Dennis Quicker ist sauer. Und verunsichert:
"Ende der 10. Klasse, als dann auch die Abschlussprüfungen langsam am Horizont erschienen, wurde schon bei uns langsam geguckt, na, wer hat denn überhaupt 'ne Ausbildungsstelle."
Dennis Quicker, 19, und ein paar Mitschüler von der Gesamtschule Ost in Bremen-Tenever, sind über ein paar Zahlen gestolpert.
"Und uns ist halt aufgefallen, dass sehr wenige, gerade mal 'ne Handvoll, überhaupt 'nen Ausbildungsplatz hatte."
Obwohl sich mindestens die Hälfte der befragten Schüler auf einen Ausbildungsplatz beworben hatten. Und das, wo doch eigentlich – laut Statistik – die Lehrstellensituation so gut sein soll wie schon lange nicht mehr. Mehr Angebot als Nachfrage.
Laut Statistik gab es mehr Stellen als Bewerber
In Zahlen hieß das in Bremen im letzten Ausbildungsjahr: 4.011 Lehrstellen stehen in der Statistik, 3.415 Bewerber. Rein rechnerisch gab es also für jeden Jugendlichen mehr als eine Ausbildungsstelle. "Unversorgt", also ohne Ausbildungsvertrag, wie es im Behördendeutsch heißt, blieben laut Statistik nur 174 Bewerber. Dennis Quicker:
"Und da haben wir uns gefragt, Mensch, was ist denn los bei uns, sind wir so dumm oder was ist das Problem?"
Expertin: Hauptprobleme seien Passungsprobleme
Oder stimmen etwa die Zahlen nicht? Anruf bei Elisabeth Krekel, Professorin und Ausbildungsmarkt-Expertin beim Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn, kurz BiBB genannt. Sie sagt:
"Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist erst mal richtig, die Frage ist immer, wie sie interpretiert wird."
Die Hauptprobleme des Ausbildungsmarktes der letzten Jahre, sagt Krekel, seien Passungsprobleme. Auszubildende und Betriebe passen nicht zusammen. Das bildet die Statistik nicht ab, erklärt die Wissenschaftlerin:
"Und deshalb sollte man als Grundlage nicht immer nur eine Größe, eine Statistik zu Grunde legen, sondern verschiedene, und die Einmündungsquote zeigt halt, wie viel junge Menschen, die sich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, auch untergekommen sind und die gibt schon wieder, wie so die Beteiligung an der Ausbildung ist."
Statistik sei Augenwischerei, sagen Schüler
Und genau das ist die Kritik der Schüler. Dennis Quicker und seine Mitschüler haben sich die Zahlen sehr genau angeschaut und interpretieren die Statistik als Augenwischerei:
"Da war immer die Sprache von '96 Prozent sind versorgt', und dann haben wir uns das genauer angeguckt und sind dann letzten Endes drauf gekommen, dass gerade mal ein Drittel überhaupt ne Ausbildung kriegt, und alle anderen gehen in Übergangsmaßnahmen."
Genauer gesagt: Auf 100 Bewerber kamen 64 Lehrstellen und, so Quicker, "der Rest wird so ein bisschen unter den Teppich gekehrt".
Maßgeblich sei die "Einmündungsquote"
Bezahlte Praktika, eine Stelle als Schüler-Azubi, das Freiwillige Soziale Jahr oder eben der Weg zum Abitur – es gibt Unmengen an berufsvorbereitenden Maßnahmen, aber eben keine richtigen Ausbildungsplätze. Die Forderung der Schüler – die sogenannte Einmündungsquote soll der Maßstab für die Politik und die Statistik sein. Was das ist, erklärt Elisabeth Krekel:
"Die Einmündungsquote die sagt aus, wieviel von denen, die sich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, auch einen bekommen haben."
Und das sind bundesweit eben nur rund 65 Prozent. Auch wenn mehr "versorgt" sind, sagt Krekel:
"Darunter gibt es junge Menschen, die trotz Alternative noch einen Ausbildungsplatz suchen, und die sollte man auch mitnehmen, wenn man über noch zu vermittelnde Bewerber spricht."
Nimmt sich das Stadtparlament des Themas an?
Hinzu kommt, dass viele Ausbildungsinteressierte, so wie es im Behördendeutsch heißt, in der Statistik gar nicht vorkommen. Jugendliche, die als "nicht ausbildungsreif" gelten zum Beispiel.
"Die Arbeitslosen unter 25 werden auch nicht mit aufgelistet", ergänzt Dennis Quicker.
Aus all diesen Gründen, und nachdem die Schüler sich in ihrer Freizeit mit ihrem Lehrer durch Berge von Papier gewühlt haben, fordern sie eine Änderung der Statistik. Er und seine Mitschüler haben Engagement gezeigt, haben Briefe geschrieben, Diskussionen mit Politikern organisiert und es geschafft, dass das Thema in der Bürgerschaft diskutiert wurde.
Aber am Ende blieb – bis jetzt – nur ein "Wir hören euch, und - mal gucken", sagt Quicker.