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Ausstellung des Künstlerduos Korpys/Löffler
"Nicht schlecht ist die Welt, sondern voll“

Das Bremer Künstlerduo Korpys/Löffler hinterfragt, wie Wirklichkeit in Medien produziert wird und wie sich Staatsmacht inszeniert - am Beispiel der Europäischen Zentralbank oder des Bundesnachrichtendienstes. Ihre Methode: Dinge beobachten, die ganz randständig sind und die scheinbar keinen Informationswert haben.

von Peter Backof |
    Korpys/Löffler, Verwisch die Spuren, 2016, Videostill, Courtesy by the artists and Meyer Riegger Berlin/Karlsruhe © (Korpys/Löffler) VG BILD-KUNST Bonn, 2018 (www.bildkunst.de) /// Im Rahmen der Ausstellung „Korpys/Löffler ‐ Personen, Institutionen, Objekte, Sachen“ HMKV im Dortmunder U, 26. Mai – 23. September 2018
    Korpys/Löffler: "Verwisch die Spuren" - wie sich die Staatsmacht inszeniert (HMKV (Hartware MedienkunstVerein)
    Man nehme: ein Foto von einer bekannten Person, generiere einen Content und eine Schlagzeile und fertig wären vielleicht die Fake News: Das Künstlerduo Korpys und Löffler macht genau das nicht, Falschmeldungen verbreiten. Aber was die Digitalisierung mit uns macht, vom Copy and Paste-Verfahren in Fotos, Romanen, Doktorarbeiten, bis hin zu alternativen Wahrheiten und Deutungen, daran arbeiten sie sich seit 20 Jahren ab. Korpys und Löffler sind in den letzten Jahren auf Ausstellungstour durch Deutschland. Sie konzipieren ihre Reihe mit dem Titel "Personen, Institutionen, Objekte, Sachen" – benannt nach der Datenbank "PIOS", die das BKA in den 70er Jahren zur Terorismusbekämpfung eingerichtet hat - immer punktgenau ortsspezifisch und aktualisiert. Zur sehen im Hartware MedienKunstVerein Dortmund.
    Von einem gemütlichen Kinosessel im "Hartware MedienKunstVerein" Dortmund aus kann man sich die Ereignisse noch einmal ansehen. Rohmaterial, das nie in Nachrichtenmagazinen im Fernsehen lief. Nicht die ganze, aber doch die erheblich erweiterte Wirklichkeit des Besuchs von Barack Obama bei Joachim Gauck in Berlin 2013 und vom G20-Gipfel, Hamburg 2017. Die Künstler Andree Korpys und Markus Löffler hatten sich wie Journalisten für die Staatsbesuche akkreditiert.
    Andree Korpys: "Uns interessiert die persönliche Besichtigung von Dingen, Orten, Menschen, die wir aus einem medialen Zusammenhang kennen. Das hat ja dieses Historische an sich, dass es einem immer nur von anderen übermittelt wird. Und es ist dann nicht so, dass wir eine alternative Geschichte erzählen."
    Alles von Relevanz
    Es sind keine Fake News - es passiert indes auch noch nicht viel! Das große Warten. Ein Scharfschütze lugt aus einem Fenster, ein kleines Podest wird heran getragen, Kinder üben Fähnchen-Schwenken, eine Flutlichtanlage ist installiert. Für Korpys und Löffler ist "Alles von Relevanz".
    Andree Korpys: ""Diese Methode, Dinge zu beobachten, die nun wirklich ganz randständig sind, von denen man erwartet, dass sie überhaupt keinen Informationswert haben: Dass die Informationen, die den äußersten Rand einer Person beispielsweise bilden, am Aussage-kräftigsten sind, weil die nicht manipuliert werden. Weil die Person über diese Dinge nicht nachdenkt eigentlich."
    "Echokammer" heißt die Videoinstallation in der Schau "Personen, Institutionen, Objekte, Sachen". Die Welt als Content und Kontext beschäftigt das Bremer Künstlerduo seit zwei Jahrzehnten. Die Dortmunder Werk-Schau spiegelt es. Im Raum neben der "Echokammer" ein anderer Staatsbesuch: George W. Bush diesmal, empfing in Deutschland die gleichen militärischen Ehren wie Obama. Bei Trump wäre es nicht anders: da läuft ein Protokoll ab. Personen sind austauschbar, was bleibt, sind Funktionen.
    Konstruktion von Wirklichkeit
    Künstlerisch und medien-philosophisch interessant ist das Spiel von Korpys und Löffler mit Formaten, im technischen Sinn. Ob man mit ihnen - und über Nebeneingänge - die Europäische Zentralbank mit einer Handy-Cam betritt oder mit einer analogen Super8, macht doch einen erheblichen Unterschied; zeigt erneut die Konstruktion von Wirklichkeit. Manche Videos sind so ins Grobe vergrößert, dass der Content ganz augenscheinlich zwischen den Pixeln verloren geht. Ganz zentral im HMKV wird man in einer komplexen Installation - über Spiegelwände – auch selber Teil der Bilder, wie hinein kopiert. So eine Art Über-Ich kommt als Sounddusche von der Decke. Und als Text im Bild.
    "Nicht schlecht ist die Welt, sondern voll. Das hast Du schon sagen hören."
    Markus Löffler: "Das ist so eine Art fiktives Narrativ, oder Dialog, was dann über ´SMS-se´ funktioniert. Ein Teil sind Ausschnitte aus ´Brecht: Lesebuch für Städtebewohner´. Man könnte fast sagen, Handlungsanweisung für Menschen, die in der Moderne aufwachsen."
    Die Welt als Content
    Simsen mit Bertolt Brecht. Er wusste vor fast hundert Jahren schon: die Nachrichten könnten gefaked sein. Medienkompetenz ist am Ende des Tages auch das zentrale Thema von Andree Korpys und Markus Löffler. Oder Alltagstauglichkeit. Originelles Schlussbild. Die Gräber der Aldi-Brüder, Theo und Karl, beide in den vergangenen Jahren verstorben, als trauerschwarze Plakate auf ansonsten quietschbunten Werbeflächen. Als künstlerische Intervention oder Störfaktor. Es ist notwendig, sich auch mal jenseits von Museumsräumen zu positionieren, wenn man wirksam werden möchte, sagt das Künstlerduo, das in der Folge von Joseph Beuys aufgestellt ist: Kunst sollte auch etwas bewirken, im politischen Sinn.
    Andree Korpys: "Den Verkauf von Lebensmitteln so zu organisieren, ist ein interessanter Aspekt, der von der anfänglichen Idee der Albrechts in die Gesamtästhetik der Städte, der Bevölkerung in Deutschland getragen wurde; wie so ein ästhetisches Prinzip, das sich überall finden lässt mittlerweile. Es geht da ja nur um Effizienz, Sparsamkeit, um eine gewisse Art von Schlichtheit."
    Die Welt als Content, Kontext und Discounter-Angebots-Vergleich. "Personen, Institutionen, Objekte, Sachen", gelungen, verblüffend, stellenweise richtig weise.