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Ausstellung "Concrete Delusion"
Fakten und Mythen aus Beton

Grau, billig, schnell hochgezogen und "brutal" hässlich: Das Image des Betons ist eher schlecht - und doch entstehen Gebäude, die den Baustoff zur Schau stellen. Die Ausstellung "Concrete Delusion" in Düsseldorf zeigt die Geschichte und Zukunft des Betons - und ein bröckelndes Beispiel in Berlin.

Von Peter Backof |
    Die Ruinen von Beton auf einer Wiese. Pflanzen überwuchern die abgebrochenen Säulen und Steine.
    Ruinen aus Beton sind ein Motiv, das den Berliner Künstler Manuel Schroeder interessieren. ("Concrete Delusion_DA_LV_1554", Copyright/Courtesy of Manuel Schroeder, 2018)
    Manuel Schroeder: "Wir präsentieren dieses Material ausgehend von seinen Ursprüngen in Steinbrüchen, über Produktionsprozesse, Zerkleinerungsprozesse, künstlerische Ideen und schwerpunktmäßig bis hin zum Verfall des Materials, im öffentlichen Raum. Ein wunderbares Beispiel haben wir in der Hauptstadt: der berühmte Flughafen, also der BER."
    Der Berliner Künstler Manuel Schroeder, der für die Ausstellung "Concrete Delusion" sein Fotoarchiv geöffnet hat. Der BER – ein kapitales Projekt, das schon beim Bau Ruine wird. Überhaupt: Auch Beton verfällt im Lauf mehrerer Jahrzehnte. Trotzdem entstehen immer mehr Bauten mit Betonkern oder -fundament. Ganz einfach, weil das Material relativ billig ist. Der Umgang mit Beton spielt deshalb zunehmend eine Rolle. Was wird zum Beispiel aus Projekten, die in den 1960er-, 70er-Jahren als freundliche Utopie für neues Wohnen, neues Miteinander gemeint waren?
    Beton, der zerbrechlich wirkt
    Manuel Schroeder: "Da sind ganze Trabantenstädte hochgezogen worden. Wir kennen Köln-Chorweiler, Bonn-Tannenbusch ..."
    "... wir kennen die Kunsthalle Düsseldorf, ein großes Betonprojekt!", meint Gertrud Peters, die Leiterin der "Kunst im Tunnel", wo " Concrete Delusion" ausgestellt wird: "Da müssen pausenlos Dinge erneuert werden, das ist nicht alles so ´fest wie Beton´, das zerbröckelt auch wieder."
    Und sieht auf vielen Fotos in der Ausstellung zerbrechlich aus. Starke Kontraste in Schwarzweißfotos von Schottergruben, Mahl- und Gießwerken betonen dies. Beton im engeren Sinn gibt es seit der Weltausstellung 1832 in Paris, erfährt man in der informativen Ausstellung. Ein Millionär der damaligen Zeit stellte sich eine Brücke aus Beton in seinen Garten und wollte wissen: "Hält das?"
    "Nein, 'die große Täuschung', meint Manuel Schroeder, "die Sicht von heute, im öffentlichen Raum, das sind die Bildbeispiele da vorne: Pflanzen können mit ihren Wurzeln in das Material hinein."
    Die Fotos von Manuel Schroeder verleihen dem spröden Stoff und seinen Bauten beinahe etwas Poetisches. Wie die Tempelanlagen von Angkor Wat: Steinernes im tiefsten Dschungel. Beton gilt gemeinhin nicht als besonders schön. Darüber hinaus gibt es aber noch andere Gründe für sein schlechtes Image.
    Futuristische Formen
    Manuel Schröder: "Im Grunde hat es immer mit der Architektur der Macht zu tun; weil, von dort aus gibt es auch die Lizenzen für den Bau in der Stadt. Es sind eigentlich fast immer große Projekte."
    Der in die urbane Landschaft gerammte Großklotz, mit dem Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg als das abschreckende Paradebeispiel. Oder Satellitenstädte der Nachkriegszeit, die heute größtenteils leer stehen: Neben der Ästhetik seien es vor allem politische und gesellschaftliche Aspekte, die den Beton verunglimpft haben, betont Schroeder. Eine besondere Entdeckung in seiner Fotostrecke sind Aufnahmen aus Lettland und Weißrussland: Architekturen, die gar nicht so kantig brutal daherkommen, sondern fantasievoll verspielt sind.
    Manuel Schroeder: "Wenn man zum Beispiel nach Riga fliegt, sieht man im Umfeld ganz viele Skelette und Gerippe aus Beton. Das sollten eigentlich mal prachtvolle Einkaufszentren werden."
    Liebeserklärung an den Beton
    Eben gerade nicht Planwirtschaftsruinen des ehemaligen Sowjet-Machtbereichs, sondern Bauten, die aufgrund halbherziger Investitionen im Rahmen der EU-Erweiterung nicht fertig geworden sind. Futuristische Formen, die sich über Steinbauten mit historisierenden Fassaden erheben. Die Ausstellung eröffnet neue Perspektiven und versteht sich als Plädoyer, ja sogar als Liebeserklärung: Beton - als synthetischer Stein – ist vielfältiger als gedacht. Papierbeton zum Beispiel kann in 3D-Druckern verarbeitet werden und entsorgt dabei Müll. Lichtbeton lässt über eingearbeitete Fasern Licht durchscheinen.
    Trotzdem ist der Beton in der Wertschätzung ein Sonderling geblieben und versteckt sich hinter Fassaden. Manuel Schroders Antwort: Auch sichtbarer Beton an Außenfassaden ist schön: Befreit den Beton! Und - noch einmal Manuel Schroeder - "Es darf auch bröckeln. Dann wird eine neue Ästhetik in den Raum gebracht."