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"Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat"

Adam Rutherford erklärt in seinem neuen Sachbuch, was unsere Gene über uns verraten - und warum wir alle Nachfahren von Karl dem Großen sind. Dabei räumt der Wissenschaftsjournalist mit verbreiteten Missverständnissen wie der Idee eines genetischen Stammbaums auf. Denn alle Menschen seien miteinander verwandt.

Rezension von Michael Lange |
    Im Vordergrund: Cover des Buches "Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat. Was unsere Gene über uns verraten", im Hintergrund das Modell einer DNA.
    "Ein unterhaltsam geschriebenes Sachbuch für alle, die bereit sind zu akzeptieren, dass auch in den Adern anderer Menschen königliches Blut fließt." (Rowohlt / Imago)
    Der Genetiker und Wissenschaftsjournalist Adam Rutherford erzählt auf über 400 Seiten "Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat". Und das ist nicht übertrieben. Denn die Genetik verbindet jeden von uns mit allen Menschen, die heute leben, und mit vielen, die vor uns lebten. Dabei räumt Rutherford mit vielen gängigen Vorurteilen und Missverständnissen rund um die Genetik auf. Schnell wird klar: Das Bild vom Stammbaum, wie in der Ahnenforschung üblich, ist irreführend. Genetiker drehen den Stammbaum um. Sie gehen nicht von einem Stammvater aus, sondern sie schauen von uns aus in die Vergangenheit zu unseren Vorfahren.
    "Sie haben zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern und so weiter. Mit jeder weiter zurückliegenden Genration verdoppelt sich die Anzahl Ihrer Vorfahren. Doch diese Zunahme setzt sich nicht uferlos in die Vergangenheit fort. Denn, wenn das der Fall wäre, müsste ihr Familienstammbaum zur Herrschaftszeit Karls des Großen 137 Milliarden Individuen umfassen."
    Die Metapher vom Stammbaum führt in die Irre
    So viele Menschen haben weder damals noch heute gelebt - und selbst wenn man alle Menschen, die jemals gelebt haben, zusammenzählt, kommt man nicht auf so große Zahlen. Daraus folgt: Das oft verwendete Bild vom Stammbaum führt in die Irre. Vielmehr verbindet ein genetisches Netz jeden von uns mit allen Menschen auf der Erde - und auch über Jahrtausende hinweg mit unseren Vorfahren: Bauern, Bettlern und Königen.
    "Sie sind königlicher Abstammung, weil jeder von uns königlicher Abstammung ist. Sie stammen von den Wikingern ab, weil es bei jedem so ist. Sie haben sarazenische, römische, gotische, hunnische, jüdische Vorfahren, weil …. Sie wissen schon warum."
    Fazit: Auf seine Herkunft sollte sich niemand etwas einbilden – oder eben jeder. Letztlich stammen wir von einer kleinen Gruppe von Urahnen ab, die einst in Afrika lebte. Dort liegt der Ursprung der heutigen Menschheit und damit des genetischen Netzes. Das bestätigen Knochenfunde ebenso wie moderne genetische Analysen. Und dann gibt es noch genetische Einflüsse von außen, wie die der Neandertaler. Auch sie sind Teil von uns.
    Keine Hinweise auf Existenz von Rassen
    Belege für nationale Abstammungsmythen oder Rassenschranken finden sich hingegen nicht im Erbgut heutiger Menschen. Klare Grenzen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft haben die Wissenschaftler bei der Erbgutanalyse nirgends gefunden.
    "Daher kann ich aus Sicht des Genetikers voller Überzeugung sagen, dass so etwas wie Rasse nicht existiert. Der Begriff hat keinerlei wissenschaftlichen Wert."
    Auch mit weniger bedeutsamen Mythen räumt Adam Rutherford auf. Dabei sind viele Themen typisch britisch, wie "Jack the Ripper" oder "Richard III."
    Zielgruppe
    Für alle, die bereit sind zu akzeptieren, dass auch in den Adern anderer Menschen königliches Blut fließt.
    Erkenntnisgewinn
    Die Menschheit ist vielfältig und keine Einheit, aber sie bildet eine genetische Fortpflanzungsgemeinschaft.
    Spaßfaktor
    Genetik kann unterhaltsam sein, auch ohne Fakten grob zu vereinfachen oder zu verdrehen.
    "Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat"
    Sachbuch von Adam Rutherford
    Übersetzung aus dem Englischen von Monika Niehaus und Coralie Wink
    Verlag Rowohlt Polaris, 464 Seiten, 16,99 Euro