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Ausstellung "Das Glück in der Kunst"
Expressionismus und Abstraktion um 1914

Aktmalereien, Briefvignetten, Figurenkompositionen: Die Ausstellung "Das Glück in der Kunst" in der Kunsthalle Bielefeld widmet sich Werken des westfälischen und des süddeutschen Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts. Unter anderem des jungen Bielefelder Malergenies Hermann Stenner.

Von Carsten Probst |
    "Unter den jungen deutschen Künstlern waren vergleichsweise viele Opfer", schreibt Uwe M. Schneede in seinem bedrückend-eindrucksvollen Katalogbeitrag zu dieser Ausstellung. Der Kunsthistoriker und ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle zählt psychische Geschädigte und Tote auf: Max Beckmann, der nach einem Jahr an der Front einen Nervenzusammenbruch erlitt. George Grosz wurde in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, ähnlich wie Ernst Ludwig Kirchner, der als "dienstuntauglich" in ein Sanatorium verlegt wurde.
    August Macke, der den Ausbruch des Ersten Weltkriegs wie viele andere Künstler noch begrüßt hatte, fiel früh, schon im September 1914. Hermann Stenner, einer der begabtesten und jüngsten Maler aus dem Kreis der Schüler von Adolf Hölzel, von dem hier in der Bielefelder Ausstellung zahlreiche eindrucksvolle Werke zu sehen sind, starb ebenfalls schon Ende des Jahres 1914 in Polen, im Alter von 23 Jahren. Viele weitere Namen ließen sich aufzählen: Franz Marc zum Bespiel oder Wilhelm Morgener.
    Der junge Bielefelder Hermann Stenner zählt zu den Schlüsselpositionen des Hölzel-Kreises und auch der Sammlung des Unternehmers Hermann-Josef Bunte, die hier in der Bielefelder Kunsthalle erstmals in großer Breite vorgestellt wird. Hölzel hatte zu den Mitbegründern der Münchner und der Wiener Secessionen gehört, hatte schon einige Jahre vor Kandinsky abstrakte Kompositionen gemalt und einen Kreis aus Schülern und Mitstreitern begründet, dem unter anderen die jungen Oskar Schlemmer, Willi Baumeister, Max Ackermann, Ida Kerkovius, Johannes Itten und eben auch das junge Malergenie Hermann Stenner angehörten.
    Hermann-Josef Bunte hat vor Jahrzehnten damit begonnen, Werke aus diesem jungen Hölzel-Kreis zu sammeln, dem ein beträchtlicher Teil des westfälischen und des süddeutschen Expressionismus entsprungen ist. Und so stößt man heute auch eine höchst unterhaltsame und überraschende Auswahl von Frühwerken - etwa auf jene auf rotschwarzen Stuckmarmor hauchdünn aufgetragene Aktmalerei von Willi Baumeister aus dem Jahr 1927 oder eine noch viel frühere impressionistische Parkanlage des selben Malers von 1910.
    Man stößt auf halb dadaistisch anmutende Briefvignetten von Hölzel selbst, auf Studienblätter von Ida Kerkovius oder Oskar Schlemmer, auf die allesamt die reizvolle Entdeckung zutrifft, dass sie die Künstler zeigen, bevor sie zu Namen der Kunstgeschichte wurde, und sich in diesem frühen Stadium mit den Bildern anderer konfrontieren lassen, die heute vergessen sind.
    Unweigerlich aber fällt der Blick immer wieder auf die meist eher kleinformatigen Malereien Hermann Stenners, nicht nur, weil sie an Zahl die anderen in dieser Ausstellung bei weitem übertreffen, sondern vor allem, weil sich in ihnen eine rasante Entwicklung zwischen verschiedenen Stilen abzeichnet. Auch wenn manche seiner Bilder wie Studien wirken, dokumentieren sie doch, dass Stenner mit einigen schnellen Strichen und Schwüngen ganze Bildräume erschließt.
    Seine "Rhythmische Figurenkomposition" von 1913/14 ist womöglich nicht mehr als eine Skizze, aber Ocker-Rot-Gelbtöne fügen sich in den angedeuteten figürlichen Formen derart selbstverständlich zu einer zugleich abstrakten Komposition zusammen, sodass sich der frühe Einfluss Kandinskys offenbart. Die überlängten, zackenhaften Körperformen seiner Szene "Die Grabrede" von 1914 erinnern an einen virtuos adaptierten Ernst Ludwig Kirchner.
    Stenner nimmt im Verlauf seiner nur wenige Jahre währenden künstlerischen Schaffenszeit zahlreiche Stile auf, impressionistische, futuristische Einflüsse, Cézanne und van Gogh lassen sich erahnen, auch Adolf Hölzels erdige Landschaftsmalerei, die so merkwürdig mit seinem avantgardistischen Werk kontrastierte. "Er wäre einer der besten Maler Deutschland geworden, wenn nicht der sinnlose, verbrecherische Krieg seine Opfer geholt hätte", sagte Willi Baumeister über Hermann Stenner, dem ein Platz neben den Werken August Mackes und Franz Marcs gebührt. Erstaunlich genug, dass er durch diese Ausstellung noch immer "zu entdecken" ist.