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Ausstellung in Berlin
Gott in Gold

Die Wurzel des Christentums liegt im Nahen Osten – das vergisst man vom westlichen Europa aus leicht. Die Ausstellung "Gläubiges Staunen" im Berliner Pergamonmuseum zeigt reich verzierte Handschriften. Auf den ersten Blick könnten es islamische Handschriften sein, es sind jedoch Bibeltexte.

Von Kirsten Dietrich |
    Schriftzug des Pergamonmuseums Berlin
    Das Museum für Islamische Kunst zeigt im Pergamonmuseum in Berlin prachtvolle Bibelhandschriften (imago stock&people)
    Das Museum für Islamische Kunst in Berlin zeigt in seiner neuesten Ausstellung – Bibeln. Heilige Schriften von Christen und nicht eine Zeile Koran. Das ist natürlich kein Versehen und auch keine Provokation: mit der Ausstellung "Gläubiges Staunen" will das Museum auf die enge Verbundenheit von Christlichem und Muslimischem in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens hinweisen.
    Große arabische Buchstaben zieren den Kopf des vergilbten Pergaments, unterlegt mit Gold. Ein Schriftbild, das mittlerweile nur eines signalisiert: Koran, Muslime, Allah. Und dann steht da:
    "Auf arabisch "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes", sagt Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst.
    "Die Schrift ist arabisch und die Art, wie ein Kapitel der Bibel anfängt, sieht auf einmal genauso aus, mit Gold und schwerer Schrift, wie man ein Korankapitel anfängt, und das ist auch schon wieder eine lange Tradition, denn die ersten Korane, die Art, wie sie geschrieben worden sind, hängen wieder zusammen mit dem, wie byzantinische heilige Texte geschrieben worden sind."
    Ein kleiner Ausschnitt des ursprünglichen Christentums
    Die Wurzel des Christentums liegt im Nahen Osten – das vergisst man vom westlichen Europa aus leicht. Die Ausstellung "Gläubiges Staunen" zeigt einen kleinen Ausschnitt dieses ursprünglichen Christentums, in seiner Vielfalt von Syrien bis Nubien. Die Bibel ist nicht überzeitlich. Syrische Evangeliare aus dem 12. Jahrhundert zum Beispiel enthalten nur die Lesungen für den Gottesdienst und sind verziert mit geometrischen Mustern, die so auch in islamischen Handschriften zu finden sein könnten. In der uralten Tradition äthiopischer Bibeln gehört auch das Buch Henoch zum biblischen Kanon. Die armenische Kirche, die älteste christliche Staatskirche, ist vertreten mit Evangelien, deren Bilder von innen zu leuchten scheinen, so klar sind die Farben, und Kapitelüberschriften in Buchstaben, die bei genauerem Hinsehen aus kleinen Vögeln bestehen.
    "Viele armenische Handschriften sind in Zentren entstanden, in denen auch muslimische Werkstätten waren, Muslime und Christen lebten letzten Ende im selben visuellen Raum", sagt Christoph Rauch. Er leitet die Orientabteilung der Berliner Staatsbibliothek, aus deren Archiven die ausgestellten Bibeln stammen.
    Die Handschriften sind bis jetzt kaum erforscht: Die Theologen erwarteten von ihnen keine Erkenntnisse über den Urtext des Neuen Testaments und die orientalischen Kirchen schienen dem westlichen Blick fast genauso exotisch und weit entfernt wie die islamische Welt. Dabei sind die Texte faszinierende Zeugnisse des Ringens um das Zusammenleben verschiedener Religionen in einem gemeinsamen Kulturraum, auch schon im 9. oder 10. Jahrhundert. Christoph Rauch erklärt das anhand einer koptischen Bibel, in der rechts auf jeder Seite in eine schmalen Spalte die arabische Übersetzung des Bibeltextes geschrieben ist.
    Zeugnisse des Austauschs
    "Die koptische Sprache ist die letzte Form des Altägyptisch, das Alphabet stammt aus dem Griechischem, im Laufe der Zeit, nach der Islamisierung, haben auch die Kopten in Ägypten zunehmend Arabisch gesprochen. Irgendwann hat man dann nur noch Arabisch verstanden. So dass irgendwann die alten christlichen Sprachen in die Defensive kamen und dann immer mehr Arabisch sich in der Bibel vorgefunden hat."
    Dennoch war der Austausch keine Einbahnstraße: Die Bibelhandschriften der orientalischen Kirchen werden ergänzt durch wunderbare gemalte Miniaturen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Sie zeigen einmal Szenen aus dem Koran, die eindeutig auf ein gemeinsames Erbe an Geschichten verweisen: die Vertreibung aus dem Paradies etwa, bei der der göttliche Engel vom Balkon eines persischen Hauses zuschaut. Noch erstaunlicher sind Gemälde vom indischen Mogulhof: Sie zeigen Madonnen und christliche Heilige – Adaptionen europäischer Gemälde, die mit portugiesischen Händlern und Jesuitenmissionaren ins Land kamen. Nicoletta Fazio vom Museum für Islamische Kunst:
    "Die Kupferstiche waren Missionsmaterial ursprünglich, die an den Mogulherrscher geschenkt wurden. Vielleicht sollte er zum Christentum wechseln? Das war natürlich nicht erfolgreich in diesem Sinne, aber das war sehr erfolgreich im künstlerischen Bereich. Die waren dann sehr beliebt als Kunstwerk."
    Stefan Weber, Direktor des Berliner Museums für Islamische Kunst
    Stefan Weber, Direktor des Berliner Museums für Islamische Kunst (Bernd Weingarten)
    Sind also Bibel und Koran, Islam und Christentum eigentlich schon über Jahrhunderte eng verbunden und nur gemeinsam wirklich zu verstehen? Christoph Rauch von der Berliner Staatsbibliothek möchte da bei aller Begeisterung über das Verbindende doch differenzieren.
    "Weil es sind eigenständige Kulturen auch, die christlichen, mit langer eigenständiger Tradition. Und es ist ganz klar, dass die Christen ab einem gewissen Zeitpunkt in der Minderheitenposition waren, dass sie sich islamischen Einflüssen geöffnet haben."
    Für Stefan Weber, den Direktor des Museums für Islamische Kunst, haben die Handschriften und Gemälde dagegen eine klare Botschaft, die sich auch in Krisenzeiten wie der heutigen hält.
    "Diese ganze Produktion von Literatur - im weitesten Sinne der Bibel - ist nur entstanden, weil diese Menschen miteinander gelebt haben. Nicht immer zusammen, manchmal auch in Abgrenzung, aber in einem Dialog, der ganz verschiedene Ausformungen hat."
    "Gläubiges Staunen": Die Ausstellung ist bis zum 15.10.17 im Museum für Islamische Kunst im Berliner Pergamonmuseum zu sehen.