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Ausstellung in Cremona
Monteverdi und Caravaggio

Auch wenn Claudio Monteverdi in Cremona nur einen kleinen Teil seines Gesamtwerks geschaffen hat, seine Heimatstadt hat sich zum 450. Geburtstag des Komponisten an die Spitze der Fest-Aktivitäten in Italien gesetzt. Neben Konzerten, Lichtinstallationen und einem Symposium bietet die lombardische Stadt eine Ausstellung, die nicht nur Monteverdi-Liebhaber faszinieren dürfte.

Von Johannes Jansen |
    Der italienische Komponist Claudio Monteverdi in einer zeitgenössischen Darstellung. Er wurde am 15. Mai 1567 in Cremona geboren und verstarb am 29. November 1643 in Venedig.
    Der italienische Komponist Claudio Monteverdi in einer zeitgenössischen Darstellung. Er wurde am 15. Mai 1567 in Cremona geboren und verstarb am 29. November 1643 in Venedig. (picture-alliance / dpa )
    Unten Geige, oben irgendetwas, das nach den Folgen einer Explosion aussieht. "L'anima della città" – die Seele der Stadt – heißt die Skulptur aus poliertem Edelstahl auf dem Bahnhofsvorplatz von Cremona. Wer näher tritt, vernimmt aus ihrem Innern Klänge, die keinen Zweifel daran lassen, wer und was die Stadt beseelt, zumindest in diesen Tagen: Claudio Monteverdi. Die Toccata war eine Huldigungsmusik für seine einstigen Herrn und Auftraggeber, die Gonzaga in Mantua – jetzt gilt sie ihm selbst. Die Heimatstadt feiert ihren größten Sohn. 2017, so haben es die Vertreter sämtlicher Kultur-Einrichtungen aus Anlass von Monteverdis 450. Geburtstag beschlossen, soll Cremona ihm gehören. Dafür muss eine andere Kultfigur, Antonio Stradivari, allgegenwärtig in Ausstellungen und Denkmälern, die sich über die ganze Stadt verteilen, etwas zur Seite rücken. Das Museo del Violino der Fondazione Stradivari hat Platz geschaffen für eine große Ausstellung über Monteverdis Instrumente, so wie sie in der 1609 gedruckten Partitur des "Orfeo" aufgelistet sind: Cembali und Orgeln, Streich- und Zupfinstrumente aller Art, Posaunen, Zinken und manches mehr.
    Caravaggios "Lautenspieler"
    Ein Blickfang sind die brezelförmigen Trompeten Nürnberger Provenienz. Aber das alles ist nichts gegen die Laute oder vielmehr den Lautenspieler im Herzen des Ausstellungsgeschehens. Es ist das gleichnamige Gemälde von Caravaggio: ein Jüngling mit allen Attributen – die Laute, das weiße Gewand, Blumen, Früchte und das aufgeschlagene Notenbuch –, die ihn als Verkörperung des Orpheus oder des Apoll erscheinen lassen. Neben der bekannten Fassung des Bildes aus der Petersburger Eremitage existieren noch zwei weitere. Die mutmaßlich älteste und zugleich farbfrischeste (nach der erst vor wenigen Jahren erfolgten Restaurierung) ist in Cremona zu sehen. Eine Sensation. Denn die Leihgabe aus Londoner Privatbesitz war den Blicken der Öffentlichkeit lange entzogen.
    Caravaggio selbst, das skandalumwitterte Malergenie des Frühbarocks, hielt den Lautenspieler für sein bestes Werk. Dem Violinmuseum, wo er noch bis zum 23. Juli zu sehen sein wird, eröffne sich eine neue Dimension, meint Fausto Cacciatori. Die führende Rolle Cremonas auf dem Gebiet des Geigenbaus zu stärken, ist das eine. Aber das übergeordnete Ziel sei doch, möglichst viele Menschen für die Musik zu begeistern, und dabei helfe ein Caravaggio ungemein, sagt der Kurator, weil sich so ein Bild vielleicht doch stärker mitteilt als ein Instrument, wenn man es nur betrachtet.
