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Ausstellung
Die Roten Khmer und die Folgen

Als Pol Pots Roten Khmer vor fast 40 Jahren Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh einnahmen, ahnten nur wenige, dass dies der Beginn eines Genozids sein würde. Eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste befasst sich nun unter anderem mit der Verdrängung der grauenvollen Erinnerung - unter Tätern wie Opfern.

Von Carsten Probst | 28.01.2015
    Khvay Samnang, Foto- und Videokünstler aus Phnom Penh
    Khvay Samnang, Foto- und Videokünstler aus Phnom Penh, hat sich an der Ausstellung in Berlin beteiligt. (picture alliance / dpa)
    In Tuol Sleng, dem berüchtigten Foltergefängnis der Roten Khmer in Pnom Penh, befindet sich heute eine Gedenkstätte. Das Wissen um das unendliche Leiden, das dieser Ort gesehen hat, prägt den Eindruck der Räume. Die angedeutete Dokumentation der Gräueltaten durch Hunderte Porträts der einst hier Gefolterten und Ermordeten ist nicht weniger niederdrückend als der Besuch in der Gedenkstätte für ein deutsches Konzentrationslager. Eine 62-teilige Folge von Tuschezeichnungen von Gunther Uecker, wie sie in dieser Ausstellung zu sehen ist, vermittelt hingegen die innere Aufgewühltheit und Erregung des deutschen Künstlers, der sich in Tuol Sleng auch an seine, an die deutsche Geschichte und die Gräuel des NS-Regimes erinnert – aber sonst an nichts. Der Erinnerung wird in diesem Fall nur eine weitere, andere hinzugefügt, der Künstler identifiziert sich mit den Opfern, will ihnen nahe kommen durch seine Kunst und kommt doch nicht über sich selbst, seine Rhetorik hinaus. Günther Uecker brauchte dieses Werk, das wird deutlich – aber wer sonst?
    Westliche Kunst wirkt teilweise aufgesetzt
    Die Fotografien des Kriegsreporter-Veteranen Tim Page hingegen werden ganz offenkundig gebraucht. Seit seine Rolle im Vietnamkrieg von Dennis Hopper in dem Streifen "Apokalypse Now" so stilbildend dargestellt wurde, darf man Page getrost als lebende Ikone seines Faches bezeichnen. Seit den 1990er-Jahren hat der Australier in Kambodscha den Wiederaufbau des Landes nach der Herrschaft der Roten Khmer fotografisch begleitet, und seine Portraits von völlig verarmten Kambodschanern, die im Rahmen eines staatlichen Förderprogramms Landparzellen in entlegenen Regionen zugewiesen bekommen haben, lassen sich als Zeugnisse des nachträglichen Sieges über das Pol-Pot-Regime lesen. Page inszeniert diese Davongekommenen im Stil des Portrait- und Prominentenfotografen Richard Avedon mit scharfen, stark überzeichneten Schwarz-Weiß-Kontrasten und mit den Zeichen ihrer neuen Existenz, mit einer Bananenstaude in der Hand, einer Schere, dem Plastikmobiliar ihrer kargen Hütten, die ihr ganzer Stolz sind.
    Das ist in der Tat berührend, aber es ist zugleich auch eine Kampagne westlicher Regierungen, auch der deutschen, die dieses Förderprogramm unterstützen. Es ist gut, dass diese Staaten das Leid mindern helfen, doch im Vergleich zu den unprätentiösen Arbeiten kambodschanischer Künstler wirken auch Pages Inszenierungen gekünstelt und irgendwie aufgesetzt.
    Der 35-jährige Vandy Rattana dokumentiert scheinbar friedliche Seelandschaften, zuweilen mit durchaus idyllischer Note. Tatsächlich aber zeigen seine Fotografien die mit Wasser vollgelaufenen Erdtrichter, die die amerikanischen B52-Bomber über das Land verteilt haben, es unbewohnbar machten und geschätzt 200.000 Zivilisten dabei töteten. Die tatsächlich katastrophale Folge der US-amerikanischen Bombardements war jedoch der Aufstieg der Roten Khmer.
    Ganz unmittelbar und lakonisch ohne aufgesetzte Gefühligkeit auch das Werk von Khvay Samnang. Er berichtet von der Vertreibung unzähliger einheimischer Familien aus ihren angestammten Wohngebieten durch Investoren aus aller Welt, seit der Wiederaufbau des Landes in Gang gekommen ist. Den Bewohnern werden 8.000 Dollar für ihre Hütten angeboten und 500 Dollar, wenn sie sie auch selber gleich abreißen. Ganze Landstriche wurden entvölkert, einige wenige Betroffene weigerten sich und zogen zu Protestmärschen nach Pnom Penh. Khvay Samnang findet ein eindringliches Symbol für ihre Situation, indem er sich selbst an den betreffenden Orten vor der Kamera mit Schlamm übergießt – ein Akt, der Selbsterniedrigung und Scham ausdrückt und den man niemandem auf der Welt näher erläutern muss.
    Der Dokumentarfilmer Rithy Panh schließlich erzählt in seinem oscarnominierten Film "The Missing Picture" die Verdrängung der grauenvollen Erinnerung an den Genozid unter Tätern wie Opfern anhand seiner eigenen Familiengeschichte.
    Die Ausstellung ist trotz des epochalen Themas leider nur klein geraten, der Platz in den Räumen der Berliner Akademie der Künste ist sichtlich begrenzt. Dabei hätten gerade noch andere künstlerische Positionen aus der Region sicherlich viel mehr zu erzählen gehabt.