Olga Martínez trifft ihre Anwältin in der Hamburger Kanzlei. Die Ecuadorianerin hat Beweismaterial mitgebracht für ihre Klage vor dem Arbeitsgericht und für die Anzeige bei der Polizei. Auf Spanisch beratschlagen die Frauen darüber.
"Am Wichtigsten ist mir, dass alles gut ausgeht und ich das bezahlt bekomme, worauf ich auch ein Anrecht habe."
Anrecht hat sie auf Lohn für eineinhalb Jahre unbezahlter Arbeit. Mit 18 kam Olga Martínez - ihren richtigen Namen will sie nicht nennen – mit ihrer Chefin, einer Architektin, in die Hansestadt.
Hier musste sie für die sechsköpfige Familie mehr als zwölf Stunden täglich putzen, waschen und kochen. Auf einer Liste musste sie jede kleinste Verrichtung mit Datum und Uhrzeit eintragen. Anspruch auf freie Tage hatte sie nicht - das belegt ihr Arbeitsvertrag, in dem auch ihr Lohn geregelt ist:
200 US-Dollar monatlich, plus 600 Dollar später bei der Rückkehr nach Ecuador, heißt es schwarz auf weiß – vorausgesetzt, sie verlässt ihre Stelle nicht vor Ablauf von zwei Jahren. Doch die heute 21-Jährige hat kaum einen Cent bekommen, trotz der Appelle an ihre Chefin:
"Ich brauche das Geld. Ich will, dass Sie mich bezahlen.
- Nein, nein, nein. Du gehst nicht von hier fort, bevor Du nicht den Vertrag erfüllt hast. Ich werde Dich in Ecuador bezahlen. So haben wir es ausgemacht. Oder erinnerst Du Dich nicht? Oder hast Du Angst, dass ich Dich nicht bezahle?
Ich zweifelte, wusste aber nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ich sagte: Ja, ich habe ein bisschen Angst. Da wurde sie wütend und sagte: Nennst Du mich etwa eine Diebin?""
Seit 2005 ist Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung in Deutschland strafbar. Dennoch wenden sich nur wenige Menschen, die in landwirtschaftlichen Betrieben, Gastronomie oder privaten Haushalten ausgenutzt werden, an Beratungsstellen. Noch seltener gehen sie zur Polizei – und die allerwenigsten wagen eine Klage vor Gericht. Denn diese Arbeitskräfte sprechen weder Deutsch noch kennen sie ihre Rechte.
Das will die Europarats-Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels ändern. Seit 2008 ist sie von 34 Ländern unterzeichnet worden. Im Unterschied zu älteren internationalen Vereinbarungen rücke sie nicht die Strafverfolgung der Täter in den Mittelpunkt, sagt Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte:
"Also die Europarats-Konvention gegen Menschenhandel ist im Vergleich zum Palermo-Protokoll ein völkerrechtlich verbindliches Dokument, was die Menschenrechte der Betroffenen in den Vordergrund stellt. Es steht schon in der Präambel dieser Konvention, dass quasi die Menschenrechte der Betroffenen gewahrt werden müssen, bei der Strafverfolgung, im Zusammenhang mit Opferschutz.
Die Konvention verlangt, dass die zuständigen Behörden wie Polizei und Grenzschutz, Gewerbeaufsicht, Finanzkontrolle "Schwarzmarkt" und Ausländerämter darin geschult werden, Opfer von Menschenhandel zu erkennen und als solche auch zu schützen. Außerdem will die Übereinkunft deren Rechte stärken: Möglichst früh sollen die Betroffenen darüber informiert werden, wie sie ihren Lohn oder eine Entschädigung einklagen können. Um den Klageweg beschreiten zu können, sollen sie zunächst einmal im Land bleiben dürfen.
Die Bundesregierung hält diese Forderungen in Deutschland für bereits umgesetzt. Im Dezember hat Schwarz-Gelb einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie die EU-Konvention ratifizieren will. In der Denkschrift heißt es:
"Die Regelungen dieses Übereinkommens, sind bereits heute umfassend im nationalen deutschen Recht verwirklicht, sodass bei Ratifizierung keine Änderungen des deutschen Rechts, insbesondere des Strafrechts und Aufenthaltsrechts, erforderlich sind."
