Die Gewaltexzesse der Polizei gegen mehrheitlich friedliche Demonstranten in Bukarest haben auch rumänische Künstler entsetzt. Mit großer Beunruhigung beobachtete der Schriftsteller Filip Florian den Ausbruch der Gewalt. In Deutschland wurde er mit seinen Romanen "Kleine Finger" und "Alle Eulen" bekannt.
"Es ist schwer, sich fernzuhalten und ruhig zu bleiben, wenn man sieht, was gerade passiert. Zu dem brutalen Einsatz der Polizei gegen weitgehend friedliche Demonstranten kam es, weil einige unserer Politiker nicht nur um ihre Macht fürchten. Vor allem fürchten sie um ihr Monopol auf bestimmte Geschäfte und den Zugriff auf die rumänischen Staatsfinanzen."
Tatsächlich demonstrieren die Rumänen seit etwa anderthalb Jahren auf dem Universitätsplatz fast permanent gegen korrupte Politiker und Parlamentarier. Auch Filip Florian ging immer wieder auf die Straße. Das Vorgehen der Polizei erinnert ihn sehr an die Mineriade von 1990. Damals ließ der amtierende Präsident Iliescu Bergarbeiter aus dem Schiltal holen, um protestierende Studenten brutal zusammenzuknüppeln.
"Die Unzufriedenheit über die Politik ist riesig"
"Ein solches Vorgehen ist inakzeptabel für jeden anständigen Menschen. Unzufriedenheit und Verzweiflung über die gegenwärtige Politik, die Einschränkung der Freiheit der Justiz sind in der Bevölkerung riesig. Ich empfinde ein fast physisches Gefühl des Ekels. Denn die politischen Parteien in Rumänien sind in Wirklichkeit keine politischen Parteien mehr. Sie sind zu Gruppen von Geschäftsleuten mutiert, die in ihrer Struktur sehr der Mafia ähneln."
Auch wenn es im Moment wieder ruhig in der Hauptstadt ist - schon morgen können die Proteste wieder aufflammen, meint der in ganz Rumänien bekannte Schauspieler Marius Manole. Er solidarisierte sich öffentlich mit den Demonstranten.
"Es ist mir schwergefallen, mich den Protesten anzuschließen. Ein Schauspieler gehört auf die Bühne und sollte kein politischer Aktivist sein. Aber das gilt nur für ein normales Land. Nicht für ein Land, in dem Politiker über Nacht Gesetze erlassen, die ihren persönlichen Interessen dienen. Aber genau in so einem Land leben wir. Und alles, was geschieht, betrifft ja auch uns, die Künstler. Wie wichtig den Menschen unser Wort ist, haben wir Künstler eigentlich erst in diesen Tagen verstanden, die wir mit allen gemeinsam auf der Straße verbracht haben."
Die Regierung versucht alles auszusitzen
Öffentlichkeitswirksam hatte Marius Manole, gemeinsam mit anderen Schauspielern, eine Petition unterzeichnet. In ihr wird das Parlament aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen, dass es vorbestraften Tätern verbietet, politische Ämter zu bekleiden. Davon, sagt Liliana Corobca, gebe es im rumänischen Parlament gleich mehrere. Die Soziologin und Schriftstellerin ist sich nicht sicher, wie die Politik auf die jüngsten Kundgebungen reagieren wird. Im Moment, so meint sie, versuche die Regierung alles auszusitzen und einfach zu schweigen. Corobca glaubt nicht, dass die jüngsten, zum ersten Mal durch junge, europäisch gesinnte Diaspora-Rumänen organisierten Proteste, etwas ändern werden.
"Als ehemalige Forscherin über Diaspora und Exil muss ich feststellen, dass die rumänische Diaspora keine Führungspersönlichkeit hat. Das war während des Kommunismus anders. Viele Intellektuelle verließen das Land, und einige von ihnen bildeten sogar eine Exilregierung. Ich finde es zwar großartig, dass die Auslandsrumänen die Proteste unterstützen. Aber egal wie gerechtfertigt ihre Forderungen sind - wenn sie keine realen Lösungen vorschlagen, führen die Proteste ins Nichts."
Der Schriftsteller Filip Florian stimmt dem zu:
"Meine Hoffnung ist, dass eine dritte und neue politische Kraft auftaucht, die nicht durch die Seilschaften der Gegenwart kontaminiert ist. Wir brauchen eine politische Alternative, die in keinerlei Komplizenschaft mit der gegenwärtigen Macht steht."
Filip Florians Fazit: Das Hauptproblem der Rumänen sei, das alle nur protestieren wollen. Niemand aber sei bereit, Verantwortung für eine solche politische Alternative zu übernehmen.