Das nennt sich Selbstbewusstsein: Während Museen in aller Welt mitunter jahrelang um Leihgaben für eine Rembrandt-Ausstellung ringen, öffnet das Amsterdamer Rijksmuseum einfach seine Depots und zeigt, was es hat. Das Rijksmuseum – es ist nicht zuletzt ein Rembrandt-Museum: Natürlich besitzt es nicht sämtliche Meisterwerke des Malers. Aber das Haus wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewissermaßen um Rembrandt Harmenszoon van Rijn als den niederländischen Nationalkünstler herum konzipiert. Dazu geworden war er, nachdem sich Belgien im 17. Jahrhundert von den Niederlanden abgespalten hatte und der Belgier Rubens damit nicht mehr als niederländischer Nationalmaler in Frage kam. Nationalstolz schwingt also allenthalben mit bei dieser Schau, aber den möchte Taco Dibbets, Direktor des Rijksmuseums, gleichzeitig auch ein wenig abfedern:
"Rembrandt is about us, about us as human beings, in all our imperfections. When I'm walking through the exhibition, I'm drawn towards these minuscule often prints. And when you look at them, you recognize yourself, some person you've ever met or something that has happened. Rembrandt is always observing, and that makes him also of today. And Rembrandt is not about beauty, Rembrandt is about depicting us."
Ermüdende Vielfalt
In Rembrandt sollen sich also keinesfalls nur die Niederländer wiederfinden, er geht uns alle an, so die These. Und so wendet die Ausstellung große Mühe darauf, zu unterstreichen, warum Rembrandt noch heute bewundert wird – und macht dies an seiner Beobachtungsgabe und realistischen Darstellungsweise fest. Von Studien des eigenen Gesichtes zieht sie immer weitere Kreise seiner Aneignung der Realität, von Portraits seiner Familie über das Stadtleben und die Landschaften bis zur Verarbeitung in biblischen und mythologischen Themen. Das ist gerade für ein breites Publikum natürlich sehr sinnfällig und auch schön gemacht. Zugleich aber ist es so allgemein, dass in den einzelnen Kapiteln teilweise riesige Ansammlungen von thematisch oder formal verwandten oder ähnlichen Entwürfen oder Drucken das Auge bald ermüden lassen.
Nicht jede der allein über 300 gezeigten Drucke und der 60 Zeichnungen zeigt Rembrandt auch als den genialen Beobachter seelischer Zustände. Zu sehen sind mitunter eben auch Produkte, die mit erkennbar geringerem Aufwand für den Markt gefertigt wurden und uns heute nicht deshalb einfach nur noch ansprechen, weil sie eben aus der Rembrandt-Werkstatt stammen. Am Ende verschweigt die Ausstellung mehr, als sie zeigt. Die Frage nach den Anteilen der Rembrandt-Werkstatt, durch die sich in den letzten Jahrzehnten ja die der Hand des Künstlers zugeschriebenen Werke um rund die Hälfte reduziert hat, wird kaum einmal auch nur erwähnt – obwohl diese Frage gerade bei seinen Zeichnungen und Druckgraphiken mitunter besonders nachhaltig umstritten ist. Dem Publikum wird hier jedenfalls eine Selbstverständlichkeit der Zuschreibung suggeriert, die es schon lange nicht mehr gibt. Auch die Fragen der vielfachen Vereinnahmungen Rembrandts - sowohl seine zeitweilige heftige Anfeindung und die Legendenbildung als auch seine völkische Ausschlachtung im Vorfeld des Nationalsozialismus –bleiben unerwähnt.
Rembrandt als Rebell
Ist Rembrandt wirklich für alle da? Welcher der vielen Rembrandts ist gemeint? Das Buch zur Ausstellung gibt zumindest für die Kuratoren eine Antwort: "Rembrandt, Biografie eines Rebellen" heißt es. Als Rebell galt er einst wegen seiner Auflehnung gegen die akademischen Kunstregeln seiner Zeit. Als Rebellen verstanden sich auch die Niederlande in ihrer Auflehnung gegen das verhasste spanische Herrscherhaus. So gehört der Rembrandt in dieser Ausstellung am Ende vielleicht doch den Niederländern etwas mehr als allen anderen. So spricht die Ausstellung am Ende doch mehr über sich und das Museum als über den Künstler – mehr jedenfalls, als es den hauseigenen Kurator*innen vielleicht bewusst ist.