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Ausländerfeindlichkeit
"Dürfen den Drohungen nicht nachgeben"

Der Rechtsstaat müsse politisch Engagierte schützen, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im DLF zum Rücktritt eines Bürgermeisters in Sachsen-Anhalt. Den Drohungen von Extremisten - egal von welcher Seite - nachzugeben, wäre ein ganz schlechtes Zeichen, davon müsse man sich abgrenzen, so Herrmann.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). (imago/Sven Simon)
    Herrmann sagte, der Privatbereich eines Politikers müsse tabu sein und geschützt werden. Demonstrationen könnten vor dem Rathaus oder in jeder anderen Straße stattfinden, aber nicht vor dem Haus des Politikers. "Wir haben in der Vergangenheit schon solche Demos untersagt und vor dem Verwaltungsgericht recht bekommen", unterstrich der CSU-Politiker.
    Natürlich ließen sich Rechtsextremisten immer wieder etwas Neues einfallen. Dem dürfe man aber nicht hilflos gegenüberstehen und sich auf keinen Fall abschrecken lassen. Herrmann forderte allerdings eine klare Differenzierung in der Flüchtlingspolitik. Wenn jemand nur hierher komme, um abzukassieren, müsse man diejenigen auch wieder nach Hause schicken. Bayerns Innenminister wehrte sich damit auch gegen die Kritik von SPD-Vize Ralf Stegner.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: An Solidaritätsadressen hat es nicht gefehlt, seit der Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt seinen Rücktritt angekündigt hat, weil er um die Sicherheit seiner Familie fürchtet. Der Grund: Er hat sich dafür eingesetzt, dass Flüchtlinge in Tröglitz untergebracht werden, und sah sich massiven Anfeindungen ausgesetzt, vor allem von Seiten von zugereisten NPD-Anhängern. Die nämlich planten eine Demonstration, die an seinem Haus enden sollte, und die Behörden machten keine Anzeichen, das zu unterbinden. Jetzt hofft Markus Nierth auf einen Aufstand der Anständigen, aber davon ist im Moment jedenfalls nicht viel zu sehen. - Am Telefon dazu Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister. Schönen guten Morgen, Herr Herrmann.
    Joachim Herrmann: Guten Morgen!
    Heckmann: Herr Herrmann, können Sie ausschließen, dass so etwas auch in Bayern passiert, dass ein Kommunalpolitiker hinschmeißen muss, weil er sich von Rechtsradikalen bedroht fühlt?
    "Der Rechtsstaat muss diejenigen schützen, die sich engagieren"
    Herrmann: So was hat es jedenfalls noch nicht gegeben, und ich will alles dafür tun, dass so etwas auch nicht vorkommt. Das ist in der Tat eine völlig unakzeptable Entwicklung. Der Rechtsstaat muss diejenigen schützen, die sich engagieren, die ihren demokratischen Aufgaben nachgehen, und wir dürfen auf gar keinen Fall den Drohungen von Extremisten, egal von welcher Seite, in dem Fall von Rechtsextremisten, in irgendeiner Weise nachgeben. Das wäre ein ganz, ganz schlechtes Zeichen für unseren Staat.
    Heckmann: Der Rechtsstaat muss diejenigen schützen, die sich politisch engagieren, sagen Sie. Heißt das, man muss da Versäumnisse in Sachsen-Anhalt konstatieren?
    Herrmann: Ich kann die einzelnen Entwicklungen in Sachsen-Anhalt nicht beurteilen. Aber ich habe ausdrücklich vor ein paar Tagen gesagt, ich biete jedem kommunal Engagierten in Bayern, jedem Bürgermeister ausdrücklich unseren Schutz an. Jeder kann sich unmittelbar an mich persönlich wenden, wenn er solchen Anfeindungen in irgendeiner Weise ausgesetzt ist. Es ist dann die Aufgabe unserer Gesellschaft, aber auch des Staates, auch unserer Polizei, so jemanden entsprechenden zu schützen.
    Sie haben die konkrete Situation angesprochen, dass hier eine Demonstration bis vor das persönliche Haus, das Anwesen, die Wohnung des Bürgermeisters angekündigt war. Ich bin der klaren Meinung - und das haben wir in anderen Fällen auch schon praktiziert -, der Privatbereich eines Politikers muss Tabu bleiben. Man kann vor dem Rathaus demonstrieren, man kann sonst in der Öffentlichkeit demonstrieren, aber eine politische Demonstration, egal von wem, muss nicht die Privatsphäre eines Politikers mit einbeziehen. Das gehört letztendlich auch zu einem konsequenten Vorgehen.