    Zunächst einmal geht es natürlich darum, die eigene Stadt mit Begeisterung anzustecken. Sie muss schließlich auch die Kosten tragen: für Ausstellungen und Konzerte, für Laser-Illuminationen auf der Piazza und noch dies und das. Zwar gehören die Lombardei und ihre Nachbarregionen nicht zu den wirtschaftlichen Problemzonen Italiens. Dennoch, Cremona ist nicht Mailand, und ein solches Festprogramm aufzulegen ein enormer Kraftakt. Angela Cauzzi weiß, wovon sie spricht.
    Als Intendantin des Teatro Ponchielli in Cremona betreut sie schon viele Jahre ein kleines Monteverdi-Festival. Ein Nischenfestival sei es, für Freunde der Barockmusik, die in Italien noch immer einen schweren Stand hat gegenüber Donizetti, Verdi und Puccini. Jetzt wurde es zum Kristallisationspunkt für etwas wirklich Großes: mehr als 30 Veranstaltungen über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten. Höhepunkt und längst ausverkauft ist eine Aufführung der Marienvesper am 24. Juni im Dom von Cremona mit dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner. Italienische Musikprominenz wie die Accademia Bizantina und Sopranistin Roberta Invernizzi gab sich bereits die Ehre. Die Provinzregierung und private Einrichtungen wie die Fondazione Stauffer – Musikstiftung eines schweizerischen Mäzens Cremoneser Herkunft – sowie ein hier tätiger Agrarkonzern halfen, dem Festival einen immerhin siebenstelligen Etat zu sichern.
    Cremona steckte in Monteverdi
    Viele sind es, die den Karren ziehen. Aber einer treibt sie an: Bürgermeister Gianluca Galimberti. "Insieme" – zusammen! – ist sein Lieblingswort. In seiner Ansprache zur Festivaleröffnung im April hat er es sicher zehnmal betont, wie eine Beschwörungsformel, aber auch als Statement gegen die Gewöhnung an die schleichende Preisgabe der Kultur. Das Land, das sich um seine gloriose Musik-Vergangenheit so wenig schert, kulturell erstarrt in der Ära Berlusconi. So hört man es oft in Italien, und bei Beobachtern aus dem Ausland hat es sich fast zum Klischee verfestigt. Cremona liefert einen eindrucksvollen Beweis des Gegenteils. Auch wenn Monteverdi nur einen kleinen Teil seines Gesamtwerks hier geschaffen hat, will man doch zeigen, wo es herkommt.
    Die Kindheit formt den Menschen, sagt Angela Cauzzi. Cremona steckte in Monteverdi, auch noch als er in Mantua und Venedig Musikgeschichte schrieb.
    "The making of a genius" – wie formt sich ein Genie? Diese Frage verhandeln Wissenschaftler auf einer Fachtagung, die sich nicht als Nebenschauplatz versteht. Ihre Initiatoren waren in die Organisation des Festivals einbezogen von Anfang an. Vorgestern ging das Symposium in Mantua zu Ende. Ein Thema für Massimiliano Giudo von der Universität Pavia ist, wie die Beschäftigung mit Monteverdi auf unsere Auffassung von Barockmusik eingewirkt und sie verändert hat.
    Anschaulich wird es in Video-Ausschnitten aus sechs unterschiedlichen Orfeo-Inszenierungen als Teil der Ausstellung im Violin-Museum in Cremona. Sie reichen von der Zürcher Ponnelle-Inszenierung unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt aus den siebziger Jahren bis hin zu einer chilenischen Produktion aus Rancagua aus dem Jahr 2016. Da spielt die Figur der Musica mit dem iPod und trinkt Coca Cola. Der Gegenwartsbezug findet sich auch dort, wo man ihn vielleicht nicht vermutet: bei Monteverdi selbst oder vielmehr in den monetären Aspekten seines Handelns. Die öffentlich ausgefochtene ästhetische Debatte um den wahren und richtigen, nämlich der Sprache und den Leidenschaften des Menschen gehorchenden Ton in der Musik – es war auch eine Marktstrategie, sagt Massimiliano Guido und fügt lachend hinzu, manchmal wünschte er sich selbst etwas von Monteverdis Cleverness. – Auch sie vielleicht ein Teil seines Erbes, das man in Cremona auf keinen Fall verloren geben will.