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Ausbildungsmodell
Wie Bremen Erzieher anlocken will

Wer Erzieher werden möchte, sollte Kinder lieben und starke Nerven haben - und vier Jahre lang auf Gehalt verzichten können, denn so lange wird die Ausbildung nicht bezahlt. Reizvoll ist das für Anwärter nicht. Bremen reagiert darauf mit einem neuen Ausbildungsmodell – und das lockt nicht nur mit Geld.

Von Felicitas Boeselager |
    "Wir lieben unsere Erzieher" steht auf dem Plakat einer Demonstrantin vor dem Brandenburger Tor in Berlin
    Fachkräftemangel in Kitas: Die Gewerkschaft Verdi schätzt, dass bis 2025 eine halbe Million neue Erzieher ausgebildet werden müssen. (Imago)
    Seit einem halben Jahr machen Anika Katazynski und Chiara Schmidt ihre Ausbildung zur Erzieherin. Sie sind im ersten Jahrgang eines neuen Ausbildungsprogramms, der neuen Praxisintegrierten Ausbildung, kurz PiA, und dürfen heute neue Bewerber beraten.
    "Vor einem Jahr standen wir auch hier mit unseren Bewerbungsmappen und wussten nicht, was auf uns zu kommt und jetzt können wir die anderen beraten."
    Sagt Katazynski. Sie war eine von 200 Bewerberinnen für die 50 Plätze des neuen Ausbildungsprogramms in Bremen. Dass PiA so beliebt ist, liegt zum einen daran, dass es im Gegensatz zur herkömmlichen Erzieherinnen-Ausbildung vom ersten Tag an vergütet wird und die Azubis kein Schulgeld bezahlen müssen. Das sei aber nicht der einzige Vorteil, sagt Katazynskis Schulleiter Stephan Siefert.
    "Also bei PiA ist es ja im Unterschied zur vollzeit-schulischen Ausbildung, sprechen wir ja hier von einer Teilzeit, das heißt zwei Tage Schule, drei Tage Praxis in der Einrichtung."
    Theorie und Praxis eng verzahnt
    So sind für die Azubis während ihrer dreijährigen Ausbildung Praxis und Theorie eng miteinander verzahnt. Viele Probleme aus der Praxis können sofort in der Schule besprochen werden und das Gelernte könne schnell angewendet werden, sagt Siefert. Auch Chiara ist überzeugt von diesem Modell:
    "Was wirklich unglaublich schön an dieser Ausbildung ist, ist dass man wirklich drei Jahre in einer Einrichtung ist. Und diese drei Jahre machen unheimlich viel aus, also sei es, man macht in den Dienstbesprechungen mit, also wie oft quatsche ich meinen Kollegen dazwischen, weil ich noch hier und da eine Anmerkung hab. Du kriegst die Entwicklung von den Kindern mit, die neu eingewöhnt werden. Und dann hast Du sie dann wirklich drei Jahre und denkst Dir, wie, die sollen jetzt schon in den Kindergarten?"
    Für Mütter ungeeignet
    Auch wenn Schulleiter Stephan Siefert PiA grundsätzlich für ein gutes Modell hält, sei es dennoch wichtig auch noch andere Wege zum Erzieher-Job offen zu halten:
    "PiA ist zum Beispiel nicht geeignet für Leute, die Kinder haben, weil, wenn ich mir vorstelle, ich gehe drei Tage Vollzeit in eine Einrichtung, habe dann zwei Tage Schule, muss noch für eine Klausur lernen, das ist schon ganz schön belastend."
    Die ersten Mütter hätten PiA deshalb schon abgebrochen. Für sie bietet die Schule von Siefert neben der vollzeitschulischen Ausbildung und PiA noch eine dritte Alternative an: Eine Halbzeit-Ausbildung. Sie dauert zwar etwas länger, aber dafür sind die Nachmittage frei. Vergütet wird diese Ausbildung allerdings genauso wenig wie die vollzeit-schulische Ausbildung. Für Stephan Siefert ist das nicht nachvollziehbar:
    "Ich sag mal, warum sollen Dachdecker bezahlt werden und Erzieherauszubildende nicht?"
    Unterschiedliche Finanzierungsmodelle
    In Bremen gibt es PiA seit Sommer 2018. Damit ist es das fünfte Bundesland, das dieses Programm anbietet. Baden Württemberg war 2013 das Erste.
    "Es ist bundesweit eben ein sehr buntes Bild, was unter dem Stichwort PiA läuft. Das Bundesland Bremen ist das einzige Bundesland, wo die Ausbildungsgehälter direkt von der Senatorin bezahlt werden, alle anderen Bundesländer rechnen die PiAs ein Stück weit auf den Fachkräfteschlüssel an und fordern dann von den Trägern aber auch, dass sie mitfinanzieren."
    Das Bremer Modell ist besonders deshalb so beliebt, weil die Träger sich an den Kosten nicht beteiligen müssen. Um am PiA Ausbildungsprogramm teilnehmen zu können, mussten sich Chiara und Anika langfristig auf Bremen festlegen. Als sie den Vertrag unterschrieben, haben sie damit auch versprechen müssen, nach der Ausbildung vier weitere Jahre als Erzieherinnen in Bremen zu bleiben. So will die Stadt vermeiden, dass die frisch und teuer ausgebildeten Erzieherinnen ins Umland abwandern und sich am Fachkräftemangel in der Stadt doch nichts ändert.