss. Das war auch ein Ergebnis der repräsentativen Befragung einer Bertelsmann-Stiftung. Im Jahr 2021 verließen laut Statistischem Bundesamt 170.000 Schüler und Schülerinnen ohne oder mit Hauptschulabschluss die allgemeinbildenden Schulen, was einem Anteil von fast einem Viertel aller Schulabgängerinnen und -abgänger dieses Jahres entspricht.
Und Unternehmen achten bei der Auswahl oft auf das Zeugnis und weniger auf die Persönlichkeit, sagt Bertelsmann-Forscherin Johanning. In der Befragung gaben viele junge Menschen an, dass sie auf Bewerbungen gar keine Rückmeldungen bekommen haben.
Was bringt die Ausbildungsgarantie für junge Menschen?
Ab dem 1. August 2024, also ab Beginn des nächsten Ausbildungsjahres haben junge Erwachsene das Recht auf einen Ausbildungsplatz. Wer keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb bekommt, dem steht eine außerbetriebliche Ausbildung zu – auch ohne Schulabschluss.
Eine solche außerbetriebliche Berufsausbildung findet dann in Bildungseinrichtungen statt, die dafür von der Bundesagentur für Arbeit beauftragt werden. Gegebenenfalls kooperieren die Einrichtungen dazu auch mit Unternehmen, in denen dann Teile der praktischen Ausbildung stattfinden.
Die Garantie ist an regionale Bedingungen geknüpft
Doch nicht alle Bewerber bundesweit könnten gleichermaßen profitieren. „Die Ausbildungsgarantie greift nur dann, wenn es regional so ist, dass es deutlich mehr Ausbildungsplätze gibt als Ausbildungsbewerber“, sagt Bertelsmann-Forscherin Johanning.
Wenn beispielsweise ein junger Mensch in München mit Hauptschulabschluss nach einem Ausbildungsplatz suche, dann helfe ihm die Garantie nicht, in München gebe es schließlich ein Überangebot an Ausbildungsplätzen – für die meisten davon braucht man allerdings ein Abitur.
Eine umfassendere Ausbildungsgarantie ist in Österreich in Kraft. Wer dort auf dem Arbeitsmarkt leer ausgeht, dem wird eine öffentliche geförderte Ausbildung garantiert. Johanning sieht darin ein wichtiges Zeichen an junge Leute: „Du wirst gebraucht, wir sehen dich, wir wollen dich.“
Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könnte eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild in Deutschland jährlich bis zu 20.000 Fachkräfte bringen. Den Staat würde eine solche Garantie demnach 1,44 Milliarden Euro jährlich kosten, also 72.000 Euro pro Fachkraft. Für die mit Garantie ausgebildeten Menschen würde das Lebenszeiteinkommen um 580.000 Euro steigen.
Wie bewerten Experten die Ausbildungsgarantie?
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schreibt in einer Stellungnahme zur Ausbildungsgarantie, dass der Fokus des Gesetzes auf regionale Disparitäten eher zu kurz greife. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt das neue Gesetz einen "ersten positiver Schritt hin zu einer Ausbildungsgarantie.“
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer lehnt eine Ausbildungsgarantie hingegen ab, denn diese berge „die Gefahr von Fehlanreizen durch den Ausbau betriebsferner Ausbildungen in Wunschberufen, während den Unternehmen mehr Ausbildungsbewerber denn je fehlen.“ Die Vermittlung in betriebliche Ausbildung müsse oberste Priorität haben. Die Begrenzung auf Regionen mit einem geringeren Angebot an betrieblichen Stellen sei daher wichtig.
Welche weiteren Maßnahmen gibt es?
Bund und Länder haben sich im September 2023 auch auf das sogenannte Startchancen-Programm geeinigt. Das Programm soll Schulen mit einem hohen Anteil benachteiligter Schülerinnen und Schüler unterstützen, damit Bildung zukünftig weniger stark von der sozialen Herkunft abhängt.
Niedrige schulische Qualifikation ist eine der zentralen Hürden auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz und etwa sechs Prozent der deutschen Jugendlichen beenden die Schulzeit nach Zahlen der Bertelsmann-Stiftung ohne Abschluss. Diese Quote hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert.
Im Rahmen des Startchancen-Programms sollen rund Milliarden Euro jährlich über zehn Jahre an 4000 Schulen bundesweit fließen. Wie viel Geld dabei die einzelnen Bundesländer erhalten, hängt stark vom Anteil der Kinder und Jugendlichen aus armutsgefährdeten Familien und mit Migrationshintergrund ab.
In der Praxis wird das Startchancen-Programm positiv bewertet, wie etwa an der Theodor-Storm-Schule im Kieler Stadtteil Wellingdorf. Die Schule gilt als Brennpunktschule und ist aktuell durch das Programm Perspektivschule des Landes Schleswig-Holstein gefördert.
Mit den finanziellen Mittel aus dem Startchancen-Programm seien essenzielle Unterstützungen der jungen Menschen möglich – auch auf dem Weg in den Beruf, sagt der Leiter der Theodor-Storm-Schule, Carsten Haack. Durch die Gelder würde Personal finanziert und man sei dann in der Lage eine realistische Berufswegplanung aufzuzeigen und die entsprechenden notwendigen Anschlüsse herzustellen.
Britta Mersch, pto, AFPD