Fast nimmt man den Frauen und Männern die Freude an der Plackerei ab, die da Schulter an Schulter Schaufeln schwingen, Stahlträger hochziehen und Backsteine aufeinanderschichten. Der Enthusiasmus des Volkes, den die Schwarz-Weiß-Filme zu Beginn der Ausstellung suggerieren, könnte durchaus echt sein. Schließlich ging es im Jugoslawien der Nachkriegszeit nicht nur um den Wiederaufbau eines Landes, sondern um die Gründung einer neuen Gesellschaft. Kurator Martino Stierli:
"Wie in jeder sozialistischen Gesellschaft gibt es natürlich die Vorstellung, dass durch die Produktion von Architektur und Raum ein Gehäuse für eine bessere Gesellschaft erschaffen werden kann."
Experimente auf Staatskosten
1948 brach Tito mit Stalin, 1980 starb der jugoslawische Regierungschef. Dazwischen, das zeigt die Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art, experimentierten Architekten und Designer auf Staatskosten mit baulichen Ideen, die für mehrere Universen gereicht hätten. Museen und Hotels, Kindergärten und Sportstadien, Wohnsiedlungen, Mahnmale und Fernsehtürme – jedes Projekt bot die Möglichkeit, Raum, Materialien und Menschen auf nie dagewesene Weise zusammenzubringen.
So gleicht etwa die Lobby des Universitätskrankenhauses in Ljubljana einer Mischung aus Kegelbahn und Disco mit ihren gestreiften Marmorböden und den edelstahl-umfassten Lampen, die wie tausend Pupillen von der Decke starren.
Ein Einfamilienhaus aus dem Jahr 1965 - Flachdach und Außenwände gewellt - sitzt wie ein Lego-Klotz mit Identitätskrise und Veranda im Grünen, während die National- und Universitätsbibliothek von Kosovo in Pristina aus der Luft einem Haufen Schokoladestückchen mit Sahnetupfern ähnlich sieht.
Einen einheitlichen Stil gab es nicht. Denn, so Martino Stierli:
"Es ist ja ein multikultureller, multinationaler, mehrsprachlicher, föderativer Staat gewesen, der sich eben aus diesen vielen Facetten zusammengesetzt hat und diese verschiedenen Identitäten, regionalistischen Identitäten wurden eben nicht unterdrückt, sondern wurden als Teil des Gesamtprojekts gesehen. Und das ist eben, glaub ich, sehr unterschiedlich zum Beispiel zur Architektur in anderen sozialistischen Staaten, wo es sehr oft ein Stilmandat von oben gab."
Betonbauten altern schlecht
Wenn etwas die unterschiedlichen Bauwerke verbindet, dann ist es die häufige Verwendung von Beton:
"Er ist ein relativ günstiges Baumaterial, das überall erhältlich war und ist. Und es hat aber eben auch diese ästhetische Qualität, dass es sehr, sehr formbar ist, dass man sehr stark skulpturale, tektonische, charakteristische Eigenschaften hervorarbeiten kann."
Bedauerlicherweise altert Beton schlecht. Die Fassaden der Wohnblocks im Stadtviertel Neu Belgrad zum Beispiel, wo einst dank offener Grundrisse und Parks gesündere Formen des Zusammenseins erprobt werden sollten, sind heute von tränenartigen Schmutzschlieren und wütenden Graffiti überzogen.
Das Telekommunikationszentrum in Skopje, eines von vielen Prestigeobjekten, die nach dem Erdbeben 1963 in der mazedonischen Hauptstadt aus dem Boden gestampft wurden, liegt nun wie ein ausrangiertes Ufo neben einer Schnellstrasse und dem Fluss Vardar.
Zwischen Reißbrett und Realität
Wie haben diese architektonischen Hüllen den Alltag der Leute tatsächlich beeinflusst? Wer vergnügte sich in Urlaubsanlagen, die sich wie Kaugummidragees ans Mittelmehr schmiegten? Was bedeutete das Verschwinden dessen, was die ambitionierten Modernisten ersetzten? Und in welchem Verhältnis standen die Architekten zum Staat und seiner Ideologie?
Solche und andere Fragen lässt diese Ausstellung unbeantwortet. So eindrücklich die Fülle der versammelten Pläne, Modelle und Aufnahmen ist, so ungreifbar bleibt die Welt, aus der sie stammen. In all der Übersicht verlieren sich die Einsichten. Die Reißbretter verstellen den Blick auf die Realität.