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Ausfall bei der Stütze

Erneut sorgt Software bei der Bundesagentur für Arbeit für Ärger: Montag vergangener Woche blockierten langsam ansprechende Rechner die Arbeit in mehreren Niederlassungen und waren zentrale Datenbanken nicht verfügbar.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering |
    Manfred Kloiber: Die Bundesregierung musste weitere Berechnungsfehler in der A2LL-Software der Arbeitsagentur einräumen. Was hat denn zu den neuerlichen Pannen bei der Hartz-IV-Software geführt, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Da sind immer noch dieselben drei Ursachen verantwortlich zu machen wie vor einem Jahr, als die Arbeitsagentur den Krankenkassen jeden Monat einige Millionen Euro zuviel überwiesen hat. Bei einigen Programmroutinen der A2LL-Sofware haben die Projektverantwortlichen den Überblick total verloren. Und das liegt erstens daran, dass die Software insgesamt zu komplex ist, zweitens die Pflichtenhefte zu Beginn des Projektes nur unzureichend geführt wurden und drittens einige Gesetzesänderungen vorgenommen wurden, für die die Hartz-IV-Software von Anfang an einfach nicht ausgelegt war.

    Kloiber: Welchen Berechnungsfehler musste die Bundesregierung denn nun konkret eingestehen?

    Welchering: Wechselt ein Bezieher von Arbeitslosengeld I in das Arbeitslosengeld II, dann steht ihm ein Zuschlag gegenüber den reinen ALG-II-Beziehern in Höhe von monatlich 160 Euro im ersten Jahr und 80 Euro im zweiten Jahr zu. Die A2LL-Software berechnet diesen Zuschlag aber nur, wenn genau zum 1. eines Monats vom Arbeitslosengeld I in das Arbeitslosengeld II gewechselt wird. Wechselt ein Bezieher zum 3. eines Monats oder zum 15., dann wird dieser Zuschlag eben nicht eingerechnet. Die Software vergisst diesen Zuschlag dann einfach. Das muss natürlich nachgebessert werden. Und daran arbeiten die Spezialisten von T-Systems, die die Hartz-IV-Software ja betreuen. Weil das aber noch etwas dauert, müssen die Sachbearbeiter der Arbeitsagentur diese Zuschläge separat berechnen. Und das ist in der Vergangenheit eben des öfteren nicht passiert.

    Kloiber: Wie aufwändig ist es denn, solch eine Routine für die Zuschlagsberechnung in die Hartz-IV-Software einzuarbeiten?

    Welchering: Das ist aus zwei Gründen eine sehr aufwändige Sache. Zu einen sind auf Grund der Nachlässigkeiten bei der Erstellung des Pflichtenheftes nicht alle Schnittstellen sauber dokumentiert worden, die es bei der Hartz-IV-Software gibt. Wenn also solch eine Routine für Zuschlagsberechnungen eingebaut werden soll, dann muss zunächst überprüft werden, welche anderen Software-Routinen davon noch betroffen sind und ob alle dafür zuständigen Schnittstellen in Ordnung sind. Und das kann schon einige Wochen dauern. Außerdem können durch eine solche Routine neue Fehler entstehen bei der A2LL-Software. Das heißt, bevor eine solche Routine live geschaltet werden kann, müsste eigentlich erst ein Simulationslauf stattfinden. Dafür aber hat die Bundesagentur für Arbeit gar nicht die Kapazitäten. Softwareexperten gehen davon aus, dass insgesamt 6300 Programmierertage benötigt werden, um die noch vorhandenen Fehler in der bereits eingesetzten Softwareversion für das Arbeitslosengeld II zu beheben. Dann kommen aber erfahrungsgemäß neue Fehlfunktionen hinzu, wenn sich einzelne Gesetzesgrundlagen ändern. Wird beispielsweise das Arbeitslosengeld II erhöht, müssen die Berechnungsroutinen angepasst werden. Das kann dann wieder zu neuen Fehlern führen.

    Kloiber: In einigen Niederlassungen der Arbeitsagentur wird am kommenden Montag eine neue Softwareversion für die Dokumentation von beruflichen Wiedereingliederungsprojekten eingeführt, die mit der A2LL-Sofware zusammen arbeiten soll. Werden dann einige Programmfehler beseitigt sein?

    Welchering: Da sind die Softwareexperten sehr skeptisch. Vielmehr haben sich die IT-Spezialisten in einigen Niederlassungen der Agentur schon darauf eingestellt, dass es Übermorgen zu Systemausfällen kommen wird. Außerdem hat diese Dokumentationssoftware für die berufliche Wiedereingliederung noch einen ganz erheblichen Mangel: Auch in der neuen Version arbeitet sie immer noch nicht mit der A2LL-Software zusammen. Dem liegt eine Schnittstellenproblematik zu Grunde. Und an der laborieren die Systementwickler schon seit zwei Jahren. 2005 hat sich ja das Hertener Sofwarehaus Prosoz aus dem Projekt A2LL verabschiedet. Von den 250 A2LL-Experten der Prosoz-Eingreiftruppe sind nur 20 zu T-Sytems gewechselt. Es fehlt also einfach an qualifizierten Systementwicklern mit ausreichender Systemkenntnis.

    Kloiber: Ist der korrekte Betrieb des A2LL-Computerystems unter diesen Bedingungen langfristig überhaupt noch gewährleistet?

    Welchering: Schon heute müssen viele Agenturmitarbeiter Leistungsberechnungen von Hand durchführen. Schon heute werden so genannte work-arounds, also Überbrückungslösungen, auf den PCs der Arbeitsagentur eingesetzt, weil die Hartz-IV-Software nicht ordentlich funktioniert. Systemfachleute haben in dieser Woche sogar die Frage aufgeworfen, ob das gesamte Computersystem der Agentur, also die A2LL-Software, Verbis für die Dokumentation und die zentralen Informix-Datenbanken eigentlich noch ausreichend gewartet werden kann. Das ist eine Frage die im Augenblick niemand guten Gewissens beantworten kann.