Der Marokkaner Marwan erzählt, wie er in seinem Heimatland mit Geflüchteten zusammenlebte, im Wald von Gourougou nahe der Stadt Nador. Hier kommen Menschen aus ganz Afrika hin und bereiten die Flucht nach Europa vor. Sie essen aus dem Müll, bekommen Flöhe und andere Krankheiten und sind dem Rassismus der Einwohner ausgesetzt.
Nur Marwans Stimme ist zu hören, er selbst bleibt unsichtbar. Die Bilder zeigen einfache Landschaftsaufnahmen: das Meer, Büsche, Fahnen im Wind und immer wieder ein kleines Boot.
"So ein nomadisches Hausboot, nennen wir es immer. Wir haben ein provisorisches Hüttchen darauf gebaut, aus einfachen, bunten Mehlsäcken, die in Marokko als große Plastikplanen verkauft werden. Wir haben bewusst ein einfaches Material gewählt, um ein Symbol zu finden, was ganz unterschiedliche Reisegründe und -zustände metaphorisch vereint."
An jedem Ort ein neues Hausboot
Für die Künstler Katrin Ströbel und Mohammed Laouli ist das nomadische Hausboot, das sie nun in Friedrichshafen zu Wasser gelassen haben, ein Symbol für Unterwegssein, Transit, Migration. An jedem Ort bauen Ströbel und Laouli ein neues Hausboot, das soll den Anstoß zu neuen Themen, Protagonisten und schließlich Dreharbeiten geben. Bilder jenseits der Klischees sollen so entstehen - deswegen ist die derzeit so hitzig geführte Flüchtlingsdebatte nur ein Aspekt unter vielen:
"Wir haben uns entschieden, nicht diese Bilder zu liefern, die so leicht zu liefern wären: der Ex-Drogendealer, der frisch abgeschobene marokkanische Migrant und so weiter. In dem Moment, wo man nur die Stimme hat, fallen viele Kriterien weg, nach denen man die Menschen be- oder verurteilt - und man hört einfach nur die Geschichte und lässt sich ganz anders auf den anderen ein."
Mit ihrem Filmprojekt waren sie bereits in Rabat, am Playa Blanca auf Lanzarote, in Marseille, Amsterdam, jetzt Friedrichshafen - alles Städte am Wasser, alles Städte an Landesgrenzen, trotzdem alles sehr unterschiedliche Städte:
"Gerade hier am Bodensee, das ist ja wirklich eine Touristenregion, viele ältere Leute kommen hierher. Da denkt man erst mal: Was hat das damit zu tun? Wenn man aber überlegt, wer heute 70, 80 Jahre alt ist. Da haben sehr viele eine Fluchtgeschichte, sind zum Beispiel in Polen oder Rumänien geboren. Also letztlich muss man das Thema nur etwas öffnen und anders verankern und plötzlich hat man sehr viele Bezugspunkte. Dort, wo wir das Boot ins Wasser gelassen haben, steht der große Gedenkstein: 'An die Ostdeutsche Heimat'."
Fünf- bis 20-minütige Filme über Migration
Ent- statt begrenzen – so könnte man die Idee zusammenfassen. Teilweise ist dieses Konzept fast schon selbst ein bisschen grenzwertig: alles und nichts. Aber die fünf- bis 20-minütigen Filme funktionieren dann doch, leben natürlich von den jeweiligen Erzählungen, besonders von denen, die aus einer anderen Lebenswelt stammen. Wie die von Marwan, der selbst übrigens kein Flüchtling, sondern Kameramann in Marokko ist.
Er hat Menschen kennengelernt, deren körperliche und geistige Stärke hat ihn tief beeindruckt, sagt er. Aber eins verstehe er bis heute nicht: Warum es so schwierig sei, die 14 Kilometer bis nach Spanien, bis zum anderen Kontinent zu überqueren? Die Leute schafften es doch vorher ohne Probleme, 5000 Kilometer zu Fuß zu gehen. "Ich kapiere das nicht", sagt Marwan, während das Boot einsam über die weiten Wellen des Mittelmeers treibt.
Ausstellungsinfos:
Die Ausstellung "Fließende Grenzen" ist im Zeppelin Museum/Friedrichshafen vom 31.7. bis zum 4.10.2015 zu sehen, dann zieht das Projekt/die Künstler nach Bregenz weiter.
Die Ausstellung "Fließende Grenzen" ist im Zeppelin Museum/Friedrichshafen vom 31.7. bis zum 4.10.2015 zu sehen, dann zieht das Projekt/die Künstler nach Bregenz weiter.