"In 'Refusal of Time' geht es um das Phänomen der Zeit, von Newton bis zum Schwarzen Loch. Benutzt werden dabei die Medien des Films und der Musik. Dieses Stück über die Zeit, in einem Raum mit 2000 Jahre alten Skulpturen, erzeugt ein Gefühl für die Dauer der Zeit. Ob man nun will oder nicht. Und das macht diese Installation hier einzigartig", sagt William Kentridge.
Kentridge ist sichtlich begeistert vom Effekt, den seine große Installation "The Refusal of Time" im großen Rom-Saal des Liebieghauses macht. Die Skulpturen und Reliefs an den Wänden werden überdeckt von den projizierten Filmen, sie verwandeln sich, geraten in Bewegung, werden zu Mitwirkenden der theaterhaften Installation, ebenso wie wir Zuschauer.
Kentridge als Trotzki verkleidet
Trotzki im Exil in Istanbul. Das ist die Filminstallation, die der Ausstellung den Titel gegeben hat. Man sieht unter anderem Trotzki, der auf Französisch eine Rede hält, dann William Kentridge selbst, der, als Trotzki verkleidet, die gleichen pathetischen Gesten vollführt. Der Film wird in ein Hotelzimmer-Ambiente projiziert, es befindet sich mitten in der Mittelalter-Abteilung des Museums.
"Die Unmöglichkeit der Utopie und die Unmöglichkeit, keine Utopie zu haben – das beschäftigt mich seit langem. Und jetzt Trotzki in einem Raum mit mittelalterlichen Heiligenfiguren – das gab es bisher noch nicht. Das Werk wurde ursprünglich in einem Hotel in Istanbul gezeigt. Und jetzt tragen wir sein Exil in andere Städte der Welt. Aber es hat durch die farbigen Holzskulpturen hier im Raum eine ganz neue Richtung bekommen", so Kentridge.
Große Entdeckungstour
Die Ausstellung, die sich über alle Bereiche des Museums erstreckt und auch bis in die kleinsten Privaträume der historistischen Villa Liebieg vordringt, ist eine einzige große Entdeckungstour. Die Familie Liebieg waren reich gewordene Textilfabrikanten aus dem Böhmischen, die sich zur Jahrhundertwende diese Villa in Frankfurt bauen ließen und sie dann später samt Sammlung an das Städel-Museum gaben.
Ein kleines mechanisches Miniaturtheater, die sogenannten "Black Box" von William Kentridge, ist jetzt in den ehemaligen Privaträumen aufgebaut. Kurator Vinzenz Brinkmann: "Und wenn wir jetzt die Black Box in den schönsten Raum dieser Villa, in den feierlichen Salon tragen, dann holen wir eine Anklage in das Herzstück einer vergangenen Welt. Die Black Box thematisiert den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts, nämlich die Tatsache, dass das preußische Militär tatsächlich die Hereros, Männer, Frauen und Kinder, zur Vernichtung preisgegeben hat. Das war 1904. 1904 saß das Ehepaar Liebieg noch in diesem Salon, hat die Zeitung gelesen, hat von diesen Vorgängen erfahren".
Eine neue Form der Wahrnehmung
Und so kommt explizit das Thema des Kolonialismus, mit dem sich William Kentridge als Südafrikaner ein Leben lang beschäftigt hat, ins Liebieghaus, ins Frankfurter Museum Alter Skulptur. Es stellt sich in diesem Dialog mit der zeitgenössischen Kunst von Kentridge auf den Prüfstand. Erprobt, mit außerordentlichem Gewinn, eine neue Form der Wahrnehmung. Und lässt sich dabei vom südafrikanischen Altmeister der Kinetik ordentlich durchschütteln.
"O Sentimental Machine" gehört zu der Sorte Ausstellung, die man nicht verpassen darf.
"O Sentimental Machine" gehört zu der Sorte Ausstellung, die man nicht verpassen darf.