Das sehen die Opposition im Bundestag sowie Nicht-Regierungs-Organisationen anders und fordern eine Nachbesserung des Entwurfs. Umstritten ist insbesondere, welche Opfer von Menschenhandel in Deutschland bleiben können und wann sie ausreisen müssen. Die EU-Konvention sieht hierfür mehr Möglichkeiten vor als das deutsche Aufenthaltsrecht. Zwar gewähren beide jenen einen verlängerbaren Aufenthalt, die als Zeugen in einem Strafprozess aussagen. Darüber hinaus aber fordert die EU-Regelung, Kindern im Sinne des Kindeswohls einen verlängerbaren Aufenthalt zu erlauben. Heike Rabe:
"Es steht unserer Meinung nach klar in der Europarats-Konvention, dass Kinder, also unter-18-jährige minderjährige Betroffene von Menschenhandel, ein Aufenthaltsrecht bekommen müssen unabhängig von ihrer Bereitschaft zur Zeugenaussage."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl möchte auch Erwachsenen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Aussage in einem Strafverfahren gewähren – so wie es bereits in Italien und den USA Praxis ist.
"Ich fordere jetzt erstmal: Jemand ist Opfer, bekommt ein Aufenthaltsrecht, gerne für einige Jahre, am liebsten unbefristet, weil ich finde, man hat auch etwas gutzumachen bei Opfern von Menschenhandel. Ich weiß aber auch, dass wir uns irgendwo in der Mitte treffen werden, ja? Wenn wir uns allein schon darauf verständigen können, dass wir das Aufenthaltsrecht anpacken, wäre das für mich schon ein politischer Erfolg – für die Opfer."
Olga Martínez musste nicht sofort ausreisen, weil sie gegen die Hamburger Familie aussagt. Eine Klage auf Lohn allein hätte ihr dagegen kein Aufenthaltsrecht gesichert. Das arbeitsgerichtliche Verfahren muss sie möglicherweise von Ecuador aus zu Ende führen.
"Und eigentlich würde ich gerne die ganze Zeit, die ich verloren habe, durch die Architektin, zurückhaben."
"Am Wichtigsten ist mir, dass alles gut ausgeht und ich das bezahlt bekomme, worauf ich auch ein Anrecht habe."
Anrecht hat sie auf Lohn für eineinhalb Jahre unbezahlter Arbeit. Mit 18 kam Olga Martínez - ihren richtigen Namen will sie nicht nennen – mit ihrer Chefin, einer Architektin, in die Hansestadt.
Hier musste sie für die sechsköpfige Familie mehr als zwölf Stunden täglich putzen, waschen und kochen. Auf einer Liste musste sie jede kleinste Verrichtung mit Datum und Uhrzeit eintragen. Anspruch auf freie Tage hatte sie nicht - das belegt ihr Arbeitsvertrag, in dem auch ihr Lohn geregelt ist:
200 US-Dollar monatlich, plus 600 Dollar später bei der Rückkehr nach Ecuador, heißt es schwarz auf weiß – vorausgesetzt, sie verlässt ihre Stelle nicht vor Ablauf von zwei Jahren. Doch die heute 21-Jährige hat kaum einen Cent bekommen, trotz der Appelle an ihre Chefin:
"Ich brauche das Geld. Ich will, dass Sie mich bezahlen.
- Nein, nein, nein. Du gehst nicht von hier fort, bevor Du nicht den Vertrag erfüllt hast. Ich werde Dich in Ecuador bezahlen. So haben wir es ausgemacht. Oder erinnerst Du Dich nicht? Oder hast Du Angst, dass ich Dich nicht bezahle?
Ich zweifelte, wusste aber nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ich sagte: Ja, ich habe ein bisschen Angst. Da wurde sie wütend und sagte: Nennst Du mich etwa eine Diebin?""
