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Ausstellung "Immer bunter"
Deutschlands Migrationsgeschichte

Flucht und Migration sind derzeit omnipräsente Themen - auch in Ausstellungen. So dokumentiert die Wanderausstellung "Immer bunter", die derzeit in Leipzig gezeigt wird, die Entwicklung Deutschlands vom Gastarbeiterland zum Einwanderungsland - und lässt dabei auch die dunklen Stellen nicht aus.

Von Ronny Arnold |
    Willkommenskultur heißt es, wenn Flüchtlinge wie unlängst in München freundlich mit kleinen Präsenten empfangen werden. Am Bahnhof in Köln-Deutz, 1964, gab es so etwas ähnliches auch schon einmal. Das Geschenk damals: ein Moped, allerdings nur für einen Neuankömmling.
    "Bei Armando Rodrigues, dem millionsten Gastarbeiter, stießen die Ehrungen vorerst auf Unverständnis. Offenbar hat der Neuling noch nicht begriffen, dass er und Seinesgleichen für den deutschen Wohlstand unentbehrlich geworden sind."
    Lakonisch wird die Szene von einem Reporter kommentiert. Ein Zeitdokument, zu hören aus kleinen Lautsprecherboxen zu Beginn der Ausstellung. Das Moped steht da auch, dazu Schaukästen mit Fotos, Plakaten und Tafeln, die das damals wirtschaftlich begründete Anwerben von Gastarbeitern dokumentieren. Es ist der Beginn einer bis heute, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, andauernden Einwanderung nach Deutschland. Dabei hat die Ausstellung schon mit dem Titel "Immer bunter" einen klaren Tenor:
    "Diese Erkenntnisse, die wir hier darlegen, sind die, dass diese vielen Menschen, die zu uns gekommen sind, die Gesellschaft nicht ärmer gemacht haben. Natürlich hat es Reibereien gegeben, schon in den 1960er-Jahren. Damals ist man allerdings noch davon ausgegangen, dass die alle weggehen. Aber das hat die Gesellschaft wunderbar verkraftet."
    Viele Facetten der Zuwanderung
    Bis jetzt, schiebt Ulrich Op de Hipt mit einem Lächeln hinterher. Als der Kurator vor über zwei Jahren mit der Konzeption der Ausstellung begann, waren die momentanen Diskussionen und die sich fast täglich ändernde Zahl an Zuwanderern so nicht absehbar. Nun ist das Zeitgeschichtliche Forum topaktuell, mit 800 Exponaten aus über fünf Jahrzehnten, inklusive vieler, persönlicher Geschichten, dokumentiert in Wort und Bild. Von Menschen, die tatsächlich angekommen sind.
    Auf die Gastarbeiter folgten die Spätaussiedler, Anfang der 1990er-Jahre dann die Flüchtlinge vom Balkan. Spätestens seit dieser Zeit ist Deutschland ein Einwanderungsland, was von vielen Menschen allerdings bis heute kritisch gesehen wird - oder gleich ganz abgelehnt. Dresden, die Hochburg der Pegida-Bewegung, ist nur eine Autostunde von Leipzig entfernt. Gut dokumentiert ist in der Schau auch der Protest gegen Migranten, bis hin zu Berichten über brennende Asylunterkünfte.
    Auch die Rolle der Medien wird hinterfragt, die mit Geschichten über "Scheinasylanten" und "Asylbetrüger" ihre Leser und Zuschauer beunruhigen. Die Schau zeigt viele Facetten der Zuwanderung, so Ulrich Op de Hipt, ohne alle Fragen beantworten zu können:
    "Wichtig ist doch, dass man die Geschichte betrachtet und aus der Geschichte auch Erkenntnisse mitnimmt. Klar, die Schlagzeilen werden in den Diskussionen aufgenommen. Das muss man aushalten und ertragen. Man muss auch Leute mitnehmen, die auf die Straße gehen und ihre Ängste formulieren, selbst wenn man das nicht gern hat."
    Dem Osten fehlt es an Erfahrung
    Am besten, man nimmt die ängstlichen, besorgten Bürger von der Straße demnächst direkt mit in diese Leipziger Ausstellung. Denn dann würden sie auch erfahren, warum gerade der Osten offensichtlich ein größeres Problem mit Zuwanderung hat. Es fehle schlichtweg an Erfahrung, so Jürgen Reiche, der Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums:
    "Wir verweisen in der Ausstellung "DDR" auch darauf, dass der Umgang mit dem Fremden hier kaum geübt werden konnte. Weil die öffentliche Diskussion dieses Thema tabuisierte. Und wir sehen darin und auch im geringen Kontakt zwischen Einheimischen und Fremden eine Ursache dieser Entwicklung."