Zwei Arbeiten stehen am Anfang der Ausstellung im Palazzo dei Diamanti von Ferrara. Ein Druck mit dem Stadtentwicklungsplan von Barcelona aus dem Jahr 1860. Und ein kleines Gemälde von Picasso aus seiner sogenannten blauen Periode, das 42 Jahre später 1902 unter dem Titel "Die Dächer von Barcelona" einen melancholischen Blick auf die Entwicklung der Stadt wirft. Die Handelsstadt und der Verwaltungssitz einer landwirtschaftlich geprägten Region verwandeln sich während dieses Zeitraums in einen Industriestandort mit rund 400.000 Einwohnern. Das Bürgertum und die Eliten von Barcelona haben den Provinzialismus der spanischen Monarchie satt. Die Weltausstellung von 1888 in der katalanischen Metropole gibt das Zeichen zum Aufbruch. Ein Aufbruch voller Widersprüche, abzulesen auch in den gewagt verspielten Architekturen des jungen Architekten Antoni Gaudí.
"Gaudí ist in diesem besonderen Umfeld groß geworden. In diesem Feuereifer der 80er-Jahre in Barcelona, was auch seinen Eklektizismus und seine Wankelmütigkeit erklärt. Das ist eine Suche nach den Wurzeln der Architektur."
Der Kunsthistoriker Tomas Llorens hat die Ausstellung eingerichtet. Sie zeigt in einer ersten Abteilung mit Skizzen, Fotografien und Installationen, wie sich die Architektur aus den romantischen mittelalterlich geprägten Formen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu denen des sogenannten Modernisme entwickelt. Die Architekten des katalanischen Modernismus gehen dabei unterschiedliche Wege. Floreale Entwürfe reichen über neogotische Versuche bis zu den weichen, geradezu märchenhaften Formungen eines Gaudí.
"Der Modernismus ist kein Stil, eher eine Art Geisteszustand, eine anthropologische wie kulturelle Stimmung. Sie wird von den radikalen Veränderungen in der Arbeitswelt getragen und von großen sozialen Spannungen begleitet."
Es sind die Maler Barcelonas, die dieser Stimmung Ausdruck geben. Maler wie Ramon Casas oder Santiago Rusiñol, die zuvor lange in Paris gelebt haben. Sie schaffen sich mit der Taverne "Els Quatre Gats" einen Treffpunkt nach Pariser Vorbild, wo sie literarische Abende veranstalten, Musik etwa von Wagner hören oder Ausstellungen organisieren. Der junge Pablo Picasso, dessen Familie 1895 nach Barcelona zieht, stellt hier zum ersten Mal aus. In Ferrara sind insgesamt dreizehn Arbeiten von ihm zu sehen. Darunter das expressive Selbstbildnis des 19-Jährigen, eine Reihe von Bürgerporträts oder das Bild einer Frau im Theater, das die Stimmung der Boheme in Barcelona farbenprächtig und zugleich nachdenklich wider gibt.
"Es beginnt mit einer fieberhaften Stimmung, mit dem Enthusiasmus vom Ende der 1880er Jahre, der dann aber wenig später 1902, 1903 in Unbehagen umschlägt. Da entsteht ein Klima, das bereits den kommenden Krieg ahnen lässt."
"La Rosa di Fuoco - Feuerrose" hat Tomas Llorens die Ausstellungen genannt. Im Untertitel: "Das Barcelona von Picasso und Gaudí". Den Beinamen "Feuerrose" erhielt die Stadt nach gewaltsamen Anschlägen der starken anarchistischen Bewegung als Ausdruck der Arbeitskämpfe und der wachsenden Armut. Die sogenannte tragische Woche beendet im Juli 1909 mit einer Reihe von Attentaten die Blütezeit des katalanischen Modernismus. Auch wenn ein Gaudí bis zu seinem Tod im Alter von 74 Jahren 1926 in Barcelona bleibt und vor allem den Bau seiner bis heute unvollendeten Kirche Sagrada Familia vorantreibt. Viele Künstler wie auch Picasso verlassen die Stadt und ziehen nach Paris oder Brüssel. Am Ende der kleinen, aber präzis durchdachten Ausstellung stehen Bilder von Isidre Nonell und von Pablo Picasso, die sich beide der blauen Farbe zugewandt haben. Melancholische Schmerzensbilder wie Picassos "Junge Frau im Hemd", das einen zerbrechlichen Frauenkörper vor abstraktem blaugrauem Hintergrund zeigt. Und bereits den Bruch mit dem Naturalismus andeutet, der sich mit dem Abschied von Barcelona vollzieht.