Archiv


Ausbildung ist out, Studium ist in

Wer Abitur macht, will keine Ausbildung anschließen. So bringt es die Ausbildungsstudie auf den Punkt, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Finanziert hat sie der Fastfood-Konzern McDonald‘s. Über 3000 Jugendliche wurden dafür vom Institut für Demoskopie Allensbach befragt.

Von Thomas Otto |
    Unter den Jugendlichen herrscht heute ein enormer Leistungsdruck. Um etwas zu werden, muss mindestens das Abitur her, glauben der Studie zufolge viele. Dass sie den Einstieg in den Beruf auch schaffen, da sind sich die meisten optimistisch, sagt Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach.

    "Diese junge Generation in Deutschland - ich kann mich noch erinnern, dass es mal eine Jugendstudie gab, wo man dann von der Null-Bock-Generation gesprochen hat, das ist jetzt ungefähr zwanzig Jahre her. Die heutige junge Generation ist von der mentalen Verfassung her das genaue Gegenstück."

    Über die Hälfte macht mittlerweile Abitur. Das liegt vor allem daran, dass in den Augen von 80 Prozent der Jugendlichen die eigene Bildung der Schlüssel für einen sozialen Aufstieg ist. Das schlägt sich auch darin nieder, welchen Ausbildungsweg Jugendliche beschreiten wollen, erklärt Jugendforscher Klaus Hurrelmann.

    "Wer heute Abitur macht, der hat als perspektive ein akademisches Studium, was am dualen Ausbildungssystem vorbei, ihn auf eine völlig andere Schiene bringt. Das ist für das duale Ausbildungssystem riskant."

    Denn so fehlen die gut gebildeten Auszubildenden und viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Prinzipiell sieht Hurrelmann aber kein Problem in einem wachsenden Anteil Studierender. Qualifikation und Kompetenzen seien wichtig, wer studiert könne besser reflektieren. Renate Köcher ist da nicht so optimistisch:

    "Ich glaube, dass da viele dabei sind, die in einer betrieblichen Ausbildung sehr gut aufgehoben wären. Wir haben an den Universitäten sehr hohe Abbrecherzahlen in vielen Fächern."

    Dabei darf aber nicht das duale Ausbildungssystem vergessen werden, das gerade heute Deutschland eine viel niedrigere Jugendarbeitslosigkeit beschert als anderen europäischen Ländern, betont Jugendforscher Hurrelmann. Deshalb müsse die duale Ausbildung auch beibehalten werden.

    "Deswegen plädiere ich für Verzahnung von akademischen Komponenten und Berufsbildungskomponenten schon von der Mittelstufe an und dann stufenweise bis in die Hochschulen hinein – Stichwort duale Hochschulen – die das in vorbildlicher Weise schon umsetzen."

    Damit einher müsse eine Strukturreform gehen, nach der es nur noch zwei Schulen gibt: Gymnasien auf der einen Seite und eine praxisorientierten Schule mit Oberstufe auf der anderen Seite.
    Neben den hochmotivierten, gut gebildeten Jugendlichen müsse man sich aber vor allem um eine Gruppe kümmern, die bisher auf der Strecke geblieben ist.

    "Gerade weil diese junge Generation heute so unter Dampf steht und wirklich etwas will und hochmotiviert ist, fällt die kleine Fraktion auf - das sind 15 Prozent, 20 Prozent - die hier nicht mithalten kann. Das sind die jungen Leute - überwiegend junge Männer übrigens - die können die hohen Leistungen nicht bringen, die schaffen die guten Abschlüsse nicht. Sie glauben nicht, dass sie sich aus ihrer schwierigen Lage selbst befreien können. Sie glauben nicht an sozialen Aufstiegen, sie glauben nicht, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Und hier müssen wir sehr aufpassen, dass uns diese Gruppe nicht wegrutscht."

    In den vergangenen zwanzig Jahren konnte das duale Ausbildungssystem über seinen Verhältnissen leben, so Hurrelmann. Viele Jugendliche auf der Suche standen wenigen Ausbildungsplätzen gegenüber. Ein Schüler mit Hauptschulabschluss hatte kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Und so konnte sich beispielsweise ein Bäcker die besten Abiturienten für seinen Betrieb aussuchen.

    "Das ist jetzt vorbei. Und nun muss das duale Bildungssystem sich wieder kümmern um die mit einer Basisqualifikation, auch um die, die Schwächen haben, die sogar den Schulabschluss nicht richtig geschafft haben. Und das bedeutet Coaching, auf die jungen Leute zugehen. Das sind überwiegend junge Männer. Da muss man also noch was besonderes machen, um ihren spezifischen, wackeligen Arbeitsrhythmus anzusprechen, das schlechte Zeitmanagement, die schlechten Umgangsformen."

    Um sich darauf einzustellen, müssen die Betriebe ihre Ausbildung umstellen, so Hurrelmann. Und das gehe nur, wenn sie dafür auch mehr Geld in die Hand nehmen.