Viele kleine Lichtpunkte schwirren über die Wände des abgedunkelten Raumes, sie leuchten auf, verschwinden wieder, kommen zurück – manchmal scheinen Schleier wie Polarlichter auf.
"Licht ist für Otto Piene ein fundamentales Gestaltungselement. Er sagt ja auch selbst, das Licht malt, und das Licht ist ja auch das, was das Ganze hier zum Klingen bringt.",
sagt Jutta Mattern, Kuratorin der Ausstellung.
"Dieses Typische, das Verwenden von perforierten Flächen - Lichtsiebe oder auch Rastersiebe -, die bei seinen frühen Arbeiten eine Rolle spielen, also eine Struktur zu schaffen, die Licht filtert, aber auch ornamental durch lässt. Das ist so eine Sache, die sich durch sein ganzes Werk hindurchzieht. Und so ist das hier ein wenig das Himmelsvlies, von dem man sich umfangen fühlen kann."
Das Licht als Gestalter von Oberflächen
Es ist ein Glücksfall, wenn eine Ausstellung nicht nur über den Werk-Dialog zweier Künstler, hier Otto Piene und Lucio Fontana, überraschende Erkenntnisse hervorbringt, sondern wenn die Kunst auch noch mit der Architektur korrespondiert. In diesem Fall mit dem Anbau des Architekten Richard Meier, der vor rund fünfzehn Jahren ein Museum mit riesigen Fenstern in den steilen Rheinfelsen über dem Bahnhof Rolandseck setzte.
Das Licht, das Oberflächen immer wieder neu gestaltet, das als Energie Neues schaffen kann, aber auch eine zerstörerische Komponente hat: Dieses Licht interessierte Otto Piene. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er als Flakhelfer eingesetzt, Licht und Dunkelheit waren jeweils Schutz und Bedrohung zugleich. Jutta Mattern dazu:
"Sonne und Mond beispielsweise, Licht und Dunkelheit sind Themen, die er auch bearbeitet hat, schwarz und weiß. Also diese Gegensatzpaare, die sich auch auf eine Art befeuern, bestärken - aber auch für sich stehen."
Otto Piene interessierte vor allem die Verwandlung der Elemente durch Energie. Durch Licht, Feuer oder Wind oder die Krafteinwirkung des Künstlers. Im Arp-Museum sind frühe Arbeiten zu sehen, in denen die Fläche der Leinwand zum Raum wird, durchlöchert oder geprägt. Die Feuerbilder natürlich auch, die trotz oder wegen der zerstörerischen Energie, der sie ausgesetzt waren, zart und poetisch wirken.
Durchlöcherte Kugeln wie magische Kometen
Die künstlerischen Parallelen zu Lucio Fontana, gut 30 Jahre älter als Piene, offenbaren sich aber vor allem in den vielen Keramiken.
"Wesentlich sind hier die "Buchis", die frühen plastischen Malereien von Fontana. Später gibt es ja die geschlitzten Arbeiten, die "Tagli", für die er Berühmtheit erlangt hat. Aber diese "Buchis", die wirklich, wenn man rund geht, zum Teil auch an Planetenoberflächen erinnern und auch seine Skulpturen - das hat mich interessiert: diese "Buchis" und sein Umgang mit Oberfläche und im Verhältnis zur Oberfläche bei Piene."
Unbekannte Oberflächen flimmerten Ende der Sechziger Jahre weltweit über Bildschirme: Der Mond wurde erobert. Zerstörerische Energien bedrohten die ganze Welt im Wettlauf um die gewaltigste Atombombe. Anfang der 70er-Jahre entdeckte die Wissenschaft ein erstes Schwarzes Loch, das sich beobachten ließ. Sieht man die Keramiken von Piene und Fontana, meint man, das alles darin zu sehen: runde Formen mit rauen Oberflächen, deren Öffnungen den Betrachter magnetisch hineinziehen. Für Otto Piene war der wissenschaftliche Aspekt seiner Kunst, die Freude am Experimentieren und Entdecken ein wesentlicher Motor; immerhin arbeitete er in den USA am Massachusetts Institute of Technology. In seiner Kunst ging es immer auch um die Transformation eines Materials von einem Zustand in einen anderen. Dabei spielte auch die Philosophie eine Rolle, besonders ein Satz seines Kölner Professors Bruno Liebrucks:
"Wie kommt es denn, dass wir in einen Raum, zum Beispiel einen Konzertsaal oder ein Museum, gehen und verwandelt, erfrischt, erneuert wieder herauskommen? Wie kommt das?"
Otto Pienes und Lucio Fontanas Arbeiten weisen zwar formal und ideengeschichtlich ohnehin eine große Nähe auf; aber Kuratorin Jutta Mattern gelingt es im Arp Museum Bahnhof Rolandseck auf ganz besondere Weise, die Werke dieser beiden Künstler noch einmal in Beziehung zueinander zu setzen, sie miteinander sprechen zu lassen, und sowohl das Radikale als auch das Spielerische, Utopische deutlich zu machen. Ganz im Sinne Otto Pienes kommt der Besucher aus dieser Ausstellung mindestens erfrischt, wenn nicht sogar erneuert heraus.