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Ausstellung in Kassel
Ganz großes Kino - Cartoons zum Film

In der Ausstellung "Ganz großes Kino" in der Caricatura in Kassel zeigt sich die deutsche Karikaturen- und Cartoon-Szene als Kinofans. Ausgesprochene Fachkenntnisse über den Plot von Star Wars und Co. muss man als Besucher nicht mitbringen. Umso mehr kann man sich freuen auf sehr bekannte und markante Zeichenstile und Auffassungen von Humor.

Von Peter Backof |
    Ein Cartoon von Martin Perscheid, der sich mit dem VW-Skandal beschäftigt, aufgenommen bei der Vorbesichtigung der Ausstellung "Ganz großes Kino - Cartoons zum Film" in der Caricatura in Kassel (Hessen).
    Ein Cartoon von Martin Perscheid beschäftigt sich mit dem VW-Skandal, zu sehen in der Ausstellung "Ganz großes Kino". (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Sein Name ist Perscheid. Martin Perscheid. Und Total Recall, die totale Erinnerung, das war dieser Blockbuster von 1990, in dem Arnold Schwarzenegger vorgegaukelte Erinnerungen als Urlaub verkauft wurden.
    "Mach Dich bereit für eine große Überraschung. Du bist nicht Du!"
    Laut Perscheid wird die Sause – einmal zum Planeten Mars und wieder zurück – nun "präsentiert von VW". Es dauert drei Sekunden, dann hat man es: Total Recall? Anders übersetzt: Totale Rückrufaktion von Volkswagen! Das sitzt.
    "Lustigerweise gibt es sehr viele Cartoonisten, die wirklich sehr kinobegeistert sind. Natürlich kennt man seine Pappenheimer so ein bisschen: Die haben wir dann angefragt und die haben glücklicherweise sehr viel Material eingereicht."
    Saskia Wagner, Kuratorin der Caricatura – Galerie für Komische Kunst – in Kassel hat den "Total Call for Entries" gestartet: Einen Aufruf an alle, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten den "Deutschen Karikaturenpreis" oder den "Deutschen Cartoonpreis" gewinnen konnten: etwas beizutragen zur Schau "Ganz großes Kino!"
    "Es gibt auch tatsächlich iin der Ausstellung kein Bewegtbild. Ganz bewusst. Weil wir uns eben mit dem Medium auseinandersetzen. Es ist tatsächlich die Draufsicht der Cartoonisten auf das Filmthema und auch auf die Welt der Stars. Schönheitswahn, was da so alles dazu gehört, Fankult. Was da so alles dazugehört. Auch Fankult."
    Das Ringen um eine persönliche Handschrift
    Schatz, was soll ich zur Oscarverleihung anziehen? - Egal, Hauptsache, weniger! - Rund 150 Zeichnungen, Comicstrip-Zeilen und opulente Airbrush-Karikaturen sind zu sehen. Durchweg Originale. Mal sanft humorig in der Loriot-Tradition: Etwa Wenn der Walter Moers-nasige Zorro von Oli Hilbring sein berühmtes "Z" an der Wand so gar nicht hinbekommt. Wegen Parkinson.
    Bis zur tagesaktuell relevanten Karikatur. Wenn die aus der F.A.Z bekannten Greser & Lenz das Schattenkabinett des Donald Trump real-satirisch voraus befürchten und Hannibal Lecter aus dem "Schweigen der Lämmer" sowie der tollpatschige Goofy aus der Disney-Welt als Minister mitmischen: Politik als "Total Entertainment"?
    "Naja, Hollywood lebt ja immer noch vom Mythos und von der großen Geste. Und es bringt natürlich großen Spaß, große Idole zu zerstören."
    Ihr Name ist Greve. Katharina Greve. - Zehn Cartoons steuert die Berlinerin bei. Ihr Zeichenstil ist kantig reduziert.
    "Ich wollte mal Maschinenbau studieren."
    Einer der Türme des World Trade Centers brennt lichterloh. Im Fenster steht ein Mann: Soll ich springen, aus dem 20. Stockwerk? Zum Glück kommt Superman. Doch der will – vor der Rettungsaktion – erst mal die Kundenkarte sehen.
    "Die Kehrseite des großen Glamours ist der ganz normale Alltag und der kleine, normale Mensch."
    "Mann, war der Film langweilig", sagt "er", nach dem Kino. "Aber immer noch aufregender als unser Leben in den zwei Stunden gewesen wäre", kontert "sie", in diesem typisch deutschen Befindlichkeitscartoon.
    Das Ringen um eine persönliche Handschrift. Natürlich sollen nicht alle Cartoon-Charaktere kulleräugig daher kommen wie die von Martin Perscheid. Auch das ist bemerkenswert. Katharina Greve wurde 2010 als erste Frau in Deutschland mit dem "Deutschen Karikaturenpreis für junge Talente" ausgezeichnet.
    Einfach nur ein Botox-modelliertes Quasi-Promi-Gesicht
    "Natürlich nimmt man das wahr. Viele Zeichner kennen sich untereinander und der Anteil der Zeichnerinnen liegt so ganz knapp unter zehn Prozent."
    Das gilt proportional auch für die Ausstellung: vier Frauen, 24 Männer. Und es gilt dann auch für die große Bezugsgröße: Hollywood, hinter der Kamera. Regisseurinnen? Produzentinnen?
    "Spontan kann ich keine nennen. Ich glaube, Cameron Diaz arbeitet auch als Produzentin. Sie sind auf jeden Fall in der Minderheit."
    "Ja wir haben immer noch einen geringeren Anteil von Frauen. Glücklicherweise wird das besser. Es ist auf jeden Fall Bewegung in der Szene."
    Konstatiert Saskia Wagner über den Nachwuchs, sowohl in Hollywood als auch in der deutschen Zeichnerszene. Frauen vor der Kamera allerdings: Weiterhin ein satirisch ergiebiges Feld. Diesen einen Gag verraten wir jetzt mal. Die Besucher werden rätseln, vor dem Großformat von Guido Sieber:
    "Das ist doch Dolly Parton? Das ist doch Courtney Love? So geht das die ganze Zeit."
    Es ist aber tatsächlich: niemand. Einfach nur ein zurecht geschminktes und Botox-modelliertes Quasi-Promi-Gesicht. Ansonsten sind Nick-Tschiller alias Til Schweiger- und Star Wars-Witze rote Fäden. Mal vergnüglich, weil in Tageszeitungen platziert, mal bissig, weil aus einem engeren Kontext von Satiremagazinen stammend, ist das eine Familienausstellung und ein gelungenes Potpourri über "Ganz großes Kino!"