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Auslandssemester in Afrika
Deutsche Studenten bauen Prothesen in Äthiopien

Wo bekommt man in Äthiopien Polyurethanschaum oder Aluminium? Und welcher Betrieb kann daraus einen künstlichen Fuß bauen? Seit 2015 kommen Studenten der TU-München nach Addis Abeba, um dort an der Entwicklung von neuen Prothesen zu arbeiten - vom Wissensaustausch profitieren beide Seiten.

Von Katharina Nickoleit |
Fußprothesen aus Polyurethan-Kunststoff (PU-Kunststoff) stehen am 22.08.2012 bei dem Medizintechnik-Hersteller Ottobock in Duderstadt in einem Regal.
Einfach anzupassen, robust und günstig soll der künstliche Fuß sein, den die Studenten der Medizintechnik in Äthiopien entwickeln (picture alliance / Emily Wabitsch )
Eine Prothesenwerkstatt in der Nähe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Handwerker der lokalen Hilfsorganisation Cheshire Service montieren mit geübten Griffen eine einfache Prothese. Der Bausatz, der da gerade zusammen geschraubt wird, ist eine Spende des Internationalen Roten Kreuzes - und das ist nur in Krisenregionen tätig.
Zwei Münchner von der TU in Addis Abeba
"Da jetzt in Äthiopien glücklicherweise Friedenszustand herrscht, stellt das Rote Kreuz diese Unterstützung ein und Cheshire ist eben auf neue Wege angewiesen und möchte lokal Prothese fertigen."
Erklärt der Maschinenbaustudent Adrian Holste, der gemeinsam mit seinem Kommilitonen Maximilian Schlegel die Werkstatt inspiziert um herauszufinden, wie hier gearbeitet wird. Wenn alles läuft wie geplant, wird in diesem Betrieb irgendwann ihre Prothese gefertigt.
"Unsere Aufgabe ist, für die NGO Cheshire ein Konzept für einen Prothesenfuß zu entwickeln und nach Möglichkeit auch einen Prototyp zu bauen."
Eine Prothese darf nicht viel kosten
Adrian Holste und sein Kompagnon sind Mitte 20 und studieren am Institut für Medizintechnik der Technischen Universität München. In ihrer Masterarbeit entwickeln sie den künstlichen Fuß.
"Auf jeden Fall sollte es eine günstige Prothese sein, eine einfach anzupassende Prothese, eine robuste Prothese."
Studentinnen und Studenten in Äthiopien begutachten eine Prothese.
Bei der Entwicklung der Prothesen geht es auch darum, welche Materialien vor Ort verfügbar sind (Deutschlandradio / Christian Nusch)
Zählt Maximilian Schlegel die Anforderungen auf. Und er weiß: Günstig wird der künstliche Fuß nur, wenn alle Komponenten in Äthiopien verfügbar sind.
"Also, es kommt immer wieder zu Problemen, wenn man Rohstoffe oder Bauteile importiert, und daher ist es auch ein Ziel, dass es lokal bei lokalen Firmen hergestellt werden können.
Seit 2015 kommen jedes Jahr Studenten der TU-München nach Äthiopien um dort an der Entwicklung einer neuen Prothese zu arbeiten. Jedes Mal ist ein neues Bauteil dran und es müssen noch einige Masterarbeiten geschrieben werden, bis das erste künstliche Bein vollständig in Serie gehen kann. Die Deutschen bringen dabei vor allem ihr Know-How zur Materialkunde ein, ein Gebiet auf dem die TU München führend ist. Für den äthiopischen Prothesenbauer Mengistu Tedla ist dieses Wissen sehr wertvoll.
"Sie helfen uns dabei, die richtigen Materialien auszuwählen, dabei, zu entscheiden, welche Eigenschaften es für die einzelnen Komponenten haben muss. "
"Wir brauchen auf jeden Fall ein Gummi, da gibt es dann verschiedene Möglichkeiten, Naturkautschuk oder Polyurethanschaum für außen. Und dann, je nachdem was für ein Model man nimmt, kommt auch ein Kern rein, der dann entweder aus Plastikkunststoff ist oder auch möglicherweise aus Aluminium. "
Wo gibt es günstige Materialien?
Die Hauptaufgabe der deutschen Studenten besteht darin, herauszufinden, wo in Äthiopien diese Materialien zu bekommen sind und wo es Betriebe gibt, die sie verarbeiten können. Das ist schwieriger als gedacht. Adrian Holste:
"Für mich die größte Herausforderung ist, dass man in einem kulturell fremden Umfeld, wo die Leute auch auf Termine anders reagieren, in der Kommunikation anders sind, dass man dort produktiv was leistet, mit seiner Masterarbeit und wirklich was fertig stellt."
Das geht nur in Zusammenarbeit mit den äthiopischen Prothesenbauern. Mengistu Tedla:
"Wir lernen viel von den Deutschen Studenten, aber die lernen auch viel von uns. Die Verfahren sind bei uns, in einem Entwicklungsland, ganz anders als im Hochtechnologieland Deutschland. Nur gemeinsam können wir beides miteinander verbinden."
Maximilian und Adrian hätten sich sicherlich einfachere Aufgaben für ihre Masterarbeit suchen können, aber:
"Die ganze Motivation meines Studiums ist, dass man mit Menschen und für Menschen arbeitet und das ist hier natürlich sehr direkt möglich und man bekommt direktes Feedback."
Sagt Adrian Holste. Und so ist Addis Abeba trotz der vielen Herausforderungen für die beiden Studierenden der Medizintechnik genau der richtige Ort.