Seit 2005 ist Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung in Deutschland strafbar. Dennoch wenden sich nur wenige Menschen, die in landwirtschaftlichen Betrieben, Gastronomie oder privaten Haushalten ausgenutzt werden, an Beratungsstellen. Noch seltener gehen sie zur Polizei – und die allerwenigsten wagen eine Klage vor Gericht. Denn diese Arbeitskräfte sprechen weder Deutsch noch kennen sie ihre Rechte.
Das will die Europarats-Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels ändern. Seit 2008 ist sie von 34 Ländern unterzeichnet worden. Im Unterschied zu älteren internationalen Vereinbarungen rücke sie nicht die Strafverfolgung der Täter in den Mittelpunkt, sagt Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte:
"Also die Europarats-Konvention gegen Menschenhandel ist im Vergleich zum Palermo-Protokoll ein völkerrechtlich verbindliches Dokument, was die Menschenrechte der Betroffenen in den Vordergrund stellt. Es steht schon in der Präambel dieser Konvention, dass quasi die Menschenrechte der Betroffenen gewahrt werden müssen, bei der Strafverfolgung, im Zusammenhang mit Opferschutz.
Die Konvention verlangt, dass die zuständigen Behörden wie Polizei und Grenzschutz, Gewerbeaufsicht, Finanzkontrolle "Schwarzmarkt" und Ausländerämter darin geschult werden, Opfer von Menschenhandel zu erkennen und als solche auch zu schützen. Außerdem will die Übereinkunft deren Rechte stärken: Möglichst früh sollen die Betroffenen darüber informiert werden, wie sie ihren Lohn oder eine Entschädigung einklagen können. Um den Klageweg beschreiten zu können, sollen sie zunächst einmal im Land bleiben dürfen.
Die Bundesregierung hält diese Forderungen in Deutschland für bereits umgesetzt. Im Dezember hat Schwarz-Gelb einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie die EU-Konvention ratifizieren will. In der Denkschrift heißt es:
"Die Regelungen dieses Übereinkommens, sind bereits heute umfassend im nationalen deutschen Recht verwirklicht, sodass bei Ratifizierung keine Änderungen des deutschen Rechts, insbesondere des Strafrechts und Aufenthaltsrechts, erforderlich sind."
Das sehen die Opposition im Bundestag sowie Nicht-Regierungs-Organisationen anders und fordern eine Nachbesserung des Entwurfs. Umstritten ist insbesondere, welche Opfer von Menschenhandel in Deutschland bleiben können und wann sie ausreisen müssen. Die EU-Konvention sieht hierfür mehr Möglichkeiten vor als das deutsche Aufenthaltsrecht. Zwar gewähren beide jenen einen verlängerbaren Aufenthalt, die als Zeugen in einem Strafprozess aussagen. Darüber hinaus aber fordert die EU-Regelung, Kindern im Sinne des Kindeswohls einen verlängerbaren Aufenthalt zu erlauben. Heike Rabe:
"Es steht unserer Meinung nach klar in der Europarats-Konvention, dass Kinder, also unter-18-jährige minderjährige Betroffene von Menschenhandel, ein Aufenthaltsrecht bekommen müssen unabhängig von ihrer Bereitschaft zur Zeugenaussage."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl möchte auch Erwachsenen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Aussage in einem Strafverfahren gewähren – so wie es bereits in Italien und den USA Praxis ist.
"Ich fordere jetzt erstmal: Jemand ist Opfer, bekommt ein Aufenthaltsrecht, gerne für einige Jahre, am liebsten unbefristet, weil ich finde, man hat auch etwas gutzumachen bei Opfern von Menschenhandel. Ich weiß aber auch, dass wir uns irgendwo in der Mitte treffen werden, ja? Wenn wir uns allein schon darauf verständigen können, dass wir das Aufenthaltsrecht anpacken, wäre das für mich schon ein politischer Erfolg – für die Opfer."
Olga Martínez musste nicht sofort ausreisen, weil sie gegen die Hamburger Familie aussagt. Eine Klage auf Lohn allein hätte ihr dagegen kein Aufenthaltsrecht gesichert. Das arbeitsgerichtliche Verfahren muss sie möglicherweise von Ecuador aus zu Ende führen.
"Und eigentlich würde ich gerne die ganze Zeit, die ich verloren habe, durch die Architektin, zurückhaben."