Angela Merkel hat sich noch nicht zu einer weiteren Kandidatur geäußert, obwohl einige Unionspolitiker schon Signale Richtung "Wiederwahl" senden. Auch Andreas Rinke, politischer Chefkorrespondent bei der Nachrichtenagentur Reuters, sieht klare Anzeichen für eine erneutes Antreten:
"Mein Eindruck in den letzten Wochen ist, dass sie tatsächlich eine vierte Kanzler-Kandidatur vorbereitet. Ich finde, sie hat in den letzten Wochen verschiedene Signale gegeben, dass sie erneut antritt, unter anderem, in dem sie sich eine klare Agenda setzt, die fünf bis zehn Jahre in die Zukunft reicht."
Das sei bei zentralen Themen wie der Digitalisierung und der Wirtschaftspolitik zu beobachten, meint Rinke. Die Autorin und Politikwissenschaftlerin Julia Schramm glaubt ebenfalls, dass Merkel noch einmal antritt, um ihr politisches Vermächtnis zu retten. Hinzu kommt: Einen potenziellen Nachfolger in der Union sieht Schramm nicht.
"Erschöpfungszustand" verhindern
Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, ist skeptischer: "Ich schließe aus den letzten Wochen nicht unmittelbar, dass sie noch mal antritt. Es gibt zwar keinen Fluch, der auf der vierten Legislaturperiode liegt, aber die letzten Jahre bei Kohl waren nicht sehr dynamisch."
Um diesen "Erschöpfungszustand" zu verhindern, plädiert Korte für Amtszeitbegrenzungen und die Erweiterung der Legislaturperioden. Für eine Übergangsphase kann sich der Politikwissenschaftler Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Kanzler vorstellen.
Im Schloss Bellevue wird ebenfalls ein Platz frei
Bisher ist auch kein potenzieller Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck in Sicht. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat für das Amt vor einigen Tagen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ins Spiel gebracht, der sich dazu bisher zurückhaltend geäußert hat. Politikwissenschaftler Korte weist noch mal daraufhin, dass es bisher kein klares Nein von Steinmeier gab. CSU-Kenner und Journalist Ernest Lang meint:
"Die CSU ist von dem Vorschlag Steinmeier gar nicht begeistert. Die Kanzlerin muss in Vorleistung gehen und jemanden vorschlagen, auch vor dem Hintergrund, dass die Bundespräsidentenwahl die Startrampe für die Bundestagswahl im kommenden Jahr ist. Und man unterstellt Gabriel hier auch eine gewisse Taktik."
Julia Stramm sieht in Gabriels Vorstoß ebenfalls einen taktischen Schachzug und kein Bekenntnis zu einem potenziellen rot-rot-grünen Bündnis; das würde einen gemeinsamen Kandidaten voraussetzen.
Schramm plädiert unter anderem für eine grüne Kandidatin: "Als erfahrene Politikerin fällt mir Claudia Roth ein, die sehr überzeugend und sehr klar gewisse Werte vertritt. Ich würde mir wünschen, dass es endlich mal eine Frau wird."
Es diskutierten:
- Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
- Ernest Lang, Journalist
- Andreas Rinke, politischer Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters
- Julia Schramm, Autorin und Merkel-Expertin