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Ausgenutzt und schlecht bezahlt

Etwa 10.000 Beschäftigte arbeiten in den Schlachthöfen Niedersachsens - oft unter unzumutbaren Bedingungen. Leiharbeiter werden aus dem osteuropäischen Ausland angeheuert, schlecht untergebracht und noch schlechter bezahlt. Kritiker prangern Stundenlöhne von drei bis fünf Euro an.

Von Alexander Budde |
    Sonntagszerstreuung in einer Kleinstadt im Norden Niedersachsens. Emilian, Mitte 40, stämmige Statur, rundes Gesicht, braune Augen, hat sich in einem der beiden abgenutzten Sofas im Wohnzimmer niedergelassen und das rumänische Fernsehen angeschaltet. Auch 15 Jahre nachdem er Rumänien verlassen hat, sind die Bande zur alten Heimat noch stark. Dass er 1998 nach Deutschland kam, hatte vor allem wirtschaftliche Gründe, erzählt der zweifache Familienvater:

    "Die Fabrik, in der ich in Rumänien gearbeitet habe, wurde geschlossen. Dann ist mir zu Ohren gekommen, dass in Deutschland Schlachter gesucht würden. Gutes Geld für gute Arbeit. So bin ich hergekommen. Zwei Jahre später habe ich geheiratet, bin Vater geworden. Das Leben wurde nicht einfacher. Ich habe mich dann entschieden, hier zu leben. Über Deutschland habe ich vorher nur gewusst, dass es hier große Betriebe gibt, die viel mehr Fleisch verarbeiten als wir damals in Rumänien."

    Wie die meisten seiner Landsleute, die in den Häusern ringsum wohnen – zum Teil im Dutzend und zum Wucherpreis – wurde Emilian als Werkarbeiter von einem Subunternehmen angeheuert. Den kargen Lohn zahlte ein rumänischer Mittelsmann aus, der sich regelmäßig zu Ungunsten der Arbeiter verrechnete. Emilian schlachtete Schweine im Akkord, zehn Stunden - vom frühen Nachmittag bis Morgens um vier Uhr. Auf seinen Lohn für sechs Wochen wartet er bis heute vergeblich. Der Konkurs des Unternehmens kam schleichend:

    "Wir wurden anfänglich noch bezahlt - aber nach der Anzahl der verarbeiteten Schweine. Wir waren 130 bis 140 Kollegen, die immer weniger zu tun bekamen. Die Frühschicht kam auf 6000 – 7000 Tiere, nachmittags waren es dann nur noch 3000 Schweine. Als Begründung hörten wir, der Betrieb könne im Wettbewerb der Hungerleider nicht mithalten, weil unsere Löhne zu hoch seien. Wir haben der Leitung dann vorgeschlagen, einige von uns zurück nach Rumänien zu schicken, damit wir weniger Leute am Band sind. Aber das war auch nicht gewünscht."

    Emilian darf sich glücklich preisen. Er hat gerade einen befristeten Vertrag bei einem Schlachthof, pendelt jeden Morgen zu dem einige Dutzend Kilometer entfernten Betrieb. Elf Euro für die erfahrene Fachkraft, er ist sogar krankenversichert. Seine karg bemessene Freizeit verbringt er mit der Familie. Im kleinen Garten schaut er Sohn und Tochter zu, wie sie auf dem Trampolin hüpfen. Ab und an wird auch gegrillt. Fleisch kauft die Familie alle zwei Wochen auf dem Wochenmarkt im nahen Enskede in Holland ein. Emilian achtet trotz des schmalen Budgets auf Qualität. Er wundert sich, was seinen deutschen Nachbarn auf den Teller kommt. Mit Lohndumping könne man vielleicht preisgünstig produzieren, meint er. Doch unter dem System der Ausbeutung litten am Ende nicht nur die Wanderarbeiter aus Osteuropa:

    "Die Fleisch verarbeitende Industrie in Deutschland ist kaputt, das höre ich überall von den Kollegen. Das billigste Fleisch, wie zum Beispiel das Hackfleisch, kostet nur noch 1,99 Euro das Kilo. Wer bei solchen Preisen noch Profit machen will, muss auf billigste Arbeitskräfte zurückgreifen. Der sagt zu seinem Subunternehmer: Hol mir mal 100 Rumänen. Die fahren dann aufs Feld und kommen mit lauter Ungelernten zurück. Die haben keinerlei Krankenversicherung, aber die Unfälle passieren trotzdem. Die Leute schneiden sich die Hände ab, weil sie keine Erfahrung im Umgang mit Messern und Maschinen haben."

    Anfang Oktober hat Emilian sein 25-jähriges Berufsjubiläum als Schlachter gefeiert. Er hat inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. In Deutschland will er bleiben, nicht zuletzt wegen der Kinder, die am Ort Grundschule und Kindergarten besuchen und mittlerweile verwurzelt sind. Ob sie selbst einmal Schlachter werden sollten, dürfen sie selbst entscheiden.