Zwei große, elektrisch angetriebene Räder drehen sich unaufhörlich und ziehen den Ausstellungsbesucher direkt in den Bann. Zwei fantasievolle Gebilde, die so auch in einer Tinguely Schau zu sehen sein könnten, und auf den ersten Blick nicht in eine Architekturausstellung passen wollen. Es ist diese Mischung aus Architektur und künstlerischer Arbeit, die fast alle Exponate von "Studio Mumbai" innehaben. Einige davon sind sogar genauso empfindlich wie teure Kunstwerke. Sie müssen zwar nicht hinter Glas, aber doch hinter einer Wand, verborgen werden. Zu sehen sind sie nur durch kleine Gucklöcher, erklärt Yorck Förster, Kurator der Ausstellung.
"Das sind freie Lichtskulpturen, Drahtskulpturen mit Dioden- Draht, die sind inspiriert von den Jahrmärkten in Mumbai. Wir haben da am Ende so eine Slide Show, wo sie ein paar Bilder von Jahrmärkten sehen können und das war so eine Untersuchung von Studio Mumbai, wie kann man eigentlich daraus skulpturale Arbeiten entwickeln. Und weil wir so viel Licht haben, mussten wir daraus so eine Black Box bauen."
Neben den feingliedrigen Drahtgestellen finden sich Miniaturmöbel, kleine Holzfiguren, Kacheln in zahlreichen Farbvarianten, die in ihrer Inszenierung an archäologische Funde erinnern. Außerdem: Zahlreiche Modelle der verschiedenen Häuser, die Bijoy Jain mit seinem Büro "Studio Mumbai" schon gebaut hat. Darunter das preisgekrönte "Palmyra Haus", das inmitten einer Kokosnussplantage liegt. Eine schattenspende Ferienoase mit Blick auf die arabische See.
"Hier haben sie ein Arbeitsmodell zu dem Aufbau des Treppenhauses da drin. Im Zentrum ist dann noch mal dieser kleine Pool gelegen. Es ist wirklich ein traumhaftes Haus und natürlich mit dieser Lage und dem Klima da unten, können sie auf bestimmte Ausbaudetails verzichten. Und das ist eine grandiose, elementare Architektur."
"Sehnsucht nach den wirklichen Dingen"
Wohnhäuser und Lebensräume von denen die heimatsuchenden Hipster der "Generation Manufactum"träumen. Wie etwa das "Leti Haus", ein Luxus Ressort, bei dem man einen 360 Grad Blick auf den Himalaja hat oder das "9 Rooms House", ein Flachbau mit Begegnungsräumen, aus Lehm und Holzlamellen.
"Ja vielleicht ist es auch ein bisschen so diese Sehnsucht, an die die Ausstellung und die Exponate, rühren. Diese Sehnsucht nach den wirklichen oder realen Dingen. Wir wissen alle, dass wir in so einem Zwiespalt leben, dass wir auf der einen Seite die Möglichkeiten, die Optionen von der Technik schätzen und tagtäglich erleben, auf der anderen Seite gibt es immer so eine Sehnsucht nach den soliden Dingen, nach den wahren Dingen."
Der Traum vom einfachen Leben lässt sich in Indien leichter verwirklichen. Die Handwerker sind nicht teuer und beherrschen noch traditionelle Techniken. Denn "Studio Mumbai" verwendet ausschließlich natürliche Materialien und setzt auf Nachhaltigkeit, ohne die Moderne außer Acht zu lassen. So beispielsweise beim zentralen Ausstellungsstück in Frankfurt: Ein beeindruckendes, mehrstöckiges Holzgebilde, das an eine Pagode erinnert, erklärt Direktor Peter Cachola Schmal:
"Es ist so eine Art Rattangewinde, was die Knoten ausmacht. Dann kommt der Lehm, indischer Lehm, der trocknet und den Knoten festklebt. Und die Idee ist davon nicht ursprünglich die Art von pavillonartiger Installation, sondern."
Förster:
"Es ist im Prinzip ein Kenotaph und die Pointe ist: am Ende werden die im Wasser versenkt. Und im Wasser löst sich der Lehm auf und damit zerfällt das Ganze in viele kleine Stöckchen, die dann davon treiben."
Projekte entstehen über Kommunikation
Baupläne, Schnitte, Zeichnungen, wie sie sonst in Architekturausstellung typisch sind, gibt es jedoch nicht: Denn die Handwerker können solche Pläne häufig nicht lesen, deswegen arbeiten Bijoy Jain und seine "Studio Mumbai"- Kollegen mit so genannten Mock Ups, eins zu eins Attrappen der späteren Gebäude.
"Das hat viel damit zu tun, dass die Projekte in der Kommunikation über Modelle entstehen; und da geht es eher um die Figuration, wie sich die einzelnen Baukörper - das heißt bei Häusern Hofhäusern -, wie die sich um den Hof, in der Topgrafie orientieren, wie die Höhenlagen sind."
Die Architektur passt sich aber nicht nur dem Ort, sondern auch dem Klima an. Der Monsun verwäscht häufig die Fassaden, verwischt das Weiß. Das farbenfrohe Indien findet sich aber umso stärker im Innenbereich. Mehr als "50 shades of green" kennen die Farbkompositeure von Studio Mumbai.
"Wenn Farbe so im Leben ist, dann wird daran differenziert gearbeitet, wir sind im Bereich grau besser aufstellt."
"Studio Mumbai"-Häuser sind, so die Ausstellungsmacher, Lebensräume für den gehobenen Mittelstand mit Anspruch. Hierzulande sind sie jedoch unbezahlbar und aufgrund des Klimas wohl auch unbewohnbar. Wer die Ausstellung in Frankfurt besucht, beginnt allerdings, von genau solchen Häusern zu träumen. Von lang gestreckten Gebäuden mit maximal einem Obergeschoss, eingerichtet mit selbst entworfenen Holzmöbeln und der ganzen Farbpalette der Natur. - So könnte Wohnen 3.0 aussehen, zumindest in Gegenden mit viel Platz. Leider nicht im Ballungsraum Großstadt.