Ein nackter Mann mitten im taiwanesischen Dschungel. Lustvoll leckt er die Blätter eines Farns ab, streichelt die Pflanze zärtlich, reibt sich an ihr, stöhnt, um dann irgendwann leidenschaftlich in die Blätter zu beißen und sie zu verschlingen. Ein Liebesakt zwischen Mensch und Pflanze – inszeniert in einem Video des chinesisches Künstler Zheng Bo.
"Wir Menschen als jüngere Spezies haben in diesem Video Sex mit einer Art, die schon viel länger auf diesem Planeten lebt."
Pflanzenporno?
Pteridophilia heißt die Arbeit, "Liebe zu Farnen", und diese Liebe wird hier im erotischsten Sinne ausgelebt. Aber was genau soll das sein? Ein Pflanzenporno? Gegen eine solche Einordnung hat Zheng Bo nichts einzuwenden.
"Ich habe mich schon immer für Pornographie interessiert, aber oft sind Pornos viel zu einfallslos. Ich wollte mich den Farnen wirklich annähern, intim mit ihnen werden. Denn ja, wir Menschen nähern uns über Sex anderen Menschen an, also warum nicht auch anderen Spezies..."
Bäume und Blumen mag jeder, meint Zheng Bo. Farne dagegen sind so etwas wie die Randgruppe unter den Pflanzen. Niemand interessiert sich für Farne, sogar in Taiwan, wo sie an jeder Ecke wachsen. Viele halten Farne sogar für giftig.
"Die meisten Farne sind essbar. Gerade der Vogelnestfarn ist sehr lecker! Die Leute könnten also kommen und ein paar Blätter essen. Ich hätte nichts dagegen, die Pflanze wächst ja wieder nach."
Zheng Bo hat ein Dutzend Farne im Raum aufgestellt – die Besucher können sie betrachten, sie abzeichnen oder eben ein Stück von ihnen abbeißen. Aber wer will ernsthaft ein erotisches Abenteuer mit einer Pflanze eingehen?
"Der Mann im Video hat leidenschaftlichen Sex mit der Pflanze, aber dann beginnt er sie zu essen. Und da stellt sich doch die Frage: Warum finden wir es vollkommen normal Pflanzen zu essen, aber nicht normal, Sex mit Pflanzen zu haben?"
Mensch und Pflanze, eine innige Beziehung
Die Innigkeit zwischen Mensch und Pflanze findet sich auch im berühmten Gemälde "Der Garten der Lüste" von Hieronymos Bosch wieder. Nicht das Original, aber die Mitteltafel einer in der Nachfolge Boschs entstandenen Version aus dem 16. Jahrhundert ist im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Mensch und Tier verbunden im gemeinsamen Tanz. Ein Mann umarmt eine riesige Erdbeere. Einem Jüngling wachsen Blumen aus dem Po. In einer großen Blüte finden Menschen eine schützende Höhle.
Boschs "Garten der Lüste" wirkt hier wie ein Paradies ohne Sündenfall. Es bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung, die Stephanie Rosenthal, Direktorin des Martin-Gropius-Baus, selbst kuratiert hat.
"Das Paradies ist wie ein Platzhalter für eine utopische Vorstellung, in welcher Welt wir gerne leben wollen würden. Wenn man nicht nur vom christlichen her denkt! Wie auch eben pairidaeza, diese persischen Gärten, eigentlich nur das schöne Idyll sind mitten in der Wüste. Und das ist ja auch der Garten für viele. Man geht in den Garten und es ist so eine Auszeit. Das Auseinandersetzen mit einer Pflanze, das Rosenschneiden, das Pflanzen von Dingen, das Wachsen sehen. Gärten sind kleine Paradiese für viele Menschen."
Betörende Düfte
Paradiesisch geht es auch in vielen Räumen der Ausstellung zu: Einer ist erfüllt von betörendem Jasminduft. Im schwindelerregend bunt gepunkteten Raum mit riesigen Tulpen der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama kann sich der Besucher wie eine geschrumpfte Alice im Wunderland fühlen.
Und die Schweizer Künstlerin Pippilotti Rist erschafft in ihrer Video-Installation "Homo sapiens sapiens" ein Paradies ohne Adam, dafür mit zwei Evas, die nackt und frei von allen Zwängen im Garten Eden herumtollen.
Doch nicht in allen Arbeiten erscheint der Garten als Paradies, denn Gärten entstehen immer hinter einem Zaun, der entscheidet, wer dazugehört und wer nicht. Die südafrikanische Künstlerin Lungiswa Gqunta hat eine Wiese aus abgebrochenen Colaflaschen geschaffen, auf der niemand barfuß spazieren möchte.
"Das ist natürlich auch eine Art und Weise dieses Gartenthema anzusehen und genau diese unglaublich verletzende Oberfläche, die gleichzeitig auch eine Schönheit hat, aber genau davon spricht. Wie verletzend diese Diskriminierung ist, dass die meisten großen Gärten in Südafrika mit diesen großen Scherben abgegrenzt werden oben über den Mauern, damit die Leute, die nicht reindürfen, nicht reinkommen. Und sie macht daraus eine ganze Wiese und spricht natürlich auch über Kolonisierung und Hierarchien zwischen der weißen und schwarzen Community in Südafrika."
"Garten der irdischen Freuden" ist eine alle Sinne öffnende Ausstellung, die in Zeiten, in denen der Mensch die Umwelt immer mehr zerstört, die Annäherung zwischen Mensch und Natur feiert.
"Garten der irdischen Freuden" ist eine alle Sinne öffnende Ausstellung, die in Zeiten, in denen der Mensch die Umwelt immer mehr zerstört, die Annäherung zwischen Mensch und Natur feiert.
Und bei aller Sinnlichkeit, auch schwere Themen wie Kolonialismus, Migration, Klimawandel und Ausgrenzung angeht und erstaunlich vielfältige Perspektiven auf den Garten eröffnet. Eine Überzeugung aber teilen alle Künstler im "Garten der irdischen Freuden", davon ist der chinesische Künstler Zheng Bo überzeugt.
"Wir hier haben alle eine unterschiedliche Herangehensweise, aber unsere Intention ist dieselbe. Zu zeigen, dass wir nicht so selbstsüchtig und gierig sein sollten. Wir manövrieren uns in eine Sackgasse, wenn wir weiter so handeln.
Die Ausstellung "Garten der irdischen Freuden" ist bis zum 1. Dezember in Berlin im Martin Gropius Bau zu sehen.