    Das für Asylbewerber vorgesehene Haus in Tröglitz (Sachsen-Anhalt), aufgenommen am 09.03.2015.
    Das für Asylbewerber vorgesehene Haus in Tröglitz. Der Bürgermeister des Ortes, Nierth, war wegen einer vor seinem Haus geplanten Demonstration der rechtsextremen NPD von seinem Ehrenamt als Ortsbürgermeister zurückgetreten. (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
    Heckmann: Jetzt sagen Sie, Herr Herrmann, Sie sind der Meinung, dass dieser Privatbereich geschützt bleiben sollte und außen vor bleiben sollte, vor solchen Demonstrationen beispielsweise. Was würden Sie denn konkret tun, wenn sich jetzt jemand bei Ihnen melden würde aus Bayern, der sagt, ich habe ein ähnliches Problem? Würden Sie dann dafür sorgen, dass die Behörden eine solche Demonstration untersagen?
    Demonstrationsrecht und Privatsphäre schützen
    Herrmann: Ja! Eine solche Demonstration in der Privatsphäre eines politisch Engagierten, die kann untersagt werden. Wir haben in der Vergangenheit solche Demonstrationen schon untersagt und haben vor dem Verwaltungsgericht auch Recht bekommen. Ich denke, da muss man dann schon einen ganz konsequenten Weg gehen. Das eine ist die öffentliche Auseinandersetzung, wir schützen das Demonstrationsrecht. Aber das muss nicht die Privatsphäre von politisch Engagierten einbeziehen.
    Heckmann: Wobei es in Sachsen-Anhalt hieß, das sei so ohne weiteres nicht möglich, eine solche Demonstration deswegen einfach zu verbieten.
    Herrmann: Es ist klar: Die Demonstration als solche kann ja in anderen Straßen stattfinden, aber eben nicht, wenn sie am Schluss auch unmittelbar vor der Privatwohnung eines Engagierten stattfindet. Da muss man dann ganz konkret sagen, da nicht. Ihr könnt auf dem Rathausplatz demonstrieren, in der Hauptstraße demonstrieren, in der Fußgängerzone demonstrieren, wo auch immer, die Stadt ist groß genug, aber nicht vor der Privatwohnung.
    Heckmann: Und da würden Sie als bayerischer Innenminister dann auch die Behörden entsprechend anweisen?
    Herrmann: Das würden wir konsequent so handhaben. Und ich muss klar sagen: Natürlich lassen sich die Rechtsextremisten immer auch wieder was Neues einfallen. Aber man darf da nicht hilflos dem gegenüberstehen, und es muss dann deutlich werden, dass wir hinter den demokratisch gewählten Persönlichkeiten - egal welcher Partei und Gruppierung - stehen, und dass wir uns von Rechtsextremisten auf keinen Fall verschrecken lassen.
    Heckmann: Die Integrationsbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Susi Möbbeck heißt die Dame, die hat jetzt gesagt, das A und O sei bei dieser ganzen Geschichte eigentlich, dass die Bevölkerung frühzeitig über ankommende Flüchtlinge informiert werde. Denn wenn Gerüchte und Fehlinformationen erst einmal kursierten, dann sei das die Grundlage, auf der Populisten und Nazis ihr Süppchen kochen würden. - Herr Herrmann, auch wenn es möglicherweise oder wahrscheinlich und sicherlich nicht beabsichtigt ist, rechtfertigt man mit einer solchen Argumentation nicht unbewusst das Verhalten von Rechtsextremen und ihren Mitläufern, wenn man sagt, eigentlich muss nur die Information der Bevölkerung stimmen und dann ist das Problem gelöst?
    Herrmann: Die Information der Bevölkerung ist natürlich wichtig. Das ist gar keine Frage. Das was hier geäußert wird, ist auch meine Überzeugung. Wir müssen überall dort, wo es zur notwendigen Unterbringung von Flüchtlingen, von Asylbewerbern kommt, die Bevölkerung möglichst frühzeitig einbeziehen. Hier muss die örtliche Kommunalpolitik engagiert sein, da müssen wir häufig die Kirchen vielleicht um Mithilfe bitten. Aber egal ob das richtig gemacht wird, oder ob es im Einzelfall auch mal Defizite gibt, kann das keinerlei Rechtfertigung dafür sein, dass dann insgesamt jemand jede Unterbringung von Ausländern in unserem Land ablehnt. Und es kann schon gar keine Rechtfertigung sein für irgendwelchen Rechtsextremismus in unserem Land, und dem müssen wir uns klar entgegenstellen.
