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Außerirdisches Astronauten-Heim
Ein Haus für den Mars

Geophysikerin Christiane Heinicke hat ein Test-Wohnheim für künftige Mond- und Marsmissionen entwickelt. Das soll mehr leisten, als nur das bloße Überleben der Astronauten zu sichern, sagte sie im Dlf. "Die sollen dort auch leben, sich wohlfühlen. Dann können sie auch produktiv arbeiten."

Christiane Heinicke im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Simulierte Marsstation auf Hawaii, das Projekt "Hawaii Space Exploration Analog and Simulation" (HI-SEAS) wird von der Weltraumagentur Nasa und der Universität Hawaii betrieben
Geophysikerin Christiane Heinicke lebte selbst 2015/2016 in einer Mars-Simulation (HI-SEAS) auf Hawaii in diesem Habitat, ihre Erfahrungen flossen in das neue Modul mit ein (dpa/NASA HI-SEAS)
Lennart Pyritz: Sollten irgendwann Menschen zum Mars reisen, werden sie dort auf eine spezielle Unterkunft zum Wohnen und Arbeiten angewiesen sein – ein sogenanntes Habitat. Wie so eine außerirdische Bleibe aussehen könnte? Daran hat die Geophysikerin Christiane Heinicke vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, kurz ZARM, der Universität Bremen in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet.
Ein Demomodul wurde jetzt in einer kleinen Laborstudie getestet. Über die Erfahrungen mit dem Projekt "Moon and Mars Base Analog (MaMBA)" habe ich vor der Sendung mit Christiane Heinicke gesprochen. Meine erste Frage war: Was muss so ein Wohn- und Arbeitsmodul für eine Langzeitmission auf dem Mars leisten?
Christiane Heinicke: So ganz grundsätzlich muss ein Habitat natürlich dafür sorgen, dass die Astronauten auf dem Mond beziehungsweise dann später auf dem Mars überleben können. Dieses Habitat muss die Astronauten vor der Weltraumstrahlung schützen, es muss die vor den Vakuumbedingungen schützen, es muss die vor den Temperaturschwankungen schützen.
Darüber hinaus ist es nicht einfach nur eine technische Anforderung, also die Astronauten sollen ja nicht nur überleben, sondern die sollen dort auch leben, das heißt sich wohlfühlen, aber nur, wenn sie sich wenigstens einigermaßen wohlfühlen, dann können sie auch produktiv arbeiten.
Lichter ändern Farbe nach Tagesrhythmus
Pyritz: Da geht es also auch um so was wie Farben, Formen, eine Art von Gemütlichkeit oder Wohlfühlatmosphäre vielleicht auch? Ich will jetzt nicht nach der Tapetenfarbe fragen.
Heinicke: Genau, es ist eben nicht nur ein rein technisches Projekt, sondern wir haben auch Architekten mit im Team, die sich eben genau mit der Frage auseinandersetzen, was kann man dann in dieser technischen Umgebung tun, um das einigermaßen wohnlich zu gestalten? Eine Sache, die recht wichtig ist, ist, das Ganze so gut es geht flexibel zu halten, sodass man, ich sag mal, auf der Erde wäre das vergleichbar mit, man kann mal seine Möbel umstellen. Also es muss dann so gestaltet sein, dass man die Einrichtung dort verändern kann.
Die Lichter, die Lampen, die sind so ausgelegt, dass sie die Farbe nach dem Tagesrhythmus, also ähnlich wie das Sonnenlicht, auch verändern, dass in der Früh meinetwegen das Licht etwas bläulicher ist und zum Nachmittag etwas rötlicher, etwas wärmer. Das sind dann so Kleinigkeiten, die dazu führen, dass man nicht in dieser sterilen Umgebung sich befindet oder dass das nicht so bemerkbar wird.
Die Geophysikerin Dr. Christiane Heinicke
Geophysikerin Christiane Heinicke arbeitet seit zwei Jahren an einem Wohn- und Arbeitsmodul für eine Langzeitmission auf dem Mars (dpa/Thomas Schulze)
Pyritz: Sie haben ja 2015/2016 selbst mit fünf Kolleginnen und Kollegen an einer Mars-Simulation auf Hawaii teilgenommen, bei der Sie ganz isoliert in einem Habitat gelebt haben, das Sie nur mit Raumanzug verlassen durften. Inwieweit fließen Ihre Erfahrungen aus dieser Zeit jetzt auch mit in das aktuelle Projekt ein?
Heinicke: Zum einen hat dieses Projekt überhaupt dazu geführt, dass ich mich jetzt damit beschäftige, wie so ein Wohnraum überhaupt aussehen muss. Das Habitat, in dem wir gelebt haben, das war zwar für die Studienzwecke ausreichend, aber es ging ja um eine psychologische Studie, darum, wie sich die Gruppendynamik entwickelt. Aber aus technischer Sicht – also das Habitat wäre so auf dem Mars oder auf dem Mond auch überhaupt nicht einsetzbar.
Und dann auf Hawaii, in diesem Habitat, wir hatten zum Beispiel einen Aufenthaltsraum, in dem war die Decke fünf bis sechs Meter über dem Boden. Das klingt erst mal nach Platzverschwendung, aber diese hohe Deckenhöhe hat dazu geführt, dass wir uns nicht eingeengt gefühlt haben. Und das zum Beispiel versuchen wir in unserem Habitat-Konzept auch umzusetzen, also gerade dort, wo die Crew sich dann trifft, um zu essen, da ist dann die Decke tatsächlich fünf Meter über dem Boden, und da hat dann die Crew hoffentlich auch ein bisschen mehr das Gefühl von mehr Raum einfach.
