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Ausstellung "Artige Kunst" in Bochum
"Mit Ideen auseinandersetzen, nicht im Keller verstecken"

Die Ausstellung "Artige Kunst" in Bochum stellt systemkonforme Kunst der NS-Zeit der damals als entartet bezeichneten Kunst gegenüber. Damit wolle er auch die Verlogenheit des Nationalsozialismus und der Kunst, die ihn repräsentierte, verdeutlichen, sagte der Kurator Alexander von Berswordt im Deutschlandfunk.

Alexander von Berswordt im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Der nationalsozialistische Führer Adolf Hitler (r) und der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels (M), besuchen 1937 die Ausstellung "Entartete Kunst" im Münchner Haus der Kunst. Während des Dritten Reiches wurden auf der Grundlage der Rassentheorie unzählige moderne Kunstwerke von den Nationalsozialisten als "artfremd", bzw. "entartet" angesehen und beschlagnahmt oder zerstört. Eine Auswahl der Werke wurde 1937 in München ausgestellt.
    Der nationalsozialistische Führer Adolf Hitler (r) und der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels (M), besuchen 1937 die Ausstellung "Entartete Kunst" im Münchner Haus der Kunst. (picture-alliance / dpa / Ullstein)
    Stefan Koldehoff: Die Ruhruniversität Bochum, an der lange der legendäre Kunsthistoriker Max Imdahl gelehrt hat, besitzt eine eigene Kunstsammlung. Das ist für eine Hochschule keine Seltenheit. In Bochum gibt es dafür aber einen eigenen Ort jenseits des Campus, die "Situation Kunst (für Max Imdahl)", und dort finden eigene Ausstellungen statt. Theorie und Praxis Hand in Hand also. In der kommenden Woche eröffnet dort eine Ausstellung mit dem Titel "Artige Kunst", und in der geht es einmal mehr um die Kunstpolitik des Nationalsozialismus. Wie so oft bei diesem Thema gibt es auch diesmal im Vorfeld Verwerfungen. Gezeigt werden sollen nämlich sowohl exemplarische Werke der offiziell geduldeten und geförderten Kunst als auch solche von Künstlern, die als "entartet" verfemt und verfolgt wurden.
    - Alexander von Berswordt ist Kurator der Ausstellung und ihn habe ich gefragt: Warum schon wieder Gegenüberstellung? Die Gefahr ist doch immer, dass die systemkonforme Kunst durch das Zeigen im Museum aufgewertet wird. Und in der alphabetischen Aufzählung zu lesen: Max Beckmann, Arno Breker, Otto Dix – tut Ihnen das nicht weh?
    Alexander von Berswordt: Wenn das einfach so flach daher käme, wie Sie das vorlesen, täte mir das auch weh. Das versuchen wir, in der Ausstellung anders darzustellen. Und wenn Sie sie sehen werden, bestätigen Sie das hoffentlich. Es ist ja nicht alphabetisch hier hingehängt, wir hängen nicht Breker mit Beckmann einfach zusammen, weil die im Alphabet aufeinanderfolgen, sondern hier finden Dialoge statt. Hier werden deswegen Kunstwerke der bildenden Künstler aus der Gegenposition zum Nationalsozialismus, die sogenannten "Entarteten", Zukunftswerken der "Artigen", wie wir sie nennen, der systemkonformen Künstler gezeigt, damit man die einmal versteht. Denn wo sollte man das denn gesehen haben, Herr Koldehoff? Diese Werke, die wir zeigen - ich will nicht mal von Kunstwerken unbedingt sprechen -, sind überwiegend noch nie gezeigt worden, nach dem Krieg jedenfalls nicht. Die waren exportiert in die USA von den Amerikanern nach dem Krieg, kamen zurück und verschwanden in den Depots konzentriert einiger Museen. Niemand hat sie je gesehen. Das alleine hätte uns nicht genügt, weil da würde ich Ihnen Recht geben: Die würden aufgewertet in so einer Einzigstellung. Und es wäre auch ein Risiko, dass Menschen, die nicht