Es beginnt ganz sakral, mit einer Kapelle, wo ein Bacon-Bild eines schreienden Papstes einem Giacometti-Kopf gegenübergestellt ist - mit einer sehr langen, aus einem Stahlgerüst herausragenden surrealen Nase. Der Plastiker Giacometti nutzt, ganz ähnlich wie der Maler Bacon, immer wieder eine Art Käfig, um den Raum zu definieren, aber auch, um die Abhängigkeit der darin befindlichen Figur – von inneren und äußeren Zwängen – sichtbar zu machen. Und Bacons brüllende Päpste im durchsichtigen Kubus, nach Velazquez gemalt, sind Gefangene ihrer selbst, ihrer Macht, ihrer Kreatürlichkeit.
Die Ausstellung endet mit einer filmischen Gegenüberstellung der beiden Ateliers: Giacomettis ärmliche und kalte Garage in Paris, vollgestopft mit in Arbeit befindlichen Figuren und Skizzen; und Bacons schmales, messie-artig vermülltes Refugium in London mit Pinsel-Batterien und Farb-Probenmischungen an der Wand. Wahrscheinlich war auch die Unordentlichkeit eine große Gemeinsamkeit der beiden, sagt Kurator Ulf Küster:
"Sie waren beide extrem anspruchslos, haben beide in sehr engen Ateliers gearbeitet. Die so Denkhöhlen gewesen sind. Bacon war wirklich sehr unordentlich, er sagt ja auch "Chaos breeds images", aus dem Chaos kommen die Bilder. Aus dem Chaos!"
Bilder wie Brutalitätsorgien
Aus dem Chaos kommen dann sehr aufgeräumte Bilder, leere, flächige Räume in quietschenden ironischen Popfarben, in deren Zentrum dann diese ineinander verknäuelten, blutigen Leiber stehen, liegen, sich begatten und bekämpfen. Auch die Köpfe, die Portraits sehen bei Bacon ja alle so aus, als habe ein Boxer gerade einen Schlag abbekommen, das schon zerstörte, fragmentierte Gesicht fliegt nochmals zur Seite, verbogene Wangen, zerknautschte Nasen schauen uns lakonisch an – auch das Bildnis der Isabel Rawsthorne, die Bacon mit Giacometti bekannt machte, ist eine einzige Brutalitätsorgie. Und man weiß nicht recht, ob es nun die Gewalterfahrungen der Moderne oder schlicht des Lebens sind, die sich da spiegeln, oder der Hass auf die anderen und auf sich selbst – Bacons Selbstportraits sind ja genauso.
Bei Giacometti ist das natürlich ganz anders. Wo Bacon laut schreit, in quasi-barocker wüster Opulenz, sind Giacomettis Gestalten stumm, still, schmal verdichtet, reduziert, dünn wie KZ-Überlebende. Bacon ist bunt, Giacometti grau. Bei Bacon gibt es die Fülle des geschundenen Fleisches, bei Giacometti den Stahl, die Bronze, den Gips, den tastenden Versuch, der dann in einer entschlossenen Form endet. Und doch nie zum Ziel kommt. Das selbstquälerische Scheitern ist bei Giacometti ebenso Programm wie bei Bacon; man muss sich dem Gegenstand, dem anderen, immer wieder neu, immer obsessiver annähern, das fertige, das gültige Bild wäre auch das Ende der Kunst…
"Sie sind immer wieder gescheitert. Sie haben immer wieder von Neuem anfangen müssen, um das richtigere Bild und einen neuen Zugang zu haben."
Der Mensch nach dem Zweiten Weltkrieg: Eine Bankrotterklärung
Deshalb sieht man in der Fondation Beyeler auch ganze Serien dieser verstümmelten Bacon-Gesichter und Batterien von schmalen Giacometti-Leibern – einmal, in einem langen Raum, hat Bacon eine Wand für sich, gegenüber stehen kleine Giacometti-Köpfe und Figurinen im Schaufenster. Hier die physische Leidensgeschichte der Menschheit, dort die Erfahrung, sich existentialistisch klein, zweifelnd und ungenügend zu fühlen. Später werden die zerklüfteten Büsten von Giacomettis Ehefrau Anette, der der Künstler in lebenslanger Hassliebe ausgeliefert war, mit einem blutigen Orestie-Triptychon Bacons konfrontiert.
Der gelungenste Saal dieser phantastisch inszenierten Ausstellung ist gestaltet wie eine Piazza: in der Mitte begegnen sich Giacomettis verletzliche "Femmes de Venise", eine Gruppe von Frauen, die er 1956 für die Venedig-Biennale gegossen hat; weiter hinten "L’homme qui marche", der schreitende Mann, als Arbeits-Gips und als Bronze, und riesige schmale Frauenkörper. Der Mann ist in Bewegung, die Frau ist eine hohe Frau, letztlich wie im Minnelied. An den Wänden Bacons Triptychen, also säkularisierte Altarbilder: Erinnerungen an den toten Geliebten George Dyer, der sich selbst umbrachte, und ineinander verknautschte Leiber, in aggressiver Erotik einsam verbunden. Der Mensch nach dem Zweiten Weltkrieg, eine Bankrotterklärung. Aber inszeniert ist das wie eine heilige Messe, übersichtlich und schön, wie eine Wiederauferstehung.