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Ausstellung im Dortmunder U
Clowns beim Psychoanalytiker

Böse Clowns tauchen heute in den unterschiedlichsten Kontexten auf: Im politischem Aktivismus, in Fernsehserien, in Horror- und Hollywoodfilmen und selbst in der Popmusik. Der Hartware MedienKunstVerein geht in seiner internationalen Ausstellung der ambivalenten Figur des bösen Clowns auf den Grund.

Von Peter Backof |
    Das sticht ins Auge: Zuckerstangen-bunt und wie ein Zirkuszelt von innen: Wochen hat es gedauert, die Wände des Hartware Medienkunstvereins so - schrill! - zu designen, sagt Leiterin Inke Arns.
    "Extrem bunt - ein Zuviel des Guten."
    Trügerische Bonbonwelt: Inhaltlich kippt dann auch recht schnell die Stimmung: Sind Clowns lustig, waren sie es je?
    "Es gibt eine Umfrage von einer Uni in Großbritannien, die ist so um 2008 gemacht worden, wo 250 Kinder befragt wurden: „Findet Ihr Clowns lustig?" - Keines der Kinder fand Clowns lustig."
    "Hi Georgie! Don´t you want a balloon?"
    Der Clown Pennywise zum Beispiel, in der Verfilmung von Stephen Kings „Es", der zum kleinen Georgie durch einen Gullirost aus der Kanalisation spricht, um ihn dann hinabzuziehen, in den Abgrund. Äußerlich erinnert er noch an diesen archetypischen Zirkusclown Charlie Rivel, mit seiner weißen Schminke, der roten Knubbelnase und dem um eine Glatze sich krüsselnden Resthaar, doch was für ein Schwenk, charakterlich:
    "Ich glaube wirklich dass in den 80er Jahren eine ganz explizit neue Figur, nämlich die des ultra-bösen Clowns, aufgetaucht ist, die es so vorher nicht gegeben hat."
    Der Joker in den Batman-Filmen, verkörpert von Jack Nicholson und Heath Ledger, oder das Schlitzmonster in Halloween. Das sind Clowns als psychische Irrläufer oder Perverslinge.
    "Wir sehen hier ein Foto von Pogo, dem Clown. Keine fiktionale Figur, sondern John Wayne Gacy, den er wirklich gegeben hat, der in den 70er Jahren über dreißig junge Männer umgebracht hat, vorher sexuell missbraucht hat und unter seinem Haus vergraben hat."
    Eine Jekyll und Hyde-Existenz. Tagsüber hatte der Amerikaner Gacy in Parks, als Clown verkleidet, Luftballons verkauft. Seine Ähnlichkeit auf dem Originalfoto mit Pennywise ist frappierend. Und an dieser Station der Schau spinnt Inke Arns die Erzählinie noch weiter, bis zum "Northhampton Clown", der 2013 in Nordengland stellenweise gesichtet wurde - und einem zuwinkte. Der Jux eines Studenten eigentlich, der aber Panik auslöste.
    "Zirkus! Das ist natürlich das Biotop des Clowns. Aber uns interessiert ja eigentlich der Augenblick, wo der Clown außerhalb des Zirkus auftaucht. Außerhalb des angestammten Kontextes ist das einfach eine Figur, die man nicht mehr deuten kann. Die muss sich auch nicht für ihre Taten verantworten. Es ist im Prinzip der Einbruch des Chaos in den Alltag."
    Neben der Horror-Thematik macht "Böse Clowns" noch einen zweiten, großen Inhalt auf: Kollektive, Gruppen, Punkbands, die äußerlich keine Clowns mehr sind, aber mit clownesker Geste agieren. Die bekannte Offensive gegen Putin von Pussy Riot in Russland, die Yesmen, die die britische BBC unterwanderten, Christoph Schlingensief, der in einer Berliner U-Bahn Fahrgäste provozierte. Für Inke Arns sind das auch Clowns, böse, ironisch, sarkastisch.
    "Aber das ist ja das, was alle sehen wollen! - oder aber es ist natürlich auch ein Kommentar über unsere Gesellschaft, die die eigentlich nur noch aus Entertainment besteht."
    Spannend sind die vielen inhaltlichen Kurzschlüsse der Schau: Die bekannte, an Wallenstein erinnernde Maske des Anonymous, im Netz längst das Symbol schlechthin für Empörung, Wutbürgertum und den Occupy-Gedanken, diese Maske könnte doch etwas zu tun haben mit "Dem Mann, der lacht", einer Romanfigur von Victor Hugo? - Diesem Mann wurde das Gesicht von einem bis zum anderen Ohr aufgeschlitzt und so ist er zum ewigen Lachen verdammt. Clowns, böse Clowns, bleiben am Ende tragische Figuren. Und sie sind viel faszinierender als die typischen Zirkusclowns, diese bemüht komischen Pausenfüller, deren Ära vorbei zu sein scheint.