Nicht jeder in Deutschland kennt den englischen Zoologen, Schriftsteller und streitbaren Atheisten Richard Dawkins. Dabei haben er und seine Bücher in den letzten vier Jahrzehnten unser Bild vom Leben auf dem Planeten Erde geprägt.
"Hätte der zweite Dinosaurier links von dem großen Cycadeenbaum nicht zufällig geniest und wäre ihm deshalb nicht der winzige, spitzmausähnliche Vorfahre aller Säugetiere entwischt, keiner von uns wäre heute hier. Wir können uns selbst als etwas höchst Unwahrscheinliches betrachten. Und doch sind wir – Triumph des Rückblicks – da."
Viele Zufälle bestimmten auch das Leben von Richard Dawkins: Seine Kindheit in Afrika, seine Jugend in englischen Privatschulen, seine Studienzeit in Oxford und seine Entwicklung zum nimmermüden Streiter für ein naturwissenschaftlich geprägtes Weltbild. Manchmal arrogant und besserwisserisch, immer aber engagiert, geistreich und voller Fragen. Zum Beispiel: Wie erklärt man einem Kind, dass der Weihnachtsmann gar nicht existiert?
"Wie viele Schornsteine müsste er erreichen, um bei allen Kindern der Welt seine Geschenke abzuliefern? Wie schnell müsste sein Rentier fliegen, damit es bis zum Weihnachtsmorgen überall war? Sag dem Kind nicht rundheraus, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Ermutige es zu der unbestechlichen Gewohnheit, skeptische Fragen zu stellen."
Natürlich geht es auf den über 700 Seiten dieser Autobiographie mit dem Titel "Die Poesie der Naturwissenschaften" auch um Richard Dawkins große Bücher. "Das egoistische Gen" bereicherte bereits 1976 die Debatte um die biologische Evolution. Den Menschen und alle Lebewesen stellte er darin als bloße Vehikel dar – benutzt von egoistischen Genen, um sich selbst zu verbreiten. "Der Gotteswahn" ist eine Abrechnung mit dem Schöpfungsglauben und der Religion – für den Atheisten Richard Dawkins nicht mehr als irrationale Entgleisung des Intellekts. Mit seinen provokanten Thesen erreicht Dawkins ein Millionenpublikum. In seiner Autobiographie verzichtet er auf jede Polemik und rückt manches zurecht.
"Erst nach Erscheinen von "Das egoistische Gen" hielten Kritiker wie auch Bewunderer die Idee plötzlich für revolutionär. Für mich war sie das zu jener Zeit nicht."
Ein streitbarer Gelehrter alter Schule blickt zurück auf sein Leben. Er lässt naturwissenschaftliche und philosophische Debatten der Vergangenheit wieder auferstehen. Nicht revolutionär, aber lesenswert.
Zielgruppe
All die, die den ewigen Skeptiker Richard Dawkins bereits kennen und ihn mögen, und die immer noch mehr über ihn und von ihm erfahren wollen.
Erkenntnisgewinn
Liebe zur Naturwissenschaft und zur Poesie können gemeinsam oder wenigstens nebeneinander das Leben bereichern.
Spaßfaktor
Ganz ohne spitze Feder verströmt dieser Dawkins eine anregende Gelassenheit. Viel Lesestoff für ruhige Winterabende.
"Die Poesie der Naturwissenschaften" - Autobiografie von Richard Dawkins. Aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Vogel. 736 Seiten für 38 Euro.