Eine kroatische Architektin: Petra Andrejova-Molnár. Ihr Schlüsselwerk: das Hotel Nord-Sud, entstanden zwischen 1932 und 1934 in der Küstenstadt Zadar, zerstört im Zweiten Weltkrieg. Einst ein typisches Bauhaus-Gebäude: lange Horizontalen, quadratische Grundformen, klare Linien, große Fenster, weiße Flächen. So zeigt es das Modell.
Aber, das ist alles fake. Weder das Hotel noch die scheinbar vergessene Künstlerin haben je existiert. Auch wenn die echte Künstlerin, die Slowakin Katarina Burin, gleich eine ganze Biografie samt Skizzen und Einrichtungsstücken für dieses vermeintliche Mammutprojekt rekonstruiert hat. Kurator Dominik Busch:
"Der Knackpunkt ist, dass diese Person ohne weiteres hätte existieren können und dass es zahlreiche Frauen gegeben hat, denen es genau so gegangen wäre, dass sie von der Geschichtsschreibung übersehen wurden. Oder sogar absichtlich in die zweite Reihe gedrängt wurden. Da gibt es zahlreiche Beispiele im Bauhaus."
"Man könnte auch sagen: Frauen wurden abgeschoben"
Er meint, der patriarchale Charakter der Bauhaus-Bewegung sticht aus heutiger Sicht besonders hervor und sei bereits damals den selbst auferlegten Prinzipien zuwider gelaufen:
"Im Gründungsmanifest steht ja, das Bauhaus steht allen Bewerbern offen, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft. Daraufhin wurde aber eine reine Frauenklasse gegründet, man könnte auch sagen: Frauen wurden abgeschoben. 1921 hat man im Meisterrat darüber diskutiert, ob man Frauen den Zugang ganz verweigern sollte. Was man öffentlich kommuniziert hat, entsprach also nicht der Realität, wie man mit Frauen im Bauhaus umgegangen ist."
Natürlich darf dieser Blick auf die Frauen des Bauhauses im Jahr 2018 nicht fehlen. Und es ist ja immer noch so: Frauen sind im Architekturbetrieb, in der Kunst wie in Führungspositionen insgesamt unterrepräsentiert.
Die feministische ist aber nur eine von fünf zeitgenössischen Perspektiven in Friedrichshafen, die sich mit der Frage beschäftigen: Wie könnte ein Bauhaus heute aussehen?
Adäquate Lösungen für Verstädterung, Wohnungsnot, Platzmangel
Am offensichtlichsten sicher so wie bei Andrea Zittel und ihrer "Living Unit", einer kompakten Box aus Holz und Edelstahl mit Bett, Küche, Tisch und Badschränkchen. Alles, was man zum Leben braucht. Funktional, mobil und platzsparend - eine adäquate Lösung in Zeiten von Verstädterung, Wohnungsnot und Platzmangel.
"Die Themen, die wir hier ausgemacht haben, sind eben einerseits das Thema: Wohnen und Wohnraum. Wie leben wir in Zukunft? Eines der zentralen Anliegen des Bauhauses in den 20er Jahren. Und dann andererseits die ultimative Folge: Von der Industrialisierung zu der heutigen Industrie 4.0, in der künstliche Intelligenzen in der Lage sind, Roboter Entscheidungen treffen zu lassen."
Das Bauhaus war interdisziplinär, anfangs handwerklich und später geprägt von der Massenfertigung der Industrialisierung. Immer am Puls der Zeit. So stellt die kleine, aber diverse Ausstellung im Zeppelin-Museum auch die Behauptung auf, ein heutiges Bauhaus müsse zwangsläufig Fragen zu Digitalisierung und Technologisierung behandeln. Das ist spekulativ und einsichtsreich zugleich.
Heutige Diskurse mit dem Bauhaus besser verstehen
Wenn das Künstlerpaar Pakui Hardware künstlich modifizierte Natur- und High-Tech-Materialien zu amorphen Cyborg-Skulpturen zusammenschraubt, hat das formal zwar nicht mehr viel mit alter Bauhaus-Schule zu tun, lässt sich aber durchaus als deren zeitgenössische Fortsetzung ausdeuten.
Noch verkopfter wird es bei Christopher Thomas’ digitalem Immobilien-Start-Up "NEW EELAM", das globales, kollektives Wohnen, wie er sagt, "so einfach macht, wie das Streamen eines Films". Doch selbst der Künstler gibt zu: Alles noch Utopie, alles noch weit weg. Der "kommende Glaube" hat ja schon bei Bauhaus-Gründer Walther Gropius eine nicht ganz unwichtige Rolle gespielt.
So lohnt es sich, die fünf Stationen genau zu studieren. Vorwissen ist sicher hilfreich, eingehende Lektüre im Katalog auch. Danach versteht man manches Anliegen des Bauhauses besser – und manchen Diskurs unserer Zeit.