Die HIV/Aids-Epidemie habe deutlich gemacht, wer in unserer Gesellschaft verwundbarer sei und wem mehr Wert zugesprochen werde, erklärte Heiner Schulze im Dlf. Er ist der Projektkoordinator der Ausstellung "HIVstories: Living Politics", die bis zum 11. November im Schwulen Museum in Berlin gezeigt wird. "Zum einen hat sie viel für die Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen beigetragen, einfach auch durch sehr viel Aktivismus, der daraus entstanden ist, wo auf einmal Personen - die vorher im öffentlichen Leben, den Medien, im Diskurs nicht vorkamen - auf einmal sichtbar wurden, weil sie geagt haben: Hey, wir müssen was machen. Zeitgleich hat sich auch das Gesundheitssystem sehr verändert."
Die Ausstellung bestehe zum einen aus Archivmaterialien, die nachvollziehbar machen, wie darüber geredet wurde. Es würden aber auch Kunstwerke gezeigt, die die kulturelle Auseinandersetzung mit der Krankheit thematisieren. Und drittens gebe es "Zeitzeug*innen-Interviews, wo man dann auch selbst nachhören kann, was die Leute selbst sagen, wie sie das wahrgenommen haben, was ihre Probleme waren".
Mehr als Erinnerungskultur
Dieser verzweifelte Kampf um Anerkennung, um Resourcen, um Beachtung habe ihn persönlich sehr beeindruckt. Zum Beispiel die Geschichte des Aktivisten Tamás, der zu allen Konferenzen gefahren sei. In der Ausstellung sehe man zum Beispiel eine Installation der gesammelten Namensschilder.
"Der Hintergrund der Ausstellung ist auch, die große Bandbreite, was alles Aktivismus sein kann, aufzuzeigen." Dass zum Beispiel aktivistische Drogenabhängige sehr prägend gewesen seien, tauche in der gängigen Geschichtsschreibung gar nicht auf. Das gelte auch für das Thema HIV und Haft, wo Menschen auch im Gefängnis auf einen menschenwürdigen Umgang mit der Epidemie gedrungen hätten.
Gebrochene Erfolgsgeschichte
Die medikamentöse Erfolgsgeschichte in der Bekämpfung von Aids bedeute noch nicht, dass alle Menschen - selbst in hochentwickelten Ländern - Zugang dazu hätten. "Und was die Ausstellung machen möchte, ist, stärker diese Ambivalenzen aufzuzeigen, dass nicht alles eine ungebrochene Fortschrittserzählung ist."
Wenn man sich diese ganzen Geschichten ansehe, könne die große Bandbreite an Antworten auf die Epidemie wahrgenommen werden. Strategien aus dem Westen seien in anderen Kontexten nicht unbedingt übertragbar.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.