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Ausstellung in Barcelona
Kunst und Physik - ein magischer Pakt

Messgeräte, die aussehen wie Skulpturen, flirrende Kreise und bunte Linien auf einem Monitor, die ein poetisches Bild zeichnen: Die Ausstellung "Quantica" in Barcelona zeigt, wie eng Kunst und Physik verzahnt sind. Nach dem Besuch wird klar: Die Quantenphysik bestimmt unseren Alltag und unser Denken.

Von Julia Macher |
Der koreanische Künstler Yunchul Kim (rechts) und eine Frau schauen sich auf einer Ausstellung sein Werk "Cascada" an
Der koreanische Künstler Yunchul Kim (r.) neben seiner Arbeit "Cascada" in der Ausstellung in Barcelona (imago images / Agencia EFE)
Zum Auftakt gibt es einen Zaubertrick: Auf einem Ring schwebt wie von Geisterhand ein Metallstück. Durch extreme Kälte wurde es in den supraleitenden Zustand versetzt und zieht munter seine Bahnen. Das Experiment stammt von 1911, also quasi aus der Mottenkiste der Quantenphysik. Der Überraschungseffekt aber ist der gleiche.
"Chulo, no?"
"Toll! Nicht?", sagt der Physiker und führt weiter zu einer Station, in der man den berühmten Quantensprung beobachten kann: Das Phänomen, dass ein Elektron Energie aufnimmt, wenn ein Lichtteilchen durch es hindurchfliegt und dadurch auf ein höheres Energieniveau springt. Nebenan analysiert ein Detektor die Elementarteilchen, die unablässig die Besucherkörper durchfliegen und malt dazu flirrende Kreise und bunte Linien auf einen Monitor. Ein poetisches abstraktes Gemälde entsteht – und kurz nachdenken, ob man jetzt auf dem Wissenschafts- oder Kunstpfad der Ausstellung ist.
Annäherung durch Intuition
Das ist natürlich Absicht – ebenso wie die Messgeräte aus glänzendem Edelmetall, die so effektvoll in Szene gesetzt sind, dass man sie im Vorübergehen für Skulpturen hält. Für José Ignacio Latorre, Physikprofessor und einer der drei Kuratoren der Ausstellung, sind Künstler und Wissenschaftler Geschwister im Geist:
"Ich bin ein entschlossener Kämpfer gegen die Vorstellung, dass wir uns alle in abgeschlossenen Kapselwelten bewegen. Die Sprache der Wissenschaftler ist die der Mathematik, der Künstler geht von der Intuition aus. Was aber viele nicht verstehen, ist, dass auch in der Wissenschaft die erste Annäherung immer intuitiv ist. Man versteht zunächst durch Intuition. Irgendwann aber kommt der Zeitraum, dann muss man sich hinsetzen und die Dinge richtig aufschreiben. Es gibt als zum Glück viele Momente, in denen sich Kunst und Wissenschaft verbinden."
Wenn Ausstellungsmacher, Künstler und Wissenschaftler zusammenbringen, illustrieren erstere oft bloß Arbeit und Erkenntnisse der letzteren. Hier reflektieren beide über die gleichen Themen, nämlich über die Postulate der Quantenphysik, die zugleich auch große philosophische Fragen sind. Über die Existenz von Überlagerungszuständen etwa: Kann etwas gleichzeitig vorhanden und nicht vorhanden sein? Wie kann ich etwas beschreiben, wenn es sich allein durch meine Beobachtung verändert?
Die Künstlerin Yu Chen Wang hat dazu in einer Videoinstallation Aufnahmen von Partikelnebeln mit Audiofragmenten ihrer persönlichen Erkenntnissuche kombiniert – die je nach Standpunkt anders tönt:
"Wir denken, wir wissen alles, aber dann erkennen wir, dass das nicht stimmt. Von all dem, was wir zu wissen glauben, haben wir nur ein ganz kleines bisschen verstanden. Das Aufregende ist das Experimentelle: Jedes Werk, das ich schaffe, schaffe ich zum ersten Mal. Das ist aufregend – weil ich nicht weiß, wohin ich gehe und mich dem Ziel immer nur annähern kann. Das ist etwas, was Künstler und Wissenschaftler teilen."
Wissen ist Freiheit
Die 20 Stationen der Ausstellung rütteln Sinne und Verstand ordentlich durch. Wenn das Phänomen der Verschränkung existiert, sich ein Partikel in China wie durch Geisterhand in die gleiche Position bewegt. wie einer in Österreich, warum soll es dann nicht ein holographisches Abbild der gesamten menschlichen Geschichte im Universum geben, wie es eine der Installationen behauptet? Als Laie ist man am Ende ganz froh über das große Schaubild, das ganz klassisch zeigt, wo überall in unserem Alltag Quantenphysik steckt – vom Handy bis zum Mikrofon nämlich. Kurator José Ignacio Latorre:
"Die Menschen werden geboren und sterben, ohne zu wissen, dass sie in einer Welt leben, die von den Erkenntnissen der Quantenphysik bestimmt ist. Man muss die Quantenphysik nicht verstehen, aber man muss wissen, dass es sie gibt. Weil man ansonsten nicht mitentscheiden kann und seine Verantwortung in die Hände eines Politikers gibt. Dadurch verliert man Freiheit. Wissen aber ist der erste Schritt, um tatsächlich frei zu sein."
Ein klassisch aufklärerisches Postulat, das zum Schluss noch einmal in Szene gesetzt wird: Eine riesige Weltkarte zeigt den Status Quo beim internationalen Wettlauf um den ersten Quantencomputer. Die Fähnchen der Wissenschaftler stecken alle in Mitteleuropa und den USA, vereinzelt auch in Australien, China, Indien. Afrika und Lateinamerika sind leer. Eine düstere Aussicht, findet Latorre.