Es muss ja nicht immer gleich der Palazzo Chupi sein – Julian Schnabels rosafarbener Mini-Wolkenkratzer im West Village von Manhattan mag zwar immer als Inkunabel des postmodern-bukolischen Künstlerwohnsitzes herhalten. Dabei sind Show und Spektakel um den eigenen Wohn- und Arbeitsort den jüngeren Künstlerinnen und Künstlern vermutlich eher fremd. Die Bielefelder Ausstellung unterstreicht diese Vorvermutung jedenfalls eindrucksvoll.
Berlin erwarb sich seinen Rang als Künstlermetropole der neunziger Jahre durch die vielen leer stehenden Fabrikgelände und Brachflächen, in denen improvisiert werden konnte, nicht repräsentiert. Und auch wenn vom Charme der frühen Jahre nicht mehr viel übrig ist – Haus- und Atelierprojekte, die Künstler heute bei Architekten in Auftrag geben, verströmen noch dem Geist dieses Reduzierten und Handwerklichen.
Statt Opulenz Umnutzung, statt Neubau lieber die alte Industrie- oder Büroruine als Atelier. Die Malerin Katharina Grosse ließ sich von den Architekten Ute Frank und Georg Augustin einen ehemaligen Konsum-Markt im Ostteil Berlins als Wohnhaus ausbauen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Militärschneiderei im Westen, in der Nähe des heutigen Berliner Hauptbahnhofs, errichteten Frank und Augustin Grosses Atelierhaus, das als großer Betonkubus äußerlich wie ein Bunker daherkommt, dabei aber die historischen Fassadenreste integriert. Im Inneren bietet das Atelier mit großräumigen Flächen, Seilzügen und eigener LKW-Ladestation eher den Anblick einer kompletten Fertigungseinheit für Installationen jeden Formats, vom Entwurf bis zur Auslieferung, alles aus einer Hand.
Statt Opulenz Umnutzung, statt Neubau lieber die alte Industrie- oder Büroruine als Atelier. Die Malerin Katharina Grosse ließ sich von den Architekten Ute Frank und Georg Augustin einen ehemaligen Konsum-Markt im Ostteil Berlins als Wohnhaus ausbauen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Militärschneiderei im Westen, in der Nähe des heutigen Berliner Hauptbahnhofs, errichteten Frank und Augustin Grosses Atelierhaus, das als großer Betonkubus äußerlich wie ein Bunker daherkommt, dabei aber die historischen Fassadenreste integriert. Im Inneren bietet das Atelier mit großräumigen Flächen, Seilzügen und eigener LKW-Ladestation eher den Anblick einer kompletten Fertigungseinheit für Installationen jeden Formats, vom Entwurf bis zur Auslieferung, alles aus einer Hand.
Der gebürtige Schweizer Etienne Descloux, den man in der Berliner Kunst- und Modeszene als "Inspektor Descloux" kennt wegen seines Gespürs für pragmatisch-elegante Raumkonzepte, findet, dass Künstler sich nicht wesentlich von anderen Auftraggebern für Architektur unterscheiden. Ein bisschen mehr Gespür für ästhetische Qualität von Räumen – aber was sonst?
Seine Berliner Projekte, die er für und mit Monica Bonvicini, Henrik Olesen oder Amelie von Wulffen realisiert hat, befinden sich ebenfalls allesamt in Baudenkmälern – Wohnungen in der einstigen Stalinallee oder in einem Bürogebäude der Gebrüder Taut. Flure, Bäder, Schlafkammern werden klein und dunkel, Gemeinschafts- und Arbeitsflächen groß und hell gehalten, das ausgesprochen nutzungsorientierte Design orientiert sich am Pragmatismus von Fertigungsstätten der sechziger bis achtziger Jahre.
Auffällige Unauffälligkeit in der Außenwirkung – Großzügigkeit und effektvolle Helligkeit und Leichtigkeit im Inneren, das scheint tatsächlich ein Prinzip für aktuelle Künstlerbauten zu sein, mit Variationen: Als gläserne, ineinander geschachtelte Volumen für eine Künstlerbaugruppe in der Berliner Kurfürstenstraße von Johanna Meyer-Grohbrügge und Sam Chermayeff; als umgebaute Fabrikhalle von Sauerbruch Hutton für die Konzeptkünstlerin Karin Sander; als umgebautes, ehemaliges Wasserreservoir im britischen Kent für den Bildhauer Dinos Chapman, der das Haus freilich auch für seine eigene Kunstsammlung nutzt und damit noch am ehesten an die Künstlervillen des 19. Jahrhunderts erinnert. Aber auch hier dominieren Funktionalität, Schlichtheit, Arbeitsethos.
So viel protestantisch anmutende Bescheidenheit reflektiert womöglich einen grundlegenden Wandel im Selbstverständnis von Künstlerinnen und Künstlern der Gegenwart – aber wo bleibt das Nachdenken über den Raum jenseits des Pragmatismus? Diese an sich so fundamental interessante wie intime Ausstellung des Bielefelder Kunstvereins bietet hierzu leider nur ein einziges Beispiel. Michael Beutler hat es vor fünf Jahren am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz gemeinsam mit dem Architekten Roger Bundschuh zu realisieren versucht. Ursprünglich aus einem Wettbewerb für eine Installation im öffentlichen Raum hervorgegangen, entwickelten beide ein Konzept für einen temporären Pavillon, der sich in einer eigentümlichen Zackenform zwischen den Baumbeständen an dem Platz einfügt. Boden, Decken und Säulen sollten dabei aus den Teilen der Skulptur errichtet werden und an anderen Orten wieder aufgebaut werden können. Die Entschiedenheit, mit der sich diese lichte Architektur zum zweckfreien Gebilde erklärt und den Widerspruch zur gebauten Realität sucht, fasziniert. Bezeichnenderweise wurde Beutlers Projekt denn auch nie realisiert. Die Berliner Bauordnung kennt keine Erlaubnis für temporäre Konstruktionen. An selber Stelle entsteht demnächst ein Wohnhaus.