Oskar Gröning sagte zum Auftakt des Prozesses: "Für mich steht außer Frage, dass ich mich moralisch mitschuldig gemacht habe". Das bereue er in Demut vor den Opfern. "Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden". Der 93-Jährige räumte ein, er habe gleich bei seiner Ankunft im Konzentrationslager 1942 von der Vergasung der Juden erfahren.
Das frühere SS-Mitglied war in Auschwitz für das Gepäck der KZ-Häftlinge zuständig und verbuchte das Geld, das ihnen abgenommen worden war. Er muss sich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verantworten. Als SS-Sturmmann soll Gröning jedoch nicht selbst getötet haben.
Mehrfach um Versetzung gebeten
Er schilderte in einer einstündigen Einlassung zudem grausame Vorgänge, die sich vor seinen Augen abspielten, berichtete Deutschlandfunk-Korrespondent Alexander Budde. So sprach Gröning von mehreren Erlebnissen, die ihm die Augen geöffnet hätten: Einmal habe er ein wimmerndes Baby in einem Gepäckstapel entdeckt, das ein Kamerad dann totschlug. Zudem sei er Zeuge gewesen, wie Flüchtlinge in einem Bauernhaus vergast wurde. Er habe mehrfach und vehement auf seine Versetzung gedrungen. Sein drittes Ersuchen habe dann zum Erfolg geführt, und er sei zur kämpfenden Truppe gekommen. Das hatte er bereits mehrfach in Interviews erzählt.
Wird er verurteilt und für haftfähig erklärt, erwartet ihn eine Strafe von mindestens drei Jahren. Für den Prozess sind 27 Verhandlungstage angesetzt, Ende Juli soll das Urteil fallen.
Mehr als 60 Nebenkläger
An dem Verfahren sind mehr als 60 Auschwitz-Überlebende, Hinterbliebene von Opfern oder deren Verwandte als Nebenkläger beteiligt. Nur wenige sind allerdings in der Verfassung, dem Prozess in Lüneburg beizuwohnen. Eine Nebenklägerin und Auschwitz-Überlebende, Hedy Bohm, sagte vor dem Verfahren: "Ich hätte nie gedacht, dass ich zu meinen Lebzeiten noch einmal einen solchen Prozess erleben würde. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich dabei sein darf."
Der Staatsanwalt und stellvertretende Leiter der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Thomas Will, begrüßte im Deutschlandradio Kultur den Prozess. Er sei ein wichtiges Signal und zeige, dass man solange wie möglich ermittle. Es sei wichtig, eine Tat vor Gericht zu bringen. Nach der Verurteilung von John Demjanjuk habe sich seine Behörde sehr intensiv auf die weiteren Vernichtungslager und insbesondere auch auf das KZ Auschwitz-Birkenau konzentriert: "Tausende von Personen wurden überprüft. Darunter auch die jetzt angeklagte Person."
(hba/stfr)