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Ausstellung in Basel
Paul Klee und die Abstraktion

Fast 10.000 Arbeiten umfasst das Werk von Paul Klee. Dass der berühmte Bauhaus-Lehrer der Abstraktion näher war, als die Kunstgeschichte gemeinhin vermutet, will die Basler Fondation Beyeler jetzt in einer Ausstellung zeigen: "Klee - die abstrakte Dimension".

Von Christian Gampert |
    Der Maler Paul Klee
    Paul Klee wurde 1879 geboren. Er starb 1940. (imago / United Archives International)
    Paul Klee verführt uns mit seinen Titeln, etwas zu sehen, das gar nicht da ist. Wenn ein Bild "Blühendes" heißt, dann wird man dort auch Blühendes wahrnehmen. In Wirklichkeit handelt es sich aber um rhythmisierte und perspektivisch verzogene bunte viereckige Farbfelder. Außen ist der Farbgestus gedeckt und dunkel, während es in der Mitte des Bildes hell leuchtet. Die Kuratorin Anna Szech hängt dieses Werk aus dem Jahr 1934 nun mutterseelenallein an eine lange, zentrale Wand. Das wirkt! Denn auf einmal, in dieser Isolierung und auch Ikonisierung des Bildes, nimmt man Klees Spiel mit den abstrakten Formen viel genauer wahr, man sieht die Musikalität dieser Komposition und merkt: es blüht dort vor allem das abstrakte Denken.
    Zwei Ziele verfolgt die Ausstellung in der Fondation Beyeler: Paul Klee vom Image des Kabinettkünstlers, des kleinformatigen Strichlers zu befreien. Deshalb zeigt man nur Malerei. Und ihn als Künstler an der Schwelle zur Abstraktion zu etablieren – bei so viel Ornamentik, Zeichenhaftigkeit und Geometrie ist das auch naheliegend; man fragt sich, wieso vorher noch niemand auf die Idee kam.
    Fremd gewordene Welt verfremdet darstellen
    Aber die Idee hatte Anna Szech. Und sie möchte vor allem mit ein paar liebgewordenen Klischees aufräumen. Die Tunis-Reise 1914 hat Klee selber immer als eine Art Erweckungserlebnis geschildert, das Licht Nordafrikas habe seine Behandlung der Farbe verändert. Szech glaubt, das sei eine Selbstmythisierung in der Tradition von Paul Gauguin, der auch erst in der Südsee zu sich selbst gefunden habe. Klee sei ganz simpel von Cézanne beeinflusst gewesen.
    "Wenn man seine Arbeiten aus den Jahren 1912 bis 13 anschaut, sieht man, dass er auch schon vor der Reise nach Tunesien wunderbar mit Farbe umgehen konnte. Und meiner Meinung nach hat er diesen Umgang mit Farben seiner Auseinandersetzung mit der Kunst der französischen Postimpressionisten zu verdanken."
    Zum anderen: Klee hatte schon 1911, also drei Jahre vor Tunis, in München Wassily Kandinsky kennengelernt und wusste auch später um dessen Entwicklung. Er war mehrmals in Paris und kannte die kubistische Zerlegung der Wirklichkeit. Und er hatte, als seine Freunde August Macke und Franz Marc im Ersten Weltkrieg fielen, bereits starke Tendenzen, die fremd gewordene Welt auch verfremdet darzustellen.
    "Er hat ja den Ersten Weltkrieg mitgemacht, und das war für ihn ein sehr traumatisches Erlebnis. 1915 macht er zum Beispiel eine Aussage, wo er den abstrakten Malstil mit einer bestimmten politischen Situation gleichsetzte. Er sagte: Je schrecklicher diese Welt ist, desto abstrakter wird die Kunst. Während glückliche Zeiten diesseitige Kunstwerke hervorbringen."
    Der abstrakten Malerei nah sein
    Natürlich gibt es massenhaft auch Werke, die Klee als romantischen Spieler erscheinen lassen. Aber die Tendenz, eine peripher noch als gegenständlich wahrgenommene Welt nach abstrakten Prinzipien zu ordnen, ist unübersehbar.
    Die Ausstellung führt das nun in mehreren Etappen vor. Schon in der Münchner Frühphase um 1910 beginnt Klee, die Farbe vom Inhalt zu befreien. Die Reise nach Tunis und Kairouan beflügelt dann diese Schichtung von Farbflächen und die geometrische Staffelung. Im Ersten Weltkrieg seltsam mechanisierte, aber auch pflanzlich wuchernde Darstellungen, wo abstrahiert-Flugzeugähnliches aus Hausdächern herauswächst.
    Als Bauhauslehrer nähert sich Klee der geometrischen Abstraktion; architektonische Schichtungen von Farbquadraten, die sich zum Teil überlagern und einander zum Klingen bringen – das ist im großen Saal prominent inszeniert. "Feuer abends" oder "Blick in das Fruchtland" verarbeiten in terrassenartigen Farbkompositionen Eindrücke aus Ägypten; die intensivsten, aus lauter kleinen, mosaikartigen Elementen aufgebauten Bilder sind nach Italienreisen entstanden.
    Paul Klee war der abstrakten Malerei seiner Zeit also nah, von de Stijl bis zum Kubismus – selbst seine aus der Linie entwickelte Ornamentik und Zeichensprache sind Abwandlungen abstrakter Ideen. Überraschend aber ist, dass der 1940 gestorbene Klee quasi im Vorgriff auf die Kunst des Nachkriegs bereits wie Keith Haring mit Graffiti-Elementen arbeitete und auch die gestischen Farbwüsten des Abstrakten Expressionismus vorwegnahm. Die Ausstellung belegt das mit einigen Werken aus Privatsammlungen – und hat da eine schöne Schlusspointe parat.