    Heckmann: Also ganz klare Abgrenzung auch von Ihrer Seite natürlich. - Ralf Stegner, der Vizevorsitzende der SPD, hatten wir gestern im Interview hier im Deutschlandfunk, und der hat aber gesagt, dass er durchaus auch Sie und die CSU in der Verantwortung sieht bei der ganzen Geschichte. Er sagte gestern im Deutschlandfunk:
    O-Ton Ralf Stegner: "Wenn Vorbehalte geschürt werden gegen Flüchtlinge, wenn man hauptsächlich über Abschiebung und Gefahren redet, wenn man den Menschen Angst macht, dann ist das eben alles falsch. Und wer betrügt fliegt, das ist eine Parole, die Herr Seehofer mitzuverantworten hat. Es reicht nämlich nicht, wenn die Bundeskanzlerin in der Neujahrsansprache sagt, der Islam gehört zu Deutschland, und in der Realität dumpfe Vorbehalte geschürt werden in ihrer eigenen Union, in der CSU."
    Heckmann: Soweit SPD-Vize Ralf Stegner gestern Früh bei uns im Deutschlandfunk. - Schürt also die CSU die Ausländerfeindlichkeit, die sie angeblich bekämpft, Herr Herrmann?
    Herrmann: Nein, wir schüren überhaupt keine Ausländerfeindlichkeit. Übrigens wir sind das Bundesland mit der höchsten Zuwanderung von vielen qualifizierten Ausländern aus anderen europäischen Ländern und aus der ganzen Welt. In kein anderes Bundesland kommen so viele wie bei uns, weil es bei uns attraktive Arbeitsplätze gibt. Davon hat der Herr Stegner leider offensichtlich ziemlich wenig Ahnung.
    Was wir allerdings auch sagen ist: Wenn jemand zum Beispiel Asylrecht missbraucht, nur weil er an Geld kommen will, dann muss man dem auch klar entgegentreten. Wir haben in den letzten Monaten sehr deutlich gesagt, zum Beispiel auf dem Balkan gibt es sichere Herkunftsländer, die Bundestag und Bundesrat mit Mehrheit so beschlossen haben, Serbien, Mazedonien, wir haben aktuell die Situation im Kosovo, da findet keine Verfolgung statt. Das Bundesamt erkennt hier nahezu nie jemanden an, weil es sagt, da gibt es keine politische, rassistische oder religiöse Verfolgung.
    Heckmann: Aber muss man das wirklich auf so eine kurze Formel bringen, Herr Herrmann, Sprüche wie "wer betrügt, der fliegt", oder "wir sind nicht das Sozialamt Europas"? Das sind ja auch Parolen, mit denen beispielsweise die NPD Werbung macht.
    "Wer nur abkassieren will, wird nach Hause geschickt"
    Herrmann: Das Vokabular der NPD ist für mich überhaupt kein Maßstab. Aber klar ist erstens: Ich weiß gar nicht, wieso man sich als Politiker aufregen kann, wenn man sagt, wer betrügt, der fliegt. Zunächst einmal steht in unserem Strafgesetzbuch, wer betrügt, wird eingesperrt. Das gilt für jeden Deutschen. Wer betrügt, wird bestraft, so steht das im Strafgesetzbuch. Und wenn es um Ausländer geht, sagen wir in der Tat, wer wirklich betrügt, der wird wieder heimgeschickt. Das ist ganz einfach und zu dieser Linie stehen wir auch, und ich denke, das müssen die Menschen auch erkennen. Wir brauchen eine klare Akzeptanz für die Menschen, die wirklich verfolgt werden, wenn ich an Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien denke, und da ist auch eine große Hilfsbereitschaft in unserer Bevölkerung. Aber wenn jemand nur hier herkommt, um zum Beispiel abzukassieren, dann muss man genauso gut sagen, so jemand schicken wir wieder nach Hause. So ist das menschliche Leben und ich denke, wir brauchen diese Differenzierung, und genau die erwartet letztlich auch die große Mehrheit der Menschen in unserem Land. Da darf man keine Stimmungsmache betreiben, aber da muss der Rechtsstaat konsequent handeln.
    Heckmann: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann von der CSU live hier im Deutschlandfunk. Herr Herrmann, ich danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Herrmann: Ich danke Ihnen auch, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
    Heckmann: Wünschen wir Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.