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Ausgezeichnet wohnen

In München ist Wohnraum knapp: Für 92.000 Studenten stehen gerade einmal knapp 10.000 Wohnheimplätze zur Verfügung. Das hält das Münchner Studentenwerk aber nicht davon ab, bei Neubauten auch innovativen Konzepten eine Chance zu geben. Das Engagement wird jetzt belohnt: Eines der jüngsten Gebäude, eine Wohnanlage in Garching, erhält den Deutschen Architekturpreis 2007. Der in diesem Jahr mit 30.000 Euro dotierte Preis gilt als renommierteste Auszeichnung für Architektur in Deutschland.

Von Susanne Lettenbauer |
    Besuch in Deutschlands preisgekröntem Studentenwohnheim: Jan Diepenbrock und Simon Funke, beide Studenten an der TU München wohnen in "Garching II", wie die Wohnanlage offiziell heißt:

    " Man kann durchaus sagen, dass die Kommunikation gefördert wird. Vor allem merkt man, dass Menschen in Vierer-WGs schneller beim Wohnheimleben dabei sind als Leute aus Einzelzimmern. "

    Was an anderen Unis normal erscheint, ist für Jan und Simon, zwei von 112 Bewohnern, der wichtigste Punkt an ihrer Studentenbude: Das viergeschossige Gebäude hat neben Einzelzimmern auch Zweier- und Vierer-WGs - für Münchner Studentenwohnheime, die überwiegend Einzelzimmer anbieten, eine Besonderheit. Das Wichtigste aber: Es gibt keinen Treppenaufgang, keine Flure oder Balkone. Die gesamte Grundfläche von 2000 Quadratmetern wird hier zum Wohnen genutzt. Ähnlich wie in amerikanischen Motels gehen Simon und Jan über einen breiten umlaufenden Laubengang in ihre Zimmer. Man kann auf diesem überdachten Flur im Freien natürlich auch grillen oder seine Hängematte aufhängen, Dadurch lernt man sich besser kennen, meint Simon Funke:

    " Dadurch, dass man, egal ob man das Haus verlässt oder in sein Zimmer geht, immer an den anderen Zimmern vorbei läuft und in die Fenster reinschauen kann, die Leute also automatisch kennen lernt, deshalb kennt man einen großen Prozentsatz der Leute, die hier im Wohnheim wohnen, was in anderen Anlagen nicht der Fall ist. "

    Möchte man sich zurückziehen, ist auch das kein Problem: Von oben kann ein durchsichtiges Gazerollo heruntergezogen, von unten bei Bedarf ein komplett undurchsichtiges Rollo vor das Fenster nach oben gezogen werden. Diese Diskretion brauchen Simon und Jan aber nicht walten lassen, wenn es um das Badezimmer geht: Jeder einzelne Student, ob in Zweier- oder Vierer-WG hat sein eigenes Bad. Darauf legte Architekt Professor Dietrich Fink von Anfang an Wert:

    " Eigene Nasszelle, Toilette, Dusche. Klar bei der Größe der Räume ist eine individuelle Gestaltung der Räume sehr eingeschränkt möglich. Hier wird es dadurch erleichtert, dass die Möbel auf Rollen stehen. "

    Das bedeutet: Man kann das Zimmer einrichten wie man will. Man kann das Bett, den Schrank, den Tisch, die Kommoden dahin rollen wo Student es gerade braucht. Der Architekt Dietrich Fink kennt die Bedürfnisse seiner Studenten. Er ist Ordinarius für Integriertes Bauen und gleichzeitig Dekan der Fakultät für Architektur der TU München.

    Die Wartelisten lang sind für die Enzianstrasse 1 und 3. Die meisten Studenten müssen mindestens zwei Semester auf einen Platz warten. Zudem liegt die Miete bei für München unglaublich niedrigen 250 Euro. Erreicht wird dieser kostendeckende Preis unter anderem durch überdimensionale Fenster. Was woanders die Heizkosten hochtreibt, gilt hier als Heizung an sich. Die großen Fensterflächen holen die Sonne ins Zimmer, manchmal leider zuviel:

    " Ein Problem ist vielleicht einfach die Hitze durch die großen Fenster, dass das einfach nicht ordentlich abgeschattet ist, weil das mit dem wilden Wein nicht so funktioniert, der hält einfach nicht viel ab. Da müsste man eine andere Lösung finden aber prinzipiell ist es eine schöne Anlage. "

    Das i-Tüpfelchen des Wohnheimes und besonders futuristisch anmutende Accessoire ist das das gesamte Gebäude umhüllende Netz aus changierenden, geflochtenen Stahlseilen. Es soll anstelle eines Geländers den Laubengang absichern, eigentlich sollte dort auch wilder Wein hochranken und als Schattenspender dienen. Was theoretisch ein bestechender Gedanke ist, Pflanzen als Sonnenschutz zu nutzen, ging bislang jedoch im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht auf.

    Der Geschäftsführer des Münchner Studentenwerkes und gleichzeitig Bauherr des Gebäudes Dieter Maßberg ist trotz allem noch immer begeistert von dem Entwurf:

    " Wenn man für eine technische Hochschule baut, dann ist es doch eine Herausforderung unter dem Aspekt: Hier ist Technologie zu Hause und ich glaube, das sieht man dem Gebäude auch an . Die klaren Linien, die nur durch die wellenförmige Fassade, durch das Netz aufgefangen werden. Aber sonst ist es schon ein sehr harter Baukörper und ich glaube der passt ganz gut zu dem Hightech-Campus hier draußen in Garching. "

    Dass sein Gebäude jetzt den Architekturpreis 2007 bekommen hat, bestätigt Maßberg in seinem Konzept Studentisches Wohnen. Jede Wohnanlage, so seine Forderung, muss individuell sein und einen Wiedererkennungswert besitzen, weshalb das Preisträgergebäude so nicht wieder gebaut werden wird.
    Studentenwohnheim Garching II: Ungestörter Blick in die Küche
    Studentenwohnheim Garching II: Ungestörter Blick in die Küche (Studentenwerk München)