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Auslieferung von Wikileaks-Gründer abgelehnt
"Großartiger Tag für Assange, aber nicht für die Pressefreiheit"

Ein Londoner Gericht hat die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA abgelehnt - und für Erleichterung bei seinen Anhängern gesorgt. Es gibt aber auch Kritik an der Urteilsbegründung. Die Pressefreiheit werde nicht gestärkt, sagte Investigativjournalist Holger Stark im Dlf.

Holger Stark im Gespräch mit Michael Borgers / Text: Isabelle Klein |
Ein Unterstützer von Wikileaks-Gründer Julian Assange steht am 14.09.2020 mit einem "Free Juaian Assange"-Plakat vor dem the Central Criminal Court, the Old Bailey, in London
"Free Julian Assange" forderten Demonstranten während des Prozesses gegen den Journalisten in London (dpa / picture alliance / AP / Matt Dunham)
Julian Assange werde wegen der Haftbedingungen, die ihn in den Vereinigten Staaten erwarteten, nicht ausgeliefert, teilte das Gericht mit. Die Richterin Vanessa Baraitser wies in ihrem Urteil auch auf den labilen Gesundheitszustand Assanges hin. Er leide unter Autismus, klinischer Depression und habe ein erhöhtes Risiko, sich selbst zu verletzen. Es bestehe die Gefahr eines Suizids.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich Unterstützerinnen und Unterstützer Assanges versammelt, um seine Freilassung zu fordern. Der 49-Jährige war zuletzt in einem Hochsicherheitsgefängnis in London inhaftiert.
Im Fall einer Verurteilung hätten dem 49-jährigen gebürtigen Australier in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Die amerikanische Justiz wirft Assange vor, IT-Systeme der US-Regierung gehackt und geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben.
Menschen demonstrieren in Großbritannien für die Freiheit von Julian Assange und gegen eine mögliche Auslieferung in die USA.
Zehn Jahre "Iraq war logs" - Wie Wikileaks zum Staatsfeind wurde
Wikileaks hat vor zehn Jahren Tausende Dokumente veröffentlicht, die Kriegsverbrechen der USA im Irak-Konflikt belegen sollen. Die USA wollen den Gründer der Plattform, Julian Assange, wegen Geheimnisverrat vor Gericht stellen.

Parlamentarier-Aktion für mehr Aufmerksamkeit für Assange

Die fraktionsübergreifende Bundestagsarbeitsgemeinschaft "Freiheit für Julian Assange" zeigte sich erleichtert, darunter die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Margit Stumpp. "Die Ablehnung der Auslieferung von Assange in die USA ist angesichts seines schlechten Gesundheitszustands folgerichtig und ein wichtiger Meilenstein im Wikileaks-Fall", sagte Stumpp gegenüber @mediasres.
Julian Assange verlässt den Westminster Magistrates Court, wo er zu einer Anhörung zum Auslieferungsgesuch der USA für den Wikileaks-Gründer erschien (13.1.20)
Eine der seltenen Aufnahmen von Julian Assange - hier im Januar 2020 auf dem Weg zu einer Anhörung (Dominic Lipinski/PA Wire/dpa )
Eine Auslieferung hätte für Journalistinnen und Whistleblower bedeutet, "dass sie jederzeit befürchten müssen, dass eine ausländische Macht in den europäischen Rechtsraum Durchgriff hat und sie aufgrund ihrer investigativen Arbeit bedroht würden", so die Grünen-Politikerin. Damit wäre der Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit in Europa aus ihrer Sicht nicht mehr gewährleistet gewesen, Journalisten und auch ihre Informantinnen wären damit bedroht gewesen.
Stumpp kritisiert außerdem eine fehlende Positionierung seitens der Bundesregierung zum Thema. "Deswegen haben wir uns über die Fraktionen hinweg zusammengeschlossen. Die einzige Möglichkeit für uns als Parlamentarierinnen ist es, für solche Fälle Aufmerksamkeit zu erregen, Öffentlichkeit zu schaffen, und auf diesen Missstand aufmerksam zu machen." Neben Stumpp hatten Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, FDP und Linken vor dem Urteil an die britische Regierung appelliert, im Falle einer Auslieferung einzugreifen.

Kritik an der Urteilsbegründung

Auch der Investigativjournalist Holger Stark sprach im Deutschlandfunk von Erleichterung nach dem Urteil. Er ist Ressortleiter Investigation und Recherche bei der "Zeit" und dort auch Mitglied der Chefredaktion. Mit dem Journalisten Marcel Rosenbach hat er 2011 das Buch "Staatsfeind Wikileaks: Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert" veröffentlicht.
Es sei ein "großartiger Tag für Assange", so Stark, "aber ein nicht ganz so großartiger Tag für die Pressefreiheit".
Konkret kritisiert Stark die Urteilsberündung von Richterin Vanessa Baraitser: "Was mir Sorgen macht, ist, dass die Richterin im Urteil immer wieder sagt, Assange habe sich mitschuldig gemacht, dass er eine Rolle eingenommen habe, die über den investigativen Journalisten heinausgehe", so der "Zeit"-Investigativ-Chef. Er hätte sich eine andere Bewertung gewünscht, sagte er im Dlf.
Julian Assange
Dossier (imago / Zuma Press)
Diese Kritik vertritt auch die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Nach Ansicht von RSF-Geschäftsführer Christian Mihr hatte die Richterin das Verfahren nicht als ein politisches gewertet: "Das lässt eine Hintertür offen für die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten weltweit, die geheime Informationen von großem öffentlichen Interesse veröffentlichen, wie es Assange getan hat."
Unterstützerinnen und Unterstützer von Assange hatten immer wieder vor einer politischen Verfolgung gewarnt. Hierfür sah das Gericht keine Anzeichen und hob im Urteil die gesundheitlichen Bedenken in den Vordergrund. "Zeit"-Journalist Holger Stark hält es für möglich, dass "wenn es Assange besser geht, eine Auslieferung wahrscheinlicher wird".
Eine Unterstützerin von Julian Assange hält vor ihrer Brust ein Schild, auf dem das Gesicht von Assange zu sehen ist. Der Mund von Assange ist auf dem Bild mit einer US-amerikanischen Flagge zugeklebt. Darunter steht auf dem Plakat "Free Assange" ("Befreit Assange").
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Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International schlossen sich der Urteilsbegründung ebenfalls nur teilweise an. So hätte die Anklage gar nicht erst erhoben werden dürfen, so Nils Muiznieks, Europa-Direktor von Amnesty International.
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, dankte der Richterin für ihr Urteil.
Im Dezember hatte Melzer in einem offenen Brief an den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump gebeten, den Wikileaks-Gründer zu begnadigen und zu rehabilitieren, der seit mehr als zehn Jahren "Ungerechtigkeit, Verfolgung und Demütigung ausgesetzt" sei, "nur weil er die Wahrheit sagt".
Die USA kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Am Mittwoch (06.01.2020) will das Londoner Gericht über eine Freilassung Assanges auf Kaution entscheiden.