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Ausbildungsprämie für Betriebe
Anbuhl (DGB): Schutzschirm kommt gerade noch rechtzeitig

DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl hält den geplanten Schutzschirm für Auszubildende für einen wichtigen Impuls in der Coronakrise. Bei dem Programm gehe es um schnelle und unbürokratische Hilfen, sagte er im Dlf. Damit würden 90 Prozent aller Auszubildenden abgedeckt.

Matthias Anbuhl im Gespräch mit Philipp May |
Junge Erwachsene mit Atemschutzmaske arbeitet stehend an einem Tisch in einer Werbefirma
Handwerksbetriebe würden nicht von dem Schutzschirm für Auszubildende profitieren, sagte Matthias Anbuhl im Dlf (Wolfgang Kumm/ dpa)
Eine Prämie von bis zu 3.000 Euro pro Auszubildenden sollen kleine und mittlere Betriebe erhalten, wenn sie zusätzliche Lehrstellen. Damit soll zum einen ein Einbruch der betrieblichen Ausbildung als Folge der Coronakrise vermieden werden, zum anderen aber auch einem drohenden Fachkräftemangel in der Zukunft vorgebeugt werden. DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl sagte im Dlf: Der Schutzschirm für Auszubildende komme gerade noch rechtzeitig.
Philipp May: Herr Anbuhl, ein sogenannter Schutzschirm für Ausbildung – brauchen wir den wirklich?
Anbuhl: Den brauchen wir in der Tat, und er kommt gerade noch rechtzeitig, denn in fünf Wochen beginnt das neue Ausbildungsjahr und wir stecken mitten in der Corona-Pandemie und in einer kräftigen Wirtschaftskrise. Wir spüren eigentlich die Verunsicherung auf dem Ausbildungsmarkt sehr deutlich. Die Jugendlichen halten sich zurück, die Betriebe sind verunsichert und es gibt Einbrüche im Handwerk von 18 Prozent bei den verzeichneten Ausbildungsverträgen im Vergleich zum Vorjahr. Das heißt, wir brauchen gerade jetzt einen starken Impuls, damit der Ausbildungsmarkt in Schwung kommt.
"Wollen Impuls für betriebliche Ausbildung setzen"
May: Jetzt soll es für jeden Auszubildenden 2.000 Euro Prämie einmalig geben. Sollten sich die Unternehmen entscheiden, möglicherweise einen zusätzlichen Auszubildenden einzustellen, gibt es sogar 3.000 Euro. Aber deckt das die Kosten für eine auszubildende Person, für die man möglicherweise gerade gar keine Verwendung hat?
Anbuhl: Das deckt die Kosten nicht. Das kann es auch nicht decken. Wir wollen auch einen Impuls für betriebliche Ausbildung setzen und nicht die Ausbildung verstaatlichen. Das heißt, das ist ein Anreiz für die Betriebe, dort noch mal sich zu überlegen, ob man nicht auch einen Jugendlichen ausbildet. Auf der anderen Seite haben die Betriebe natürlich auch ein Interesse, weil sie brauchen die Fachkräfte auch wieder, wenn die Wirtschaft wieder anläuft, und dann haben sie ein Problem, wenn sie von der Coronakrise direkt in die Ausbildungskrise stolpern. Deswegen ist es wichtig, dass es diesen Impuls gibt, und es gibt ja auch noch eine andere Reihe von Fördermaßnahmen, die man bekommt in diesem Ausbildungspaket.
May: Jetzt stellt die Bundesregierung insgesamt 500 Millionen Euro in diesem Förderpaket bereit. Wird das reichen?
Anbuhl: Mehr geht immer, sage ich, aber es ist schon mal ein sehr starker Impuls und es ist auch in den letzten zehn, 15 Jahren das größte Programm zur Ausbildungsförderung, das ich gesehen habe. Insofern macht das schon, frei nach Olaf Scholz, in gewisser Weise Wumms. Aber natürlich könnte man sagen, es ist ein Programm, was sich auf kleine und mittlere Unternehmen begrenzt. Das hat auch eine gewisse Berechtigung, weil da 90 Prozent der Auszubildenden sind. Aber gerade bei Punkten – es gibt zum Beispiel Prämien für Unternehmen, die Azubis aus insolventen Firmenunternehmen übernehmen, oder auch eine Förderung von Ausbildung in Betrieben, die von Kurzarbeit betroffen sind -, da kann man natürlich auch fragen, warum es eine Grenze bei kleinen und mittleren Unternehmen gibt bei 250 Beschäftigten und warum das nicht allen Unternehmen zugutekommt.