Ausgelegt für maximal vier Personen
Pyritz: Sie haben in Bremen jetzt in einer Laborhalle eine Demoversion dieses neu entwickelten Mars-Moduls aufgebaut. Können Sie mal beschreiben, wie das aussieht – von außen, von innen, welche Abmaße das hat?
Heinicke: Genau. Also von außen ist es erst mal ein aufrecht stehender Zylinder, der ist im Durchmesser außen etwas über fünf Meter und von der Höhe knapp sieben Meter. Innen ist es so, der ist in zwei Stockwerke aufgeteilt. Der Innendurchmesser ist 4,40 Meter, und der ist so ausgelegt oder es ist so ausgestattet, dass dort ein Labor eingerichtet ist, es sind da verschiedene Racks oder Laborschränke mit wissenschaftlichen Geräten drin. Und es ist im Moment so gedacht, dass dort drei bis maximal vier Personen gleichzeitig drin arbeiten können.
Das Lichtkonzept, was wir uns überlegt hatten, ist dort zum Teil schon umgesetzt. Wir haben da LED-Paneele, die ihre Farben ändern können, die auch die Lichtintensität ändern können.
Pyritz: Wie nah kommt denn diese Demoversion dieses Wohnmoduls einem, das tatsächlich auf dem Mars stehen und überdauern könnte?
Heinicke: Von der technischen Ausstattung haben wir im Moment zurückgesteckt. Uns geht es primär erst mal darum, die Geometrie, das architektonische Design zu validieren. Von den Maßen her stimmt das schon ganz gut überein, nur wie gesagt, von der technischen Umsetzung, da ist jetzt noch ganz viel Spiel. Und das wollen wir jetzt auch in der Zukunft angreifen und umsetzen, dass wir da zum einen einen Druckbehälter tatsächlich hinsetzen und hoffentlich in den nächsten Jahren auch ein Lebenserhaltungssystem dort integrieren, sodass man dann wirklich dieses Modul abschließen kann und eine Crew dort reinsetzen kann, die dann nicht ständig rauskommen muss oder, sagen wir mal so, bei der die Klimaanlage nicht einfach die Umgebungsluft von außen ansaugt und nach innen bläst.
Pyritz: Sie haben dieses Probemodul jetzt auch von sozusagen Testbewohnern untersuchen lassen. Wie genau ist das abgelaufen, welche Daten haben Sie dabei gesammelt?
Heinicke: Wir hatten zwei Teams, die jeweils eine knappe Woche Experimente in diesem Modul durchgeführt haben. Das heißt, die haben sich vorher überlegt, wie Experimente auf dem Mond oder auf dem Mars stattfinden können, wie die aussehen könnten, und haben diese Experimente dann auch durchgeführt. Für uns war dann insbesondere interessant, wie die sich in einem Labor bewegen und ob die mit der Laborausstattung gut klarkommen, also weniger die Experimente selbst, sondern eben wie die Experimente durchgeführt wurden.
Pyritz: Und was waren da die Ergebnisse? Was für Bedürfnisse oder auch vielleicht was für Wünsche bei diesen Testteams deutlich geworden?
Heinicke: Das große, für uns wichtige Ergebnis ist natürlich, dass die Crew gesagt hat, ja, mit drei Personen ist das wunderbar, hier drin zu arbeiten, selbst mit vier Personen kann man hier arbeiten, wenn man sich gut miteinander abstimmt. Ansonsten sind die Ergebnisse vor allem, wir haben viele Verbesserungsvorschläge bekommen, und wir hatten noch einige Experimente – zum Beispiel eins: Wir hatten eine künstliche Intelligenz oder vielmehr einen Sprachassistenten, der die Crew auch unterstützen sollte, und da ist für uns die eigentliche Frage, was die Anforderungen an solche eine Sprachassistenz sein müssten. Und da hat uns die Crew eben auch viele Informationen gegeben, so wie sie diesen Sprachassistenten genutzt haben, was da so für Anfragen kamen.
Pyritz: Der könnte dann zum Beispiel gefragt werden, wie ist das Mars-Wetter oder spiel mir einen bestimmten Musiktitel.
Heinicke: Genau. Der könnte dann eben zum Beispiel die Wettervorhersage vorlesen oder der könnte logistische Fragen beantworten, von wegen, wie viel Zeit haben wir noch, wann ist die Mittagspause meinetwegen, oder was ist beispielsweise die Löslichkeit von Chemikalie XYZ, also verschiedene Optionen, wo so ein Assistent das Leben viel einfach machen kann.
Erst Erde, dann Mond, dann Mars
Pyritz: Die nächsten Schritte des Projekts haben wir eben schon kurz skizziert. Wenn wir dann sozusagen den ganz großen Wurf wagen: wann könnte dann das erste Modul dieser Art auf dem Mars installiert werden?
Heinicke: Da sind natürlich noch eine ganze Reihe von Zwischenschritten zu erledigen. Zum einen, ich glaube, bevor man irgendein Modul Richtung Mars schickt, sollte man sowieso auf dem Mond erst mal eine Station bauen. Wenn auf dem Mond irgendwas schiefgeht, dann kann ich innerhalb von wenigen Tagen im Prinzip Ersatzteile schicken, auf dem Mars dauert das mindestens ein halbes Jahr, eher noch deutlich länger. Und bevor ich auf dem Mond etwas aufbaue, sollte eine vollständige Station hier auf der Erde erst mal aufgebaut und getestet werden.
Von der Größenordnung, ich sag mal, wenn Geld nicht das Problem wäre und auch die politischen Entscheidungen zügig getroffen würden, dann wären aus technischer Sicht bis zum Mars, denke ich, so 15 bis 20 Jahre realistisch. Aber wie gesagt, es ist ja nicht nur eine technische Frage, sondern da müssen ja noch ganz andere Entscheidungen mit getroffen sein, die da mit einfließen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.