Owoseni Kehinde steht in einem grünen Zelt. Es ist ein provisorischer Klassenraum, in dem er in Nigerias Hauptstadt Abuja Studierenden Chinesisch beibringt. Die acht Teilnehmer des Kurses lernen heute die Zahlen von eins bis zehn. Ihr Lehrer Owoseni Kehinde hat die Sprache selbst in China gelernt, als er 2006 zum Studium dorthin ging. Bis heute schwärmt er davon:
"Es ist ein Land mit großer Bevölkerung. Trotzdem ist es ziemlich günstig. Ich empfehle, in ein solches Land zu gehen."
Bei nigerianischen Studierenden liegt China im Trend. Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht. An der Bayero-Universität in der nordnigerianischen Millionenstadt Kano beobachtet aber Nura Ibrahim diese Entwicklung schon seit Jahren. Er leitet den Fachbereich Informations- und Medienstudien:
"In Nigeria gibt es im Postgraduiertenstudium, etwa in den Kommunikationswissenschaften, kaum Plätze. Selbst bei guten Noten muss man eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Die gibt es in China nicht. Dann sind es die Kosten. Studierende sind vorher auch nach Malaysia gegangen. Heute wissen sie, dass China günstiger ist", nennt er Gründe.
Europa, wo in vielen Ländern die Lebenshaltungskosten bei mindestens 600 bis 700 Euro liegen, können sich hingegen die wenigsten leisten. Zum Vergleich: In Nigeria liegt der Mindestlohn bei 75 Euro. Ein Lehrer verdient zwischen 100 und 200 Euro. Nura Ibrahim:
"Diejenigen, die nach Europa gehen, brauchen ein Stipendium. Sonst ist das nicht finanzierbar. Es sei denn, der Vater ist reich und bezahlt es."
Vollstipendien im Masterprogramm
Daran scheitert es häufig, auch bei Lukmon Akintola. Nach seinem Bachelor-Abschluss in Internationalen Beziehungen wollte er unbedingt ins Ausland gehen:
"Ich habe mich für mehrere Stipendien in Großbritannien, den USA und Kanada beworben. Unglücklicherweise oder glücklicherweise habe ich sie nicht bekommen. Ich wurde zwar zugelassen, bekam aber kein Stipendium. Für China habe ich mich nur einmal beworben und hatte Glück."
Sein Masterstudium wird er in Peking absolvieren und muss sich über die Finanzierung keine Sorgen machen. Damit wirbt auch das chinesische Wirtschaftsministerium auf seiner Homepage. Im Masterprogramm erhalten Studierende knapp 400 Euro monatlich, Doktoranden bekommen fast 450 Euro. Es ist ein Vollstipendium, das alle Kosten deckt. Aufgelistet sind 26 Universitäten.
Diese komfortablen Pakete können dazu führen, dass Kritik an China ausbleibt. Auch Owoseni Kehinde hält sich bei der Frage, ob er auch negative Erfahrungen gemacht hat, zurück:
"Einmal hat man mich am Flughafen festgehalten. Man dachte, dass ich irgendwo Drogen verstecken würde. Man hat mich nicht gut behandelt. Am Ende erhielt ich aber eine Entschuldigung."
Kritik gibt es stattdessen an Europa. Durch einen neuen Beschluss sind beispielsweise in Frankreich Gebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern künftig 15 Mal so hoch wie bisher. Betroffen sind vor allem Bewerber aus den früheren Kolonien in Afrika. Auch aus deutscher Sicht gibt es Nachholbedarf, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Nigeria 2018 betont:
"Wir haben insgesamt heute schon 1.200 nigerianische Studenten in Deutschland, und ich sage zu, dass wir im Rahmen unserer Gespräche das auch noch einmal vergrößern könnten."
Jobchancen durch Studium in China
China ist jedoch noch aus einem anderen Grund interessant: Es ist das Land, aus dem heute technische Produkte kommen, die für Nigerianer erschwinglich sind. Auch diese locken junge Menschen ins Land. Dozent Nura Ibrahim:
"Am wichtigsten sind das technische Know-How, die Ausstattung der Universitäten sowie die Möglichkeit, anschließend einen Job zu finden. Die Studierenden, die ich kenne, gehen nach China, weil sie das Gefühl haben: Sobald sie mit einem Abschluss zurück nach Nigeria kommen, wartet ein Job auf sie."
Lukmon Akintola hat jedoch noch eine andere Hoffnung. Seiner Meinung nach kann Nigeria viel von China lernen:
"Mich fasziniert folgendes: Das Land stand einmal auf derselben Stufe wie Afrika. In den 1970-er Jahren wollte niemand etwas von China hören. Mich begeistert, dass das Land in kurzer Zeit schnell wächst. Die Chinesen erobern die Welt, sind innovativ und versuchen, eine Macht wie die Vereinigten Staaten zu werden."