Damit "werden 90 Prozent der Auszubildenden bundesweit abgedeckt"
May: Da gibt es ja auch schon Proteste. Allein im Maschinenbau beispielsweise sind zwei Drittel der Auszubildenden nicht bei kleinen Unternehmen, sondern bei wirklich großen Unternehmen angestellt. Die schauen jetzt alle in die Röhre und die leiden ja auch in der Krise.
Anbuhl: Ja, in der Tat. Ich sage, mehr geht immer, und in einzelnen Branchen wäre es sicherlich auch sinnvoll, gerade bei solchen Programmen die Grenze von 249 Beschäftigten anzuheben und das auch Großunternehmen zukommen zu lassen. Das ist in der Tat so. Aber immerhin: Mit diesem Programm werden 90 Prozent der Auszubildenden bundesweit eigentlich abgedeckt, und das ist ja schon mal was.
Auszubildende mit Schutzmasken beim Schweißen.
Coronakrise - 3.000-Euro-Ausbildungsprämie erntet Lob und Kritik
Damit sich der Fachkräftemangel durch die Coronakrise nicht zusätzlich verschärft, hat die Bundesregierung eine Ausbildungsprämie beschlossen. Sie soll Betriebe mit bis zu 3.000 Euro pro Azubi bezuschussen, wenn sie die Zahl ihrer Ausbildungsplätze stabil halten oder sogar steigern können.
Anbuhl: Handwerksbetriebe werden nicht profitieren
May: Sie haben gesagt, es braucht ein Programm mit Wumms, und das ist auch durchaus ein Programm mit Wumms. Wumms ist natürlich immer gut. Ich verstehe das auch bei vielen Branchen, Gastronomie zum Beispiel. Aber es gibt ja auch in der Coronakrise Branchen, die weiterhin florieren, das Handwerk beispielsweise, klassischer Ausbildungsberuf, klassische Ausbildungssparte, weil jetzt viele die Ausgangsbeschränkungen nutzen, um zu renovieren. Warum sollen die auch profitieren?
Anbuhl: Die werden nicht profitieren, weil es gibt zwei mögliche Zugangsvoraussetzungen zu diesem Programm. Das erste ist, dass man im letzten halben Jahr Kurzarbeit angemeldet hat, oder dass man im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzeinbruch von mindestens 60 Prozent nachweisen kann. Das heißt, dieses Programm wird eigentlich nur Betrieben helfen, die wirklich eine wirtschaftliche Schieflage nachweisen können, und das war uns als Gewerkschaftsbund auch wichtig, denn wir sehen keinen Sinn darin, prosperierende gesunde Unternehmen bei der betrieblichen Ausbildung zu subventionieren.
May: Die Gießkanne ist es nicht?
Anbuhl: Die Gießkanne ist es nicht. Nein, es gibt Zugangsvoraussetzungen, und das ist auch ein wichtiges Kriterium. Es geht um schnelle und unbürokratische Hilfe für Betriebe in wirtschaftlicher Notlage.
"Aufpassen, dass wir uns nicht hinter einen durchgefahrenen Zug werfen"
May: Allerdings sagt die Bundesagentur für Arbeit, für eine fundierte Bewertung auch des Ausbildungsmarktes ist es noch zu früh. Hätte man nicht vielleicht doch noch ein bisschen warten können? Das Ausbildungsjahr beginnt ja erst im August.
Anbuhl: Wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht hinter einen durchgefahrenen Zug werfen. Es ist im Prinzip, das kann man schon sagen, eine Situation, wo das Handwerk einen Rückgang von minus 18 Prozent der verzeichneten Ausbildungsverträge feststellt. Industrie und Handel sagen minus 17 Prozent. Das Bundesinstitut für Berufsbildung prognostiziert einen Rückgang auf 450.000 Auszubildende im kommenden Jahr. Das wäre ein Minus von 70.000 Ausbildungsverträgen, und das sind natürlich Alarmzeichen, die wir sehen, die wir als Gewerkschaft auch von unseren Betriebsräten und Personalräten und auch den Jugend- und Auszubildenden-Vertretungen gespiegelt bekommen. Insofern kann man nicht verfahren nach dem Motto "Augen zu und durch", sondern muss jetzt handeln.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
May: Wann wird Hubertus Heil nachschießen müssen?
Anbuhl: Das weiß ich nicht. Wir haben in der Allianz für Aus- und Weiterbildung, wo ja Bund, Länder, Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammensitzen, uns vereinbart, dass wir die Ausbildungslage im Blick behalten wollen, und da wird man sehen, wie die Lage ist im September, Oktober, ob dann noch weiterer Bedarf ist.
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