Sie säubern das Abwasser, das wir alle in die Kanalisation geben, klar! Doch viele Kläranlagen gewinnen zugleich Energie aus dem Klärschlamm, der nach der Reinigung des Abwassers anfällt. Auch für Christian Schaum von der TU Darmstadt sind sie leicht zu erkennen, diese kombinierten Klär- und Biogasanlagen:
"Wenn man an einer Kläranlage vorbeifährt, sieht man oft solche eiförmigen Behälter oder Zylinder. Dort wird der Klärschlamm, die organische Substanz, zu Biogas, Faulgas, umgewandelt, und dieses Gas kann ich letztendlich nutzen."
Es sind Methan produzierende Bakterien, die den Klärschlamm in den riesigen Gärbottichen umsetzen. Dann braucht es bloß noch ein Blockheizkraftwerk mit Gasmotor. Darin wird das gewonnene Biogas verbrannt, um elektrischen Strom zu erzeugen. Kläranlagen decken so ihren Energiebedarf zu einem großen Teil selbst.
"Das heißt, ich habe einen Eigenversorgungsgrad von 50 bis 70 Prozent. Und das ist natürlich für eine Kläranlage und auch für eine Kommune ein sehr großer ökonomischer Faktor, sodass das auf jeden Fall Sinn macht."
Stromausbeute im Klärwerk auf die Spitze treiben
In einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt soll die Stromausbeute im Klärwerk jetzt auf die Spitze getrieben werden. Die Anlagen sollen praktisch zu Selbsterzeugern werden und die Energie, die sie benötigen, auch dann durch eigenes Biogas decken, wenn die größten Abwasserströme anfallen. Das ist mittags der Fall, wenn unsere Morgentoilette zeitversetzt anrauscht.
Ja, mehr noch: Klärwerke sollen ein Pfeiler der Energiewende werden. Und als Puffer einspringen, wenn Windräder stillstehen und Solarmodule keine Sonne einfangen. In diesen Momenten könnten die Blockheizkraftwerke von Kläranlagen Strom ins Netz einspeisen und helfen, die Lücke zu schließen. Sie würden dann im Bedarfsfall "Regelenergie" liefern, wie man auch sagt, und müssten diese auch speichern können.
Christian Schaum, Bau-Ingenieur und Abwassertechniker, koordiniert das Projekt für die TU Darmstadt:
"Das ist einmal der Klärschlamm. Den kann ich ja sehr gut in Behältern zwischenlagern. Und das Gas, mein zweiter Speicher. Ich kann einen Gas-Speicher bauen und den ebenfalls puffern."
Weiter optimieren
Die Forscher wollen aber auch die Biogas-Ausbeute steigern. Entsprechende Verfahren testen sie seit einigen Wochen im Klärwerk Darmstadt-Süd, in kleinen Versuchsreaktoren. Zum Beispiel füttern sie die Bakterien mit zusätzlichen Stoffen, die sie vergären können.
"Dass man beispielsweise überlagerte Speisereste nimmt, die man in die Faulung hineingeben kann. Um dann letztendlich damit den Methan-Ertrag zu erhöhen."
Die klassischen Gärbottiche in den Klärwerken sind im Prinzip große Rührkessel, in denen der Schlamm ständig homogen verteilt wird. Höhere Biogas-Ausbeuten erreicht man aber mit sogenannten Schlaufenreaktoren. Bei ihnen wird der Klärschlamm in einem Rückführprozess durch Rohre geleitet. Die Bakterien können ihn so rascher und stärker abbauen. Auch das wird in Darmstadt derzeit genauer erprobt ...
"Man ist dabei, das zu entwickeln, und man hat Indikatoren, dass das auch so ist. Aber das gilt es noch weiter zu untersuchen und zu optimieren."
Hehre Pläne hat man auch in Wien. In der österreichischen Hauptstadt gibt es eine große Kläranlage. Sie ist für das Abwasser von vier Millionen Menschen ausgelegt - und soll 2020 "energiepositiv" sein, wie Christian Ludwig jetzt in Aachen erzählte:
"Die Kläranlage wird mehr Energie erzeugen, als sie im Jahresmittel verbraucht."
Der Chemiker leitet das Projekt zum Umbau der Anlage. Das Klärwerk verfügt gleich über zwei biologische Reinigungsstufen, in denen ohnehin übermäßig viel Klärschlamm für die Biogas-Produktion anfällt. Diese Mengen, sagt Ludwig, könnten noch weiter erhöht werden. Ein anderer technischer Kniff sei, "dass wir mit besonders hoher Trockensubstanz in der Faulung arbeiten. Dazu waren einige technische Fragen noch zu klären, die in Versuchsanlagen untersucht wurden. Dadurch wird einmal grundsätzlich weniger Wärmeenergie benötigt."
Strom aus Faulgas ins Netz einspeisen
Auch andere Prozesse wollen die Planer noch weiter optimieren - sodass das Wiener Großklärwerk am Ende zum Netto-Stromproduzenten werden soll.
"Beweisen können wir das erst 2020, wenn die Anlage in Betrieb geht."
Die Ergebnisse aus dem deutschen Forschungsprojekt sollen schon früher vorliegen. In zwei Jahren. Dann wird sich zeigen, ob Klärwerke tatsächlich die Energiewende unterstützen können, indem sie bei Bedarf Strom aus Faulgas ins Netz einspeisen.