vorgebildet sind im Bereich bildender Kunst, die sogar besser oder schön fänden. Diese Gegenposition, dieser Disput, diese Auseinandersetzung, die im Gegenüberstellen stattfindet, die ist das, was eigentlich, glaube ich, zeigt, was diese Kunst ist, nämlich harmlos, uninteressant und eigentlich kaum Kunst. Max Imdahl hat es einmal "Unkunst" genannt. Wir tun das - und ich glaube, das ist erstmals, und man kann das in Farben nennen; da leben wir aber gerne mit - auf der Basis der historischen Realitäten. Das heißt, neben den Kunstwerken zeigen wir auch Fotografien vom Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo Menschen in Massen umgebracht wurden. Wir zeigen zerstörte Städte und wir zeigen vor allen Dingen auch die Verlogenheit des Nationalsozialismus und der Kunst, die ihn repräsentierte, indem wir eines versuchen, bewusst zu machen: Bildende Kunst hat sich seit jeher eigentlich, da wo sie ernsthafte Kunst war, um Wahrhaftigkeit bemüht. Diese Kunstwerke, diese Künstler zeigen, dass dieses Bemühen aber auch gar nicht stattfindet, sondern dass Dinge gezeigt werden, Landarbeiter, pflügende Bauern, Bauern beim Essen, beim Frühstück mit sechs, sieben, neun blonden blauäugigen Kindern, mit Pusteblume und Hundchen dabei und dergleichen mehr, während gleichzeitig Menschen umgebracht worden in millionenfacher Zahl in den Konzentrationslagern. Es kann nicht sein nach unserer Überzeugung, dass ernsthafte Künstler auf der Basis eines solchen täglichen Alltags derartige Bilder herstellen. Das wollen wir bewusst machen. Und dann braucht man das vielleicht auch nicht mehr im Museum. Aber bis man zu diesem Schluss kommen kann, muss man es mal sehen können.
    Koldehoff: Herr von Berswordt, München und Berlin sind die zentralen Kunstorte der Nationalsozialisten gewesen. Hätte die Ausstellung nicht eigentlich auch dorthin gehört?
    von Berswordt: Auseinandersetzung ist wichtig
    von Berswordt: Die Museen, die wir angefragt haben, in München wie Berlin haben das abgelehnt. Daraufhin haben wir uns andere Partner gesucht und haben die dann zum Beispiel in Rostock gefunden, aber auch in Regensburg gefunden. Dass Rostock interessant ist, leuchtet eigentlich sofort ein, wenn wir wissen, was da wieder an rechtsextremer Aktualität passiert. Bei Regensburg ist es ein bisschen anders: Die sind eingesprungen für Wroclaw, früher Breslau in Polen. Dort war eine Zusage zur Zusammenarbeit vorhanden. Aber die dortige Museumsdirektorin wurde entlassen von der neuen polnischen PiS-Regierung, von der rechtsgerichteten Regierung, und hat uns dann gesagt, dass alle Projekte, auch dieses Projekt abgesagt wurden. Die Begründung, warum diese Ausstellung in Wroclaw nicht gezeigt werden sollte, war nicht etwa, weil darin Werke nationalsozialistisch akzeptierter Künstler waren, sondern weil diese kritisch gezeigt werden. Und das muss man sich mal überlegen in der heutigen Zeit in Polen. Und gleiches passiert in der Türkei, mit einem Präsidentschaftskandidaten Trump in den USA, einer Kandidatin Marine Le Pen in Frankreich, bei uns natürlich mit dem Erstarken der rechtsnationalen Tendenzen. Nur würden wir sagen sollen, lasst diese Parteien nicht in die Landtage oder in den Bundestag, weil es zu gefährlich ist? Das tun wir auch nicht und das tun wir aus guten Gründen nicht, weil wir uns nur dann mit diesen Ideen auseinandersetzen können, wenn wir sie vor uns haben. Und nicht, wenn wir sie im Keller verstecken.
    Koldehoff: Alexander von Berswordt über die Ausstellung "Artige Kunst" ab kommender Woche in Bochum.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.