Der Begriff selbst ist in einem kleinen Halbsatz versteckt, die Idee dahinter nicht neu. Monatelang haben die Grünen im Wahlkampf von Agrarwirtschaft, von Bienen, von Land und Natur gesprochen – nur das Wort "Heimat" fiel selten, oder niemand horchte auf. Anders vergangenen Samstag in der Rede von Kathrin Göring-Eckardt:
"Wir lieben dieses Land, das ist unsere Heimat, und diese Heimat spaltet man nicht."
Beim Länderrat der Grünen in Berlin holte sich die Bundespartei bei der Basis grünes Licht für mögliche Sondierungsgespräche mit der FDP und den Unionsparteien. Aber auch um Wundenlecken ging es bei diesem Parteitag: Der Einzug der AfD in den Bundestag hat die Grünen schockiert. Deutlicher denn je pochen sie deshalb auf ihre Idee von Europa – nämlich die deutsche als eine europäische Heimat: "Wir werden alles dafür tun, dass dieses Land zusammenbleibt, dass es europäisch bleibt, und für diese Heimat, für dieses Land werden wir kämpfen in einer Koalition."
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Ökologisch und weltoffen - damit kann Göring-Eckardt die Delegierten schon eher überzeugen, und so kommt der erlösende Applaus auf dem Parteitag doch noch. Auf der anderen Seite die Skeptiker: Die Grüne Jugend twittert, "Heimat" sei ein ausgrenzender Begriff. Deshalb tauge er nicht zur Bekämpfung rechter Ideologie.
Und die Berliner Grüne Laura Dornheim fühlt sich gar genötigt, sich "vom Wort Heimat" und besonders von der "Liebe" zu irgendeinem "Land" distanzieren zu müssen. Die frühere Agrarministerin Renate Künast verteidigt den Begriff hingegen. Und der Bundespräsident gab der Debatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am Dienstag neue Nahrung:
"Die Sehnsucht nach Heimat, nach Sicherheit, nach Entschleunigung, nach Zusammenhalt, vor allen Dingen nach Anerkennung, diese Sehnsucht nach Heimat, die dürfen wir nicht den Nationalisten überlassen."
Damit weiß Frank-Walter Steinmeier zumindest die Parteiführung der Grünen hinter sich:
"Das war vor allem eine gute Rede, die genau rechtzeitig kam zum Tag der deutschen Einheit", lobt Cem Özdemir im Deutschlandfunk. Und der Grünen-Vorsitzende ergänzt im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei gut, dass der Bundespräsident den Heimatbegriff nicht denen überlasse, die, Zitat, "unser Land schlecht reden". Özdemir, dem Ambitionen auf das Amt des Außenministers nachgesagt werden, sieht sich durch die Steinmeier Rede zudem bestätigt in der Debatte um ein Einwanderungsgesetz. Was für die grüne Parteispitze eben bedeutet: Zuwanderern in Deutschland eine neue Heimat zu geben. Eine Idee, die auch Robert Habeck, den grünen Landwirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein beflügelt: "Politik muss auch eine Idee formulieren. Eine Heimatidee. Eine Identitätsidee."
Seit Langem schon wirbt der 48-Jährige für einen linken Patriotismus, gerne europäischer Prägung. Habeck, der auch Schriftsteller ist und den viele an der Parteibasis als Mann der Zukunft sehen, hat vor sieben Jahren bereits ein Buch geschrieben, das den Begriff Patriotismus sogar im Titel trägt. Darin heißt es:
"Der Kontext, in dem von Patriotismus zu reden Sinn macht, ist der, der Gesellschaft. Was Konservative und sogenannte Patrioten vielleicht meinen, ist, dass man ein Gefühl persönlicher Teilhabe an Systemen haben muss."
Erfolg im Norden mit Küsten und leuchtenden Rapsfeldern
Was akademisch klingt, übersetzten die Strategen im Landtagswahlkampf in vergangenen Frühjahr in Schleswig-Holstein in urgrüne Botschaften: Der Wahlwerbespot von Habeck und Co. strotzte nur so vor Heimatliebe - Kälber, Küsten und leuchtende Rapsfelder.
Niemand muckte auf. Mit dieser Botschaft fuhren die Grünen im hohen Norden im Mai eines ihrer besten Ergebnisse ein. Bayerns Heimatminister Markus Söder, CSU, muss das im Süden erst noch gelingen.