Jasper Barenberg: Am Telefon ist Markus Frohnmaier, Bundestagsabgeordneter der AfD. Schönen guten Tag, Herr Frohnmaier.
Markus Frohnmaier: Guten Tag. - Hallo!
Barenberg: Ich würde mal gerne zitieren, was Sie über Twitter geschrieben haben zu den Ereignissen in Chemnitz: "Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selbst – ganz einfach." Und, weiterhin Zitat: "Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende Messermigration zu stoppen." – Bleiben Sie bei dieser Einschätzung der Entwicklung und der Situation dort?
Frohnmaier: Ja! Was ich gemacht habe: Ich habe einfach nur die Situation in Deutschland beschrieben. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht davon lesen können, dass es zu Messergewalt in Deutschland kommt, und ich habe versucht zu beschreiben, dass Medien, aber auch Politik sich dann nicht wundern müssen, wenn Menschen von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, und natürlich auch das Bedürfnis bei Menschen steigt, sich selber zu schützen vor solchen rechtswidrigen Angriffen auf ihr Leib und Leben.
Barenberg: Sie sind für Selbstjustiz in Deutschland?
Frohnmaier: Nein, überhaupt nicht. Da verdrehen Sie jetzt mir die Worte im Mund.
"Ich bin dafür, dass Menschen sich selber schützen und verteidigen dürfen."
Barenberg: Ich versuche es nur zu verstehen.
Frohnmaier: Ich bin dafür, dass Menschen sich selber schützen und verteidigen dürfen. Das ist was völlig anderes wie Selbstjustiz. Natürlich muss sich ein Bürger gegen rechtswidrige Angriffe schützen dürfen, und was ich beschreibe ist einfach nur, was wir in Deutschland mittlerweile erleben können. Schauen Sie sich nur die Steigerungsraten von Messergewalt an. Wir haben hier eine Zunahme von Messerdelikten alleine 2017 von 20 Prozent, und es bereitet offensichtlich den Medien und der Politik dann großes Verständnis, Schwierigkeiten nachzuvollziehen, warum Bürger aufgebracht sind, auf die Straße gehen. Selbstjustiz und Gewalt lehne ich natürlich ab, aber es muss in Deutschland möglich sein, nicht nur für linke, sondern auch für normale Bürger, von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen.
Barenberg: Herr Frohnmaier, wenn Sie das so kommentiert haben und jetzt auch dabei bleiben, was Sie über Twitter veröffentlicht haben, dann wüsste ich gerne, was Sie sich darunter vorstellen, wenn Sie sagen, die Menschen haben ein Recht, sich selber zu schützen. Verstehen Sie darunter das, was wir an Bildern gesehen haben, einen Mob, der durch die Straßen in Chemnitz zieht und Migranten oder Menschen, die sie für Migranten halten, angreifen und attackieren?
Frohnmaier: Nein. Selbstschutz oder auch das Recht auf Notwehr ist ein Individualrecht. Das hat nichts mit teilweise chaotischen Bildern zu tun, die wir hier gesehen haben. Das ist etwas, das ich ablehne. Es geht darum, dass sich Bürger in Deutschland doch einfach aufgrund dieser Ereignisse, die wir immer wieder erleben können, diese Messerattacken, selber schützen - im Übrigen auch passiv, indem man einfach bestimmte Gegenden meidet, ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr rausgeht. Wir haben in Deutschland mittlerweile sogar spezielle Unterwäsche, die vor Vergewaltigung schützen soll.
Das sind alles Dinge, die wir erleben - übrigens schon seit Köln, dass zum Beispiel vereinzelt Pfefferspray und ähnliche Selbstverteidigungsmittel ausverkauft waren, weil der Bürger zunehmend das Gefühl hat, dass der Staat die Kontrolle verliert. Das ist etwas, das auch wirklich mit derart viel Besorgnis beobachtet werden muss. Der Staat und auch hier die Politik muss entsprechend darauf reagieren. Der Bürger muss endlich wieder angemessen geschützt werden.
Barenberg: Herr Frohnmaier, in Chemnitz ist es ja so, dass nach dieser schweren Straftat, bei der ein Mann an seinen Verletzungen gestorben ist, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es sind zwei Verdächtige festgenommen worden. Wo versagt da nach Ihrer Meinung der Rechtsstaat? Wo erkennen Sie das in diesem Fall?
Frohnmaier: Na ja. Ich glaube, dass man schon einen Zusammenhang zwischen Migration, die Massenmigration, die wir in den letzten Jahren erlebt haben durch die Grenzöffnungen, und der Zunahme von Messerdelikten und Gewalt in Deutschland erleben können. Wir können feststellen, dass die PKS [Polizeiliche Kriminalstatistik Anm. d. Red.] im Bereich der Gewaltkriminalität angestiegen ist. Auch die Messerdelikte - ich hatte es vorhin gesagt - sind im Bundesgebiet um 20 Prozent gestiegen.
"Der Staat muss die Grenzen in Deutschland entsprechend schützen"
Barenberg: Sie haben ja gesagt, der Rechtsstaat erfüllt seine Pflichten nicht, die Menschen zu schützen.
Frohnmaier: Ich habe gesagt, der Staat.
Barenberg: Ja, der Staat. In diesem Fall sind das ja die Ermittlungsbehörden in Sachsen. Sie haben das als Vorwurf formuliert, der Staat schützt seine Bürger nicht mehr. Wo an diesem Punkt schafft der Staat das denn nicht und erfüllt nicht seine Aufgaben? Das habe ich noch nicht verstanden?
Frohnmaier: Der Staat muss erst mal wieder dafür sorgen, dass wir wissen, wer sich in Deutschland aufhält. Der Staat muss die Grenzen in Deutschland entsprechend schützen. Wir haben bis heute die Situation, dass man nicht darüber Bescheid weiß, wer sich in Deutschland alles aufhält.
Viele Menschen, die im Zuge der Asyl- und Migrationskrise gekommen sind, wurden nicht entsprechend registriert. Das gibt die Bundesregierung auch unbenommen zu. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dieser illegalen Massenmigration und der Gewaltzunahme, die wir in Deutschland erleben können. Das zeigen auch die Statistiken. Und hier versagt der Staat!
Im Übrigen müsste man das mal angemessen evaluieren. Das ist ja auch ein Grundproblem. Wir haben das Problem, dass in der PKS - und die AfD hat das auch gefordert - zum Beispiel Messerdelikte und die Herkunft der Täter gar nicht gesondert ausgewiesen werden muss.
Barenberg: Herr Frohnmaier, wo Sie jetzt ein ums andere Mal die PKS, die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik erwähnen und da eine große Zunahme konstatieren, da würde ich Ihnen entgegenhalten, dass die Grundtendenz der jüngsten PKS, der Statistik sagt, dass die Gewalt zurückgegangen ist, alles in allem. Und ich würde auch Ihnen entgegenhalten, was Ausländer angeht oder Asylsuchende, jedenfalls Menschen mit ausländischen Wurzeln, dass dort die Kriminalitätsneigung oder die Auffälligkeit genauso groß oder klein ist wie bei jungen deutschen Männern etwa. Wo sehen Sie da eine Zunahme?
Frohnmaier: Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist im Bereich der Vermögensdelikte zum Beispiel zurückgegangen. Das hat auch damit zu tun, dass es entsprechende Reaktionen in Österreich gab. Aber wenn Sie sich den Bereich Gewaltkriminalität anschauen, Straftaten gegen Leib und Leben, dann können wir hier eine Zunahme erkennen, und über die muss natürlich gesprochen werden. Insofern ist die Darstellung nicht ganz richtig.
Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, können Sie den bitte noch mal wiederholen?
Barenberg: Ich wollte mit Ihnen über die Kriminalitätsstatistik reden und Ihnen entgegenhalten, dass die Faktenlage eigentlich nur hergibt, dass Zuwanderer ebenso wie junge deutsche Männer polizeilich in Erscheinung treten, nämlich acht Prozent, dass es da keinen Unterschied gibt.
Frohnmaier: Das würde ich so nicht sagen. Wir können zum Beispiel uns anschauen, dass elf Millionen Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, fast 38 Prozent aller Straftaten in Deutschland begehen, wenn man das ins Verhältnis setzt, und das sind natürlich Werte, die sind erstaunlich. Dafür gibt es in der Kriminologie entsprechende Erklärungsansätze. Aber es lässt sich nicht meiner Meinung nach leugnen, dass wir in Deutschland ein Problem mit Gewalt haben, die insbesondere von jungen Männern, die hier nach Deutschland migriert sind, auch im Zuge der Asyl- und Flüchtlingskrise angekommen sind, verübt wird.
Man muss in Deutschland wieder an den Punkt kommen, wo über die Opfer und die Täter gesprochen wird und nicht, wie wir das jetzt im Zuge dieser Debatte erleben, über irgendwelche Twitter-Posts von Politikern oder Menschen, die von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Sie beteiligen wie viele andere Medien auch an einer Verschiebung der Debatte, und das ist wirklich nicht unbedingt zielführend, weil sich die Opfer und auch Teile der Gesellschaft nicht ernst genommen fühlen.
"Mir kann niemand erzählen, dass wir in den 90er-Jahren Zustände wie heute hatten"
Barenberg: Sie bleiben dabei? Das was seit Tagen in Chemnitz auf den Straßen zu sehen ist, das ist für Sie das gute Recht der Menschen dort, von ihrem Recht der Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen?
Frohnmaier: Dass es dort vereinzelt natürlich auch Bilder gibt, die unschön sind, oder dass es zu Zwischenfällen kommt, die ich natürlich ablehne, immer dann, wenn Gewalt etc. mit im Spiel ist, völlig klar. Aber pauschal zu sagen, dass die Menschen, die dort von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, fast schon kriminalisiert werden sollen, so wie die Medienberichterstattung abläuft - da wird ja von "überall Rechte" etc. geschrieben -, das lehne ich ab.
Dort sind auch viele anständige Bürger, die einfach besorgt sind, besorgt über die Politik der Bundesregierung, die dafür gesorgt hat, dass dieses Land so unsicher ist wie lange nicht mehr. Mir kann niemand erzählen, dass wir in den 90er-Jahren Zustände wie heute hatten. Wir brauchen mittlerweile auf Großveranstaltungen Beton-Poller. Wenn ich hier aus meinem Bürofenster rausschaue, dann steht da unten auch ein Beton-Poller. Zumindest während der Fußball-Weltmeisterschaft gab es die. Das Sicherheitsgefühl in Deutschland, und nicht nur das Gefühl; wenn Sie sich die Statistik anschauen im Bereich der Gewaltkriminalität, die hat zugenommen, und daran muss gearbeitet werden. Darüber muss diskutiert werden und nicht darüber, ob irgendein Tweet von jemandem missverständlich war oder nicht, …
Barenberg: Sie halten den selber für missverständlich, Ihren Tweet?
Frohnmaier: Das sagen Sie ja. Ich bin der Auffassung, dass mein Tweet klar ist. Ich habe gesagt, ein Bürger muss sich selber schützen können und hat das Recht auf Versammlung. Ich habe mit keinem Wort darüber gesprochen, dass ich Selbstjustiz und Ähnliches begrüße. Im Gegenteil, das lehne ich ab.
Barenberg: Die Expertin in dem Beitrag hat ja gerade die Menschen dort in Chemnitz, die den Ton angeben, sage ich mal, für hochgradig gewaltbereit und auch gewalterfahren bezeichnet. Was sagen Sie dazu?
Frohnmaier: Das kann ich nicht bewerten. Ich kann nur bewerten, was ich von Kollegen vor Ort erfahren habe, die an der Demonstration teilgenommen haben. Dort wurde mir berichtet, dass es in großen Teilen auch friedlich abgelaufen ist. Da wären, glaube ich, die richtigen Ansprechpartner unsere sächsischen Kollegen, die entsprechend vor Ort waren.
Mir ging es bei meinem Tweet vor allem darum, ganz grundsätzlich zu beschreiben, was wir in Deutschland mittlerweile für ein Problem haben. Ich kann keinen Morgen mehr die Zeitung aufschlagen oder ans Handy gehen, ohne darüber zu lesen, dass irgendwo jemand mal wieder mit einem Messer entsprechend malträtiert worden ist. Das sind Entwicklungen, die ich früher, als ich in den 90ern aufgewachsen bin, so nicht erlebt habe, und da muss was dagegen getan werden und dafür setzt sich die AfD auch ein.
Barenberg: Markus Frohnmaier, der Bundestagsabgeordnete der AfD, heute hier live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
Frohnmaier: Sehr